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unseres Spitals haben die Kosakenwachen nachts aus dem Bett geholt und im Spital interniert. Die Russen sagen, daß ihnen Rekonvaleszenten abgehen, und man macht die Kommandanten der Spitäler für sie haftbar.

Przemysl, den 25. April 1915.

Es gibt Augenblicke, wo ich meine, ich kann nicht mehr, ich muß zusammenbrechen.

Manchmal ist mir nachts, als ob tausend Kosakenhufe über dich und mich hinweggingen, Hufschlag auf Hufschlag —!

O diese Tage, diese Nächte ohne dich —!

Ich werfe mich in die Knie und bete, bete, daß dich Gott mir wiedergibt, bete, bis ich vor Ermattung zusammensinke.

Und über dem fiebernden, todmüden Entschlummern und über der grauen Trostlosigkeit meines Erwachens stehst du — immer wieder du, schaust mich mit lieben Augen an: „Sei tapfer!“

Dann raffe ich mich auf zum Tagewerk.

Liebster, ich halte dir Wort!

Przemysl, den 26. April 1915.

Zu allem übrigen Grauen wird es auch im Spital immer düsterer. Das Gefühl der Gefangenschaft und der unsicheren Zustände lastet hart auf unseren Verwundeten. Wenn sie auch die Russen gar nicht zu sehen bekommen und für sie bis jetzt alles ziemlich beim alten geblieben ist.

Aber es kommt zu viel über sie. Wissen doch wir Gesunden oft nicht mehr, wie uns aufrecht erhalten. Und sie liegen in qualvollen Leiden, monatelang, und haben nach allen Schmerzen und Entbehrungen der Belagerung

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/176&oldid=- (Version vom 3.1.2022)