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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 9

einer 6 m tiefen Haffrinne in Aussicht. Es sind nicht allein die Erzeugnisse des Landes: Getreide, Hülsenfrüchte, Flachs, Hanf, Holz, Holzwaren, Pferde, Vieh, Chemikalien, Artikel der Textilindustrie etc., sondern auch eingeführte Produkte, die eine in stetem Steigen begriffene Handelsprosperität nachweisen. Namentlich ist K. Hauptstapelplatz des gesamten kontinentalen Theehandels. Für den Handel mit Getreide zählt es zu den größten Exportplätzen. Es betrug der Wert der Einfuhr 1886: 179 Mill. Mk., darunter an über See bezogenen Waren 69,5 Mill. Mk. Der Wert der Ausfuhr betrug 150,5 Mill. Mk., davon für über See ausgeführte Artikel 62,8 Mill. Mk. 1885 belief sich der gesamte Seeverkehr auf 3412 Schiffe. Es kamen an: mit Ladung 1180 Schiffe zu 300,764 Registertons, in Ballast oder leer 485 Schiffe zu 115,357 Registertons. Es gingen ab: mit Ladung 1709 Schiffe zu 427,453 Registertons, in Ballast oder leer 38 Schiffe zu 13,490 Registertons. An Handels- und Verkehrsanstalten besitzt K. eine Hauptstelle der Reichsbank (Umsatz 1886: 1014 Mill. Mk.), die Königsberger Vereinsbank (Umsatz 1886: 512 Mill. Mk.), eine Ostpreußische landschaftliche Darlehnskasse (Umsatz 1886: 327 Mill. Mk.), eine Ländliche Genossenschaftsbank, eine Genossenschaftliche Grundkreditbank, eine Rentenbank, eine Provinzialfeuersocietät etc., ein Vorsteheramt der Kaufmannschaft, eine Börse, einen Gewerberat, eine Reedereigesellschaft, eine Dampfschiffahrtsgesellschaft und eine Schiffswerfte. Den Verkehr in der Stadt vermittelt eine Pferdeeisenbahn.

Unter den Bildungsanstalten nimmt die Universität (Collegium Albertinum) die erste Stelle ein. Dieselbe wurde vom Herzog Albrecht I. von Preußen als eine „echt lutherische“ 1544 gegründet und erfreut sich mit den Anstalten, die zu ihr gehören, der 1811 von Bessel errichteten Sternwarte, dem 1819 von Karl v. Baer gegründeten zoologischen Museum und dem 1809 von Schweigger angelegten botanischen Garten, 9 Kliniken, die jetzt als Muster dastehen, Laboratorien und Seminaren sowie zum Teil bedeutenden Sammlungen, besonders der über 220,000 Bände zählenden Bibliothek (neben welcher die Stadtbibliothek nur für Spezialitäten in Betracht kommt), einer immer gediegener sich gestaltenden Ausstattung. In der Aula befinden sich Fresken von Rosenfelder, Gräf, Piotrowski u. a. Die Zahl der Studierenden betrug im Wintersemester 1886/87: 815. (Vgl. Witt, Die dritte Jubelfeier der Albertus-Universität zu K., Königsb. 1844.) An andern Schulanstalten hat K. 4 Gymnasien, ein Progymnasium, 2 Realgymnasien, eine höhere Bürgerschule, 2 Taubstummen- und eine Blindenanstalt. Hierzu kommen für besondere Bildungszwecke eine Anzahl von Instituten, darunter die Handelsschule, die Provinzialkunstschule und die Malerakademie mit dem Stadtmuseum (etwa 270 Gemälde der neuern und neuesten Zeit enthaltend), eine Musikschule, die archäologische Sammlung der Prussia, die geologischen der Physikalisch-Ökonomischen Gesellschaft etc. An Wohlthätigkeitsanstalten sind besonders zu nennen: das große städtische Krankenhaus, das von einem Verein geleitete Krankenhaus der Barmherzigkeit, das königliche Waisenhaus (1701 gestiftet), das große königliche Hospital und eine sehr große Zahl von Wohlthätigkeitsvereinen aller Art. K. zählt 20 Magistratsmitglieder und 102 Stadtverordnete und ist Sitz des Oberpräsidiums der Provinz Ostpreußen, des Konsistoriums, eines Generalsuperintendenten, des Provinzialschul- und Medizinalkollegiums, des Provinzialarchivs, der Provinzialsteuerdirektion, einer Oberpostdirektion, der Landesdirektion für Ostpreußen, eines Oberlandes- und eines Landgerichts, einer Regierung, eines Landratsamtes, verschiedener Konsulate etc. Von militärischen Behörden befinden sich hier: das Kommando und der Stab des 1. Armeekorps, der 1. Infanterie- und 1. Kavalleriedivision, der 1. und 2. Infanterie-, 1. Kavallerie- und 1. Feldartilleriebrigade. Die drei hier erscheinenden Zeitungen sind die „Hartungsche Zeitung“, die „Ostpreußische Zeitung“ und die „Königsberger Allgemeine Zeitung“. Zum Landgerichtsbezirk K. zählen die acht Amtsgerichte zu Allenburg, Fischhausen, K., Labiau, Mehlauken, Pillau, Tapiau und Wehlau.

