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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 9

wird. Der Küstenstrich ist wasserlos und wüst, das Hinterland ist aber sehr geeignet für Viehzucht, und die Eingebornen besitzen große Herden von Rindern und fettschwänzigen Schafen. Es hat sich daher in Berlin die Deutsch-Westafrikanische Gesellschaft gebildet, diesen Viehreichtum auszubeuten, indem sie Schlächtereien, Konserven- und Pökelanstalten einrichtet. Andre hier arbeitende Vereine sind die bereits genannte Südwestafrikanische Kolonialgesellschaft und die Deutsche Südwestafrikanische Kompanie. Leider liegen die Bewohner (Hottentoten, Herero, Bergdamara) fortwährend in blutigen Fehden. Der beste Hafen, die Walfischbai, mit 1250 qkm Küstenland, sowie die zahlreichen Guanoinseln an der Küste gehören den Engländern. Im Hinterland befinden sich seit vielen Jahren die Stationen deutscher (rheinischer) Missionäre. Das Gebiet wurde 24. April u. 7. Aug. 1884 unter deutschen Schutz gestellt. Ein deutscher Reichskommissar verwaltet dies Gebiet.

II. Gesellschaftsschutzgebiete.

Deutsch-Ostafrika (s. Karte bei ‚Congo‘), die der Deutschen Ostafrikanischen Gesellschaft gehörigen Gebiete der Herrscher von Usagara, Nguru, Useguha und Ukami, die 25. Febr. 1885 unter deutschen Reichsschutz gestellt wurden, während das ganze Gebiet, welches im S. vom Rovumafluß gegen portugiesisches Gebiet, im N. durch eine vom Umbafluß nordwestlich zum Ukerewe laufende Linie begrenzt wird, die jedoch nach NO. ausbiegt, um das Massiv des Kilima Ndscharo einzuschließen, in den Bereich der deutschen Interessensphäre fällt. Dieselbe reicht somit bis an die Grenzen des Congostaats und umfaßt das ganze etwa 1,000,000 qkm (20,000 QM.) große Plateau von Zentralostafrika. Das jenseit der genannten Linie bis zum Tana reichende Gebiet gehört dagegen der englischen Interessensphäre an. Bis vor kurzem war das deutsche wie das englische Gebiet durch einen schmalen, dem Sultan von Sansibar schiedsrichterlich zugesprochenen Landstreifen vom Meer abgesperrt; doch hat sich nun der Sultan bereit gefunden, gegen eine Jahreszahlung seine Ansprüche auf den afrikanischen Kontinent ganz aufzugeben, nachdem er schon gleich im Anfang die Häfen Dar es Salam und Pangani der Gesellschaft überlassen hatte. Nach W. findet die deutsche Interessensphäre ihre äußerste Grenze in der des Congostaats. Der Hauptsitz der oben genannten Gesellschaft mit Dr. Peters als Leiter ist gegenwärtig in Sansibar. In Usagara besitzt sie die Stationen Simaberg und Kiora, in Useguha Petershöhe und Bagamoyo, in Usaramo am Kinganifluß Dunda, Madimola und Usaungula, in Usambara am Pangani Korogwe und Mafi und in Giriyama die Station Tanganjiko am Kilesi, außerdem die Stationen Hohenzollernhafen an der Wabuschimündung und Halule am Kap Gardafui. Die Gesellschaft richtet ihr Augenmerk auf tropische Kulturen, namentlich auf Tabaksbau. Die Erwerbungen der Deutschen Ostafrikanischen Gesellschaft an der Somaliküste von Warschech im S. bis Ras Filuk im N. sind noch nicht unter deutschen Reichsschutz gestellt. Außer der genannten arbeitet hier noch die Deutsch-Ostafrikanische Plantagengesellschaft.

Das kleine Witugebiet an der Mandabucht und im Mündungsbereich des 400 km weit ins Innere schiffbaren Tana wurde 27. Mai 1885 unter deutschen Schutz gestellt und später durch die vom Deutschen Kolonialverein gebildete Witugesellschaft von den Gebrüdern Denhardt, denen der Sultan von Witu das Land abgetreten hatte, erworben. Es hat eine Küstenlänge von 70 km, einen vorzüglichen Hafen, ist sehr fruchtbar und eignet sich vortrefflich für Viehzucht.

Kaiser Wilhelms-Land, der Bismarck-Archipel und die nördlichen Salomoninseln (s. Karte ‚Neuguinea etc.‘) stehen sämtlich unter Verwaltung der Neuguineagesellschaft in Berlin, welche 17. Mai 1885 einen kaiserlichen Schutzbrief erhielt, nachdem schon im November 1884 auf den beiden ersten Gebieten, 6. April 1885 auch auf der Salomongruppe, die deutsche Flagge geheißt worden war. Kaiser Wilhelms-Land, der nordöstliche Teil der Insel Neuguinea, mißt 181,650 qkm (3299 QM.) und hat 109,000 Einw., der Bismarck-Archipel, bisher Neubritannia-Archipel genannt, hat 47,100 qkm (855 QM.) mit 188,000 Einw., von den Salomoninseln sind bei der Teilung mit England an Deutschland 22,200 qkm (403 QM.) mit 80,000 Einw. gefallen, so daß das ganze der genannten Gesellschaft unterstellte Gebiet 250,950 qkm (4557 QM.) mit 377,000 Einw. mißt. Der Sitz des Landeshauptmanns ist in Finschhafen; andre Stationen sind Port Konstantin, Hatzfeldthafen und Matupi im Bismarck-Archipel. Es sind Pflanzungen von Reis und Mais angelegt und Pferde, Rinder, Schweine, Schafe etc. eingeführt worden. Auf dem Bismarck-Archipel ist Ackerbau erst an einer einzigen Stelle und zwar durch einen Amerikaner mit 150 Arbeitern versucht worden. Sonst wird nur Handel getrieben. Die Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft hat eine Hauptstation auf Mioko und 8 Zweigstationen auf den Duke of York-Inseln und in Neubritannien. Hernsheim u. Komp. haben eine Hauptstation auf Matupi in der Blanchebai mit 6 Stationen in Neubritannien, 4 in Neuirland und einer auf den Hermitinseln, Die amerikanische Firma Farrel hat eine Hauptstation in Kalum auf der Gazellenhalbinsel, wo auch obige Pflanzung mit 5 Stationen in Neubritannien und 7 Faktoreien auf Neuirland u. den östlich davon liegenden Inseln.

Die Marshall-, Brown- und Providenceinseln, lauter Gruppen von niedrigen Korallenriffen, wurden 13. Sept. 1886 unter deutschen Reichsschutz genommen, nachdem bereits seit langer Zeit der Handel hier fast ausschließlich in deutschen Händen (Hernsheim, Deutsche Plantagengesellschaft) war. Hauptprodukt ist, wie bei dem Bismarck-Archipel, Kopra. Die Inseln haben ein Gesamtareal von 400 qkm (7,3 QM.) und etwa 11,000 Bewohner.




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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 9. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 954e. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b9_s0954e.jpg&oldid=- (Version vom 22.4.2024)