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Plötzlich ein furchtbares, unerklärliches Getöse. Die Querwand des Zimmers, an der wir sitzen, biegt sich, von einer ungeheueren Luftwelle erfaßt, nach innen, wie wenn ein Sturm in ein Blatt Papier bläst. Die gegenüberliegende Wand gibt ebenfalls dem Drucke nach, alles im Zimmer geht in der gleichen Richtung mit und schwingt dann wieder zurück. Dazu ein schweres wellenförmiges Rollen, von einem schlitternden Schlag gefolgt.

Wir brauchen lange, bis wir Worte finden. Jeder ist festgenagelt auf seinem Platz, wie erstarrt.

Dann sagt jemand: „Eine Bombe!“

„Die Unseren!“ ruft ein anderer, „eine 30,5 cm-Granate!“

„Eine Explosion!“ sagt ein Dritter.

„Ein Erdbeben — ?“

Im selben Augenblick kommt ein Offiziersdiener.

„Die Sanbrücke ist noch einmal in die Luft gegangen. Die Leute laufen die Straße hinunter, es ist ein Unglück geschehen.“

Ich eile, nach Hause zu kommen. Wieder sind die Straßen voll erschöpfter, bleicher Gesichter. Bei jedem Schritt splittern die zertrümmerten Fensterscheiben, die zum größten Teil wieder ersetzt waren, unter dem Fuß.

Mein Mann erwartet mich schon vor dem Hause. Es ist nichts geschehen, nur alle Türen, selbst die versperrten, sind aufgesprengt.

Es ist etwas Wunderbares um die Elastizität dieser Wände hier.

Vom San kommen Leute. Sie erzählen, daß die Russen an der Wiederherstellung der gesprengten Holzbrücke gearbeitet hatten. Dabei sind sie auf eine von uns gelegte Mine gestoßen, die am 22. März zufällig nicht mit explodiert ist.

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/173&oldid=- (Version vom 1.8.2018)