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Ein russischer Ingenieuroffizier ist tot und viele Mannschaften mehr oder minder schwer verletzt. Der San ist sehr hoch und reißend. Schon vor ein paar Tagen riß er die Hälfte der Pontonbrücke weg, an der die Russen bauen, wobei 24 Mann ertranken.

Wir sind beide todmüde. Jeder Nerv zittert noch. —

Przemysl, den 19. April 1915.

Es ist da. Unaufhaltsam und unerbittlich.

Ich bin allein. Ich starre mit halb irren Augen ins Leere, und es ist plötzlich nichts als Grauen um mich.

In der Nacht, die auf die Explosion folgte, schliefen wir einen schweren Schlaf. Um 4 Uhr morgens klopfte es wieder an unsere Türe.

Wir fahren aus dem Schlaf, und im selben Augenblick begreife ich, daß unsere Stunde geschlagen hat. Da verlassen mich zum erstenmal die Nerven. Ein Schüttelfrost erfsaßt mich, und die Zähne schlagen mir so heftig aufeinander, daß man nicht versteht, was ich sage.

Es ist eine Ordonnanz vom Spital. Die Sanitätsoffiziere und Ärzte haben sich über Anordnung des russischen Sanitätschefs in ihre Spitäler zu begeben, die sie nicht mehr verlassen dürfen.

Nachmittags um 3 Uhr werden die Ärzte und Sanitätsoffiziere zum Platzkommando befohlen, von wo sie nicht mehr zurückkommen.

Ich warte — suche — frage — abends um 8 Uhr erfahre ich, daß man sie im Garnisonsarrest interniert hat. Gleichzeitig kommen die Diener um das Gepäck.

Ich gehe mit dem Diener hin, man erlaubt den Angehörigen, die Herren im Hof zu sprechen.

Es ist 9 Uhr, wie ich fortgehe. Ein weiter Weg im Dunkel. Die Straßen totenstill und öde. Nur ab und zu

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/174&oldid=- (Version vom 1.8.2018)