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und mit einer Mischung von heißem Kolophonium imprägniert. Diese Sohlen sollen bereits versuchsweise in Gebrauch sein und sich sehr bewähren.

Außerdem haben die Wachstehenden Posten als Kälteschutz Holzsandalen, die sie über die Schuhe schnallen.

Das Merkwürdigste aber ist das neue Pferdefutter. Da einige Tausend überzählige Pferde in der Festung sind, hat man nicht genug Futter für sie. Ein großer Teil wird geschlachtet, und was nicht frisch gegessen wird, zu Konserven verarbeitet. Und nun ist ein erfinderischer Geist auf ein neues Pferdefutter verfallen. Man hat in der Konservenfabrik eine Maschine aufgestellt, die sehr feine Holzwolle erzeugt. Diese Holzwolle wird mit einer Salzlösung behandelt, zerkleinert, und das Futter dient als Ersatz von Strohhäcksel. —

Schon kurz nach Beginn der 2. Belagerung hat das Festungskommando begonnen, unseren kleinen Inselstaat, der wirtschaftlich ganz losgelöst vom Mutterland, von niemand Hilfe zu erwarten hat, auf eigene Füße zu stellen. Wo es immer möglich war, wurden Fabriken eingerichtet, um die wichtigsten Dinge selbst herzustellen. Diese Fabriken werden von Reserveoffizieren, von Fachleuten der betreffenden Branche, geleitet und haben sich bisher sehr gut bewährt. So haben wir eine Spiritusbrennerei, eine Benzin-, eine Seifenfabrik. Schon längst gibt es keine Toiletteseife mehr in der Stadt, und man kann die Wäsche nur dann waschen lassen, wenn man der Wäscherin Seife, Soda, Holz und Kohle dazu gibt, was das Militär zu diesem Zwecke vom Ärar bekommt.

Alles was nur einigermaßen verwendbar ist, wird gesammelt. Trotzdem geht auch das Rohmaterial schon zu Ende. Holzasche zur Herstellung der Soda, abgebrannte Zündhölzer zur Neuverwertung in der Zündholzfabrik.

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/119&oldid=- (Version vom 1.8.2018)