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Se sehen, meine Gnädige, daß Sie wern gut haben! Hier ist das erste Hotel, alle de Herrschaften steigen nur ab bei mir! Hier kännen Se schlafen —“ er zeigt auf das Bett, von dem er sich soeben erhoben. Mir wird so schwach, daß ich mich auf den nächsten Stuhl setzen muß. Und die ganze Familie umringt mich und benutzt den Augenblick meiner Wehrlosigkeit, um mich mit den seltenen Vorzügen dieses Hotels bekannt zu machen.

„Wir wollen einen eigenen Eingang,“ sage ich endlich schwach, „das geht hier absolut nicht, wir wollen zwei Betten, einen Waschtisch, Kasten!“ — „Kennen Se haben das erste Zimmer, haben Se den Eingang direkt von der Straße, kennen Se haben diesen Eingang ganz allein, nur werden Se erlauben, daß meine Töchter werden holen ihr Sach in der Früh zum Anziehen.“

„Was soll dieses Zimmer kosten?" fragt Schwester Mania.

„O, nicht viel! Weil Sie sein, vier Rubel!“

Jetzt finde ich meine Kräfte wieder. „Vier Rubel, 14 Kronen für eine Nacht!?“ Ich bin so empört, daß ich schon zur Tür draußen bin. Schwester Mania bleibt einstweilen bei den Sachen. Die ganze Familie läuft mir auf der Straße nach und wird bei jedem Schritt, den ich mache, um 20 Kopeken billiger. Ich laufe eine Stunde lang durch das ganze Nest und kann, weiß Gott, nichts Besseres finden!

Schließlich bin ich so müde und stumpfsinnig, daß mir alles absolut gleichgültig ist. Einstweilen hat sich auch noch eine Leidensgefährtin, eine Dame aus Kiew, die hier auf ihren Paß warten muß, eingefunden. So nehmen wir in Gottes Namen jede ein Zimmer. Wir das große, straßenseitige, sie das kleine nebenan.

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/192&oldid=- (Version vom 1.8.2018)