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Przemysl, den 12. Jänner 1915,
     am 66. Tag der 2. Belagerung.

Die Festungsbesatzung hat sich mit einer vornehmen Geste für die russische Weihnachtsbeglückwünschung erkenntlich gezeigt.

Offiziere, die von den Werken hereinkommen, erzählen, daß am russischen Weihnachtsabend österreichische Offiziere die russische Beglückwünschung erwidert haben, indem sie gleichzeitig als Gegenleistung für die Zigaretten der Belagerungsarmee — Sardinen und Salami überreichten!

Diese heitere Ironie wird in der ganzen Festung herzlich belacht.

Noch ein zweiter humoristischer Zwischenfall ereignete sich vor kurzem. Fährt da nächtlicherweile ein russisches Fuhrwerk in die Festung herein. Auf den Anruf unseres Postens hin bleibt der Wagen stehn. Auf dem Bock ein russischer Kutscher und ein Offiziersdiener. In dem Wagen ein russischer Oberstleutnant mit einer Dame in russischer Uniform. Allseits größtes Erstaunen. „Verflucht,“ sagt der russische Oberstleutnant, wie er endlich begreift, „wir wollten doch in die entgegengesetzte Richtung — !!!“

Przemysl, den 15. Jänner 1915,
     am 69. Tag der 2. Belagerung.

Das Pferdefleisch spielt eine täglich größere Rolle. Die Zivilbevölkerung ist so gut wie ganz auf Pferdefleisch angewiesen. Dazu kommt noch die Komplikation, daß die jüdische Religion den Genuß des Pferdefleisches untersagt und sich viele Juden aus diesem Grund nicht dazu entschließen können, es zu essen.

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/113&oldid=- (Version vom 1.8.2018)