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verhafteten Männer und führt sie als Geiseln hinweg. Nur einige von den Ältesten läßt man laufen.

Es ist ein langer, trauriger Zug, der da in der Richtung auf Lemberg abmarschiert. Die meisten sind Juden. Jeder in dem Anzug, wie er über die Straße gegangen war. Der eine im Kaftan, der andere im Arbeiterkittel, der dritte im eleganten, hellen Straßenanzug und ausgeschnittenen Lackschuhen. Frauen und Kinder laufen weinend neben ihnen her, wollen ihnen Mäntel, Kleider und Eßwaren zustecken und werden von den Wachen hart weggewiesen, mitunter mit einem Wink der Knute.


Przemysl, den 14. April 1915.

Vor einigen Tagen ist der russische Festungskommandant, General Artamanow, aus unbestimmte Zeit abgereist. Die Zivilbevölkerung und alles, was von der ehemaligen Besatzung noch hier ist, bedauert dies aufs lebhafteste, da Artamanow überall als gütiger, vornehm denkender Mensch gilt.


Przemysl, den 16. April 1915.

Heute erschien ein russischer Festungskommandobefehl, demzufolge die gesamte österreichisch-ungarische Festungsbesatzung strafweise den Säbel abzulegen hat.


Przemysl, den 17. April 1915.

Ich bin so erregt, daß ich kaum imstande bin zu schreiben. Meine Hände fliegen, von Zeit zu Zeit geht mir ein Schauer über den Rücken.

Es war 1/25 Uhr nachmittags. Ich war, wie gewöhnlich, im Spital im Zimmer der Schwerverwundeten. Wir waren gerade beim Nachmittagskaffee.

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/172&oldid=- (Version vom 1.8.2018)