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Der Kommandant der 11. russischen Armee, der Kosaken von Orenburg, General Artamanow, übernimmt das Kommando der Festung. Er ehrt die heldenmütige Verteidigung von Przemysl, indem er unseren Offizieren auch in der Gefangenschaft den Säbel beläßt.

Przemysl, den 22. März 1915,
     abends.

Mittags sind die ersten russischen Truppen in die Stadt eingezogen. Es sind vorderhand nur einige Bataillone Infanterie und die Kosaken von Orenburg.

Ihr Einmarsch vollzieht sich in tadelloser Ordnung. Das Leben geht vorderhand weiter, als ob sie gar nicht da wären.

Während des Einmarsches hält sich die Bevölkerung in den Häusern. Doch schon wenige Stunden darauf, als alles ruhig bleibt, ist die ganze Einwohnerschaft in den Straßen.

Es ist ein seltsames, phantastisches Bild, das sich am Spätnachmittag und Abend am San entwickelt. Man greift sich immer wieder von Zeit zu seit an den Kopf, weil man zu träumen meint.

Ein wunderzarter, reiner Hiimmel spannt sich über der Stadt. Die schon tiefstehende Sonne trifft mit den letzten schiefen Strahlen die Schlangenwindungen des San und blitzt in jeder dieser Windungen von neuem golden auf. Die angeschwollenen übermütigen Wellen tragen das Sonnengold aus ihrem Rücken mit sich, rollen es mit zu den drei gesprengten Brücken hinab, die mit gebrochenem Rückgrat, wie abenteuerliche schwarze Lindwurmleichen, mitten in der Stadt über dem Flusse liegen. Bei der großen steinernen Straßenbrücke, die nach Zasanie hinüberführt, ist der Mittelteil gänzlich weggerissen,

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/157&oldid=- (Version vom 1.8.2018)