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von Przemysl“. Dann schauen unsere Leute verwundert auf und es kommt ihnen sonderbar vor, daß sie das sind! Hier tut jeder Mann jeden Tag einfach und still seine schwere Pflicht. Er hat seit vielen Monaten nichts von draußen gehört und er verliert sein Verhältnis zur Welt, ja er verliert sogar durch Gewöhnung das Gefühl für das Außerordentliche des Postens, auf dem er steht.

So kommt es, daß unsere Leute gar nicht wissen, daß sie draußen in der Welt Helden sind!

Przemysl, den 15. Februar 1915,
     am 98. Tag der 2. Belagerung.

Unsere Forts in der Runde halten wieder mächtige Zwiesprache. Dort dröhnen vereinzelte dumpfe, schwere Schüsse herüber, dazwischen rollen von der anderen Seite langgezogene Artilleriesalven, vom Echo des Schloßberges zurückgeworfen. Aus der Richtung von Lipowica knattern Maschinengewehre.

Die Kälte ist gebrochen. Es ist starkes Tauwetter eingetreten. Das Wasser rieselt in den Straßen und der letzte Schnee stürzt von den Dächern.

Fast jeden Tag sind noch ein paar Bäuerinnen mit Gänsen, Enten und Hühnern auf dem Markt, aber die Preise sind enorme. Man zahlt für ein Huhn 40 K, für eine Gans 60 K und mehr. Diese Preise verlocken immerhin noch manche, das letzte zu verkaufen, was sie selber haben. Jetzt bekommt auch die Zivilbevölkerung wieder ab und zu Rindfleisch zu kaufen, das Kilogramm zu 7—10 K! Den Liter frische Milch bezahlt man mit 2 K und es ist äußerst schwer, welche zu bekommen. Das Militär bekommt teilweise Trockenmilch, mit frischer Milch gemischt. Die Mannschaft frühstückt

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/130&oldid=- (Version vom 1.8.2018)