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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 9

vom frühen Mittelalter bis zur Erfindung des dramatischen Stils“ (das. 1841); „Die Musik der Araber“ (das. 1842); „Der neuen Aristoxener zerstreute Aufsätze über das Irrige der musikalischen Arithmetik und das Eitle ihrer Temperaturrechnungen“ (das. 1846), nebst einem Nachtrag: „Über die Oktave des Pythagoras“ (Wien 1848). Seine reichhaltige Partiturensammlung, von der er 1847 einen Katalog veröffentlichte, hat K. der Wiener Hofbibliothek vermacht.

Kiesofen, s. v. w. Kiesbrenner.

Kiesteīn (Gravidin), das farblose Wölkchen, welches häufig nach 30–40 Stunden im Harn entsteht, allmählich an dessen Oberfläche steigt und ein Häutchen bildet. Das Auftreten dieses Häutchens galt irrtümlich als Zeichen der Schwangerschaft. Es besteht aus Vibrionen und phosphorsaurem Kalk und ist das Zeichen der beginnenden Zersetzung, welche jeder Harn beim Stehen an der Luft erleidet.

Kietz, Gustav, Bildhauer, geb. 26. März 1826 zu Leipzig, bildete sich unter Rietschel in Dresden, wo er noch gegenwärtig thätig ist. Nach seines Meisters Tod wurde ihm und Donndorf die Vollendung des Luther-Denkmals für Worms übertragen. Die erste größere monumentale Arbeit, welche K. nach eignem Entwurf selbständig ausführte, war das Denkmal des Nationalökonomen List für Reutlingen. Dann schuf er das Uhland-Denkmal in Tübingen, einige Reliefs für die Dresdener Sophienkirche, eine innig empfundene Madonna, welche in zahlreichen Abgüssen verbreitet ist, verschiedene lebensvolle Büsten, z. B. Richard Wagners und Ludwig Richters, und die Sandsteinfiguren des Faust und des Mephistopheles für das Hoftheater in Dresden. Naturwahrheit und liebevolle Durchbildung der Form zeichnen alle diese Arbeiten aus.

Kiew (besser Kijew, poln. Kijow), russ. Gouvernement, begreift den größten Teil der ehemaligen polnischen Ukraine und die Stadt K. mit ihrem Kreisgebiet in sich, grenzt im N. an das Gouvernement Minsk, im O. an Poltawa und Tschernigow, von denen es durch den Dnjepr geschieden wird, im S. an Podolien und Cherson und im W. an Wolhynien und Podolien und umfaßt 50,998,1 qkm (926 QM.). Das Land ist im allgemeinen flach; doch findet man malerische Punkte längs des Dnjepr, dessen Ufer an einigen Stellen gegen 50 m Höhe haben. Im Kreis von Tschigrin trennt sich eine kleine Reihe Hügel vom Fluß und bildet, nordwestlich bis nach Podolien sich erstreckend, leichte Wellungen, während der südlichste Teil eine große Steppe ist. In geognostischer Hinsicht gehört der östliche Teil des Gebiets dem alttertiären (Eocän-) System an, während im westlichen plutonische Formationen zu Tage treten. In den Tertiärformationen finden sich schöne Lager von Lehm, Thon, Sandstein, Schleifstein, Eisen, Lignit und Torf. Der Boden besteht im südlichen Teil aus Schwarzerde, einer fast meterhohen Humusschicht, welche nach N. immer dünner wird und mit Lehm und Sand gemischt auftritt, bis sie im nördlichen Teil in reinen Sand und Lehm übergeht. Der bedeutendste Fluß ist der Dnjepr, der zwar nur die Grenzen berührt, zu dessen System aber die Flüsse, welche das Land bewässern, gehören. Berühmt sind die Kajetanowschen Quellen. Das Klima ist sehr trocken, namentlich in den waldlosen Strichen. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt +6,5° C., die des Sommers +12,5°, die des Winters −10° C. Die Bevölkerung beträgt (1883) 2,492,112 Einw. (49 pro QKilometer), wovon die überwiegende Mehrzahl Kleinrussen, gegen 11 Proz. Juden und ein geringer Prozentsatz Polen und Litauer sind. Dem Religionsbekenntnis nach gehören die Einwohner meist der griechisch-katholischen Kirche an, und nur ein kleiner Teil ist römisch-katholisch, jüdisch, protestantisch und Sektierer. Vom Areal kommen auf Ackerland 57 Proz., auf Wiesen 16, auf Wälder 20 und auf Unland 7 Proz. Die Jagd ist bei dem Reichtum an Wild nicht unbedeutend, weniger bedeutend die Fischerei. Das Pflanzenreich liefert in Fülle Roggen und Hafer, dann Weizen, Gerste, Runkelrüben, Hirse, türkischen und Buchweizen, Kartoffeln, Gemüse, Obst, Hanf und Lein. Die Ernte betrug 1884 pro Hektar der betreffenden Ackerfläche bei