[Geschichte.] K. (Altstadt), dessen Burg vom Deutschen Orden 1255 zum Schutz gegen die heidnischen Samländer und zwar auf den Rat des böhmischen Königs Ottokar erbaut ist, wurde 1256 in der Gegend des heutigen Steindammes angelegt, nach der Zerstörung durch die Preußen 1263 in dem Thal unterhalb des Schloßbergs bis an den Pregel wieder aufgebaut und erhielt 1286 Stadtrecht. Der Stadtteil Löbenicht wurde 1300, die Insel Kneiphof 1327 mit Stadtrecht begabt. Von 1457 an war K. die Residenz der Hochmeister, 1525–1618 der Herzöge Preußens; deshalb führt es auch noch den Titel „Haupt- und Residenzstadt“. Von 1626 datiert die Befestigung der Stadt durch Wälle und Gräben; seit 1843 ist K. zu einer Festung ersten Ranges umgeschaffen (s. oben). In K. wurde 16. Jan. 1656 ein Vertrag zwischen Schweden und Brandenburg geschlossen, durch welchen dieses für Preußen die schwedische Lehnshoheit statt der polnischen anerkannte und Ermeland zu Lehen erhielt. 1758 ward K. von den Russen, 1807 von den Franzosen besetzt. König Friedrich Wilhelm I. vereinigte 1724 die drei Städte zu Einer, fortan gab es nur Einen Magistrat und Ein Stadtgericht. Vgl. Faber, Die Haupt- und Residenzstadt K. in Preußen (Königsb. 1840); Rosenkranz, Königsberger Skizzen (das. 1842); Schubert, Zur 600jährigen Jubelfeier Königsbergs (das. 1855); Frischbier, Die Zünfte der Königsberger Junker und Bürger im Kneiphof (das. 1880).

Der Regierungsbezirk K. (s. Karte „Ost- und Westpreußen“) hat einen Flächeninhalt von 21,107 qkm (383,34 QM.) mit (1885) 1,171,116 Einw. (1880: 1,155,545 Einw.), darunter 910,235 Evangelische, 243,153 Katholiken und 10,586 Juden, und besteht aus 20 Kreisen:

Kreise QKilo­meter QMei­len Einwohner 1885 Auf 1 QKil.
Allenstein 1357 24,65 68973 51
Braunsberg 946 17,18 53469 55
Preußisch-Eylau 1232 22,38 55828 45
Fischhausen 1061 19,27 52243 49
Friedland 880 15,98 45553 52
Gerdauen 848 15,40 37298 44
Heiligenbeil 908 16,49 46332 51
Heilsberg 1096 19,91 55495 51
Preußisch-Holland 859 15,60 44142 51
Königsberg (Stadt) 20 0,36 151151
Königsberg (Land) 1051 19,09 53972 51
Labiau 1064 19,32 53150 50
Memel 841 15,27 58551 70
Mohrungen 1265 22,98 55869 44
Neidenburg 1632 29,61 57001 35
Ortelsburg 1708 31,02 69040 40
Osterode 1551 28,17 67694 44
Rastenburg 874 15,87 45132 52
Rössel 852 15,47 50167 59
Wehlau 1062 19,29 50056 47
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 9. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 1022. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b9_s1022.jpg&oldid=- (Version vom 20.5.2022)