Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/164

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ehemaligen Besatzung von Przemysl auch weiterhin das Tragen des Säbels gestattet.

Dann folgen Maßregeln zum Schutz der Zivilbevölkerung und der ehemaligen Besatzung.

Jeder Soldat, der marodiert, ob Russe, oder Österreicher, wird standrechtlich erschossen.

Jede Belästigung einer Militär- oder Zivilperson ist sofort dem russischen Festungskommando anzuzeigen und wird, ohne Rücksicht auf Rang und Stand des Schuldigen, strengstens geahndet. —

Das Leben in den Straßen ist seltsam bunt und bewegt. Ein Durcheinanderwogen von unseren lieben Feldgrauen und den lehmfarben Uniformen der Russen. Dazwischen Kosaken zu Pferd, die zottigen Schaffellmützen über die Ohren gestülpt, zwei Meter hohe Lanzen vor sich im Sattelknopf. Russische Troykas, mit drei Pferden bespannt, jedes Pferd hat über dem Kopf das mit Schellen besetzte, gebogene Holzjoch. Noch ein anderes, speziell russisches Bild überraschte uns heute bei einem Gang durch die Straße. Eben hielt der russische Polizeimeister seinen Einzug, von seinem Gehilfen begleitet. Eine gutgewählte Persönlichkeit für diesen Beruf, in der Hand — die Knute. Jeder russische Polizeimann trägt hier zum Zeichen seiner Würde die Knute, eine kurze Peitsche aus vielschwänzigen Lederriemen. Man sieht sie auch hie und da bei den russischen Offizieren.

Heute bekommt unsere Mannschaft zum erstenmal wieder frisches Fleisch. Auch wurden unsere Proviantdepots geöffnet und die letzten Reste an Militär und Zivilbevölkerung verteilt. Unsere armen Leute stürzten sich darauf und aßen so viel, daß 10 Honveds daran starben. Sie können nicht mehr so viel vertragen.


Empfohlene Zitierweise:
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/164&oldid=- (Version vom 1.8.2018)