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Przemysl, den 29. März 1915.

Gestern überreichte das gesamte Sanitätspersonal dem russischen Kommando ein Memorandum mit der Bitte, sich an die Bestimmungen der Genfer Konvention zu halten.

Die Russen bringen viel Lebensmittel herein. Sie sind gut zu den Hungernden und verteilen, um sich die Sympathien der Zivilbevölkerung zu gewinnen, täglich auf dem Magistrat reichlich Nahrungsmittel. Außerdem speist das russische Rote Kreuz dreimal täglich die Notleidenden auf dem Bahnhof.

Es ist durch Straßenanschlag bekannt gemacht worden, daß jedermann, ob der Besatzung oder der Zivilbevölkerung angehörig, den russischen Festungskommandanten, General Artamanow, auf der Straße zu grüßen hat.


Przemysl, den 1. April 1915.

Die Feldtruppen und die Truppen der Festungsbesatzung sind in Gefangenschaft abgegangen. Ein Teil ist nach Medyka marschiert und von dort aus mit der Bahn weggegangen, ein anderer Transport bis Jaroslau marschiert. Sie gehen alle per Bahn nach Kiew und werden von dort aus in den verschiedenen Internierungslagern aufgeteilt.

Jeder Offizier und jeder Mann, der in Gefangenschaft geht, bekommt einen Schein, auf dem außer Name und Truppenkörper die Religion und die Muttersprache vermerkt ist. Man nimmt an, daß dadurch eine Berücksichtigung der Slawen ermöglicht werden soll.

Gestern kam der Chauffeur von Exzellenz Kusmanek hierher zurück. Er erzählt, daß unser Festungskommandant derzeit in Kiew ist und daß es ihm gut gehe.

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/166&oldid=- (Version vom 1.8.2018)