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Besonders die Zündholzfrage ist für Przemysl im tiefsten Sinne des Wortes „eine brennende Frage“. Macht sich denn ein einziger von den Millionen Menschen, die täglich gewohnheitsmäßig ihre Zündhölzer anreiben und fortwerfen, auch nur ein einziges Mal klar, was solch ein Zündholz für ihn bedeutet? Er hat es, das genügt ihm. Und er fragt nicht danach, was ihm alles mangeln würde, wenn er es nicht hätte. Ist das Zündholz nicht im letzten Sinne Licht, Wärme und — Nahrung! Müßte nicht Przemyzsl kapitulieren ohne Zündhölzer —! Jeder Festungskommandobefehl mahnt uns, Zündhölzer zu sparen. Die Abgabe der Zündhölzer vom Verpflegsmagazin ist so streng geregelt, daß beim Fassen für die Mannschaft auf zwei Mann im Tag — ein Zündholz kommt!

Das klingt lächerlich, klingt unmöglich, und doch ist es so. O, man wird praktisch! Jeder hat seine eigene Methode. Der eine versteht es, jedes Zündholz in zwei, auch in drei Teile zu spalten. Bei der Kompagnie wird am Morgen ein Zündholz angezündet, das wandert von Zigarette zu Zigarette, von Pfeife zu Pfeife, in den Spitälern von Bett zu Bett. Wozu hat man die Glut der Herde und Öfen, an der man jedes Zündholz drei-, viermal entfachen kann, bevor es auf die Finger brennt. Wir haben Künstler in diesem Fach. Jeder hat seinen ganz besonderen Vorteil beim Anfassen dabei, herausgebildet durch monatelange Praxis.

Wir lachen täglich von neuem darüber, machen gute und schlechte Witze und Scherzgedichte und sind im tiefsten Innern stolz darauf.

Und hast du auch das Zündholz nicht,
In Przemyzsl ist noch immer Licht.
Empfohlene Zitierweise:
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/120&oldid=- (Version vom 1.8.2018)