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auch noch die Gefangenschaft auf sich zu nehmen.

Dazu schleicht der Flecktyphus sich heimtückisch näher und näher. Fast jeden Tag bringt man nachts ein paar fort in die Epidemiebaracken.

Da kommt wohl über den einen oder den anderen die Verzweiflung.

Und man steht dabei. Ist selbst am Ende.

Manchmal möchte man ausschreien: „Gott, wo bist du?"

Przemysl, den 27. April 1915.

Der Transport der Roten-Kreuz-Schwestern ist wieder auf unbestimmte Zeit verschoben.

So habe ich mich entschlossen, allein nach Österreich zu reisen. Eine Schwester will mich begleiten.

Mir brennt der Boden unter den Füßen.

Ich fiebere, wegzukommen.

Przemysl, den 28. April 1915.

Wie doch die tiefste, gemeinsame Not alles Warme und Edle im Menschen aufblühen macht. Das ist das Schöne an dieser furchtbaren Zeit. Seit mein Mann in Gefangenschaft ist, kommen fast täglich Menschen zu mir, die ich wenig oder gar nicht kenne. Sie geben mir die Hand und haben Tränen in den Augen. Die einen bitten mich, hier nicht so ganz allein zu bleiben und bieten mir ihre eigene Wohnung an. Die anderen gehen nach Lemberg, laden mich ein, mit ihnen im Automobil hinzufahren und dort, solange ich will, bei ihnen zu bleiben. Sie reden in gutmütiger Verlegenheit davon, daß es seit so vielen Monaten ausgeschlossen war, Geld aus Wien zu bekommen und rücken

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/177&oldid=- (Version vom 1.8.2018)