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eine Kosakenpatrouille. Es ist nicht die Spur von Furcht in mir, nicht einmal Schmerz. Ein einziges Furchtbares flammt in mir, das ich nie vorher gekannt. Ab und zu überfällt mich ein Taumel, daß ich mich an der Mauer des nächsten Hauses festhalten muß.

Heute vormittag war ich noch einmal dort. Wir haben Abschied genommen. Mittags ist der Transport weggegangen. —

Przemysl, den 21. April 1915.

Wenn ich mich hinlege und die Augen schließe, wälzt sich eine gelbe Lehmflut über mich und will mich ersticken.

Mein Körper tut noch automatisch, instinktiv, dies und jenes, und mein Ich liegt irgendwo begraben.

Przemysl, den 23. April 1915.

Heute schlagen die Russen in den Straßen eine polnische und russische Proklamation an.

Darin heißt es, daß ein österreichisch-ungarischer Soldat in den Karpathenkämpfen einem russischen Soldaten die Zunge ausgerissen und die Ohren abgeschnitten hätte.

Um diese Grausamkeit zu ahnden, entzieht man unseren Offizieren den Säbel, und damit rechtfertigt man auch das strenge Vorgehen gegen unser Sanitätspersonal.

Ich habe kein Wort zu dieser Anschuldigung.

Ich habe nur ein kaltes Lächeln —

Wozu — ?

Przemysl, den 24. April 1915.

Einige wenige Arzte sind hier geblieben. Sie sind fast ausschließlich slawischer Nation. Den Direktor

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/175&oldid=- (Version vom 1.8.2018)