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günstigen Augenblick zu einem gewaltsamen Durchbruch nach zwei Seiten mit den gesammelten letzten Kräften.

Die Gesichter der Offiziere, die von draußen herein kommen, sind düster. Die Leute stehen kaum mehr auf den Füßen vor Mattigkeit. Es ist stumme Verzweiflung in ihnen. „Durch! durch!“ sagen ihnen die Offiziere, „nach Hause — nach Hause —!“ Und sie ballen die Fäuste und beißen die Zähne zusammen.

Sie werden sich schlagen wie die Rasenden — ein furchtbarer letzter Todeskampf.

In der Festung ist fieberhafte Tätigkeit.

Man ist auf alles gefaßt. Alles wird vorbereitet. Das Papiergeld und die Dienstbücher werden gesammelt, um im letzten Augenblick verbrannt zu werden. Den Offizieren und Gagisten wird der Gehalt für April gezahlt, um keine zu große Menge von Bargeld angehäuft zu haben.

In den Werken wird Sprengstoff vorbereitet, um vor der Übergabe Geschütze und Forts zu sprengen.

Die Flieger und Ballonführer packen in Hast und halten sich zum Abfliegen bereit. Mit ihnen geht das Letzte, das uns mit unseren Lieben verband.

Am aufgelassenen Judenfriedhof kauern die Judenweiber vor den alten Grabmalen und weinen. Und dazu schneit es — schneit hoffnungslos und eintönig nun schon den 17. Tag.

Przemysl, den 19. März 1915,
     am 132. Tag der 2. Belagerung.

9 Uhr früh. Seit 7 Uhr früh schlagen russische Schrapnells in die Stadt herein. Es ist viel ärger als am 7. Oktober, wo sie nur vereinzelt kamen. Es ist ein sausendes Pfeifen in der Luft und ein schütternder Schlag nach dem anderen.

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/147&oldid=- (Version vom 1.8.2018)