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an unser Fenster geschlagen, so wäre es ein stilles Friedensfest gewesen.

Przemysl, den 28. Dezember 1914,
     am 51. Tag der 2. Belagerung.

Von der Weihnachtsfeier unserer Tapferen draußen in den Werken und im Vorfeld erzählt man uns allerlei nette Geschichtchen.

An einer Stelle haben die russischen Mannschaften der Belagerungsarmee am Heiligen Abend eine große Proklamation an die Stacheldrahthindernisse gehängt. Darin hieß es ungefähr wie folgt: „An die Festungsbesatzung von Przemysl! Deutsche, Ungarn, Slawen, Italiener, welcher Nation ihr auch angehört, wir sind nicht euere Feinde: Ihr seid tapfere Soldaten! Wir wünschen euch gute Weihnachten! Friede! Friede! Friede!“

An einem anderen Posten im Vorfeld schwenkte der Feind die weiße Fahne und schickte eine Deputation von zwei russischen Offizieren zur Weihnachtsbeglückwünschung in unser Lager herüber. Sie brachten russischen Tabak und Zigaretten als Weihnachtsgabe.

Es soll oft vorkommen, daß unsere Vorposten russische Zigaretten in der Nähe ihrer Stellungen finden. Diese Zigaretten sind dann zumeist in einen Zettel gewickelt, auf dem gebeten wird, statt der Zigaretten eine Flasche Rum an derselben Stelle zu deponieren.

Przemysl, den Neujahrstag 1915,
     am 55. Tag der 2. Belagerung.

Ein großes Jahr bricht an! Ein goldenes Blatt in der Weltgeschichte. Das Jahr, das über die Zukunft ganz Europas entscheiden wird. Das Beben,

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/109&oldid=- (Version vom 1.8.2018)