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Dann danken sie und stehen von einer Untersuchung der Wohnung ab.

Am Morgen bieten die Straßen ein ungewohntes Bild. Alle Geschäfte sind gesperrt. Alle drei Schritt steht ein russischer Posten. Jeder männliche Bewohner der Stadt, der vorbeikommt, wird angehalten und um die russische Legitimation gefragt. Da man bisher ganz frei und ungehindert passieren konnte, haben die wenigsten eine russische Legitimation bei sich. Alle jene, welche keine Legitimation vorweisen können, werden auf der Stelle verhaftet. Es sind fast lauter Juden der verschiedenen Altersstufen, junge Burschen und weißhaarige alte Männer, die man in langem Zug durch die Straßen führt.

Die Frauen läßt man passieren. Nur hier und da hält man eine Schwester vom Roten Kreuz an, die sich ausweisen soll, ob sie die Berechtigung hat, die Armbinde zu tragen. Es erschien vor einigen Tagen ein russischer Festungskommandobefehl, daß alle Schwestern, die nicht unter den Russen Dienst machen wollen, die Armbinden beim Spitalskommando abzugeben haben und nicht mehr zum Tragen des Roten Kreuzes berechtigt sind.

Im Laufe des Tages erfährt man den Grund dieser Maßregeln. Die Russen behaupten, daß ihnen von den kriegsgefangenen Mannschaften der Festungsbesatzung fast 6000 fehlen. Diese Abgängigen werden nun in der ganzen Stadt gesucht. Die ganze Nacht fanden strenge Hausdurchsuchungen statt. Sogar im Nonnenkloster erschienen um 1 Uhr nachts die russischen Patrouillen und suchten nach verstecktem österreichisch-ungarischen Militär.

Da die Hausdurchsuchungen kein Resultat ergeben, hält man sich an die wegen mangelnder Legitimation

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/171&oldid=- (Version vom 1.8.2018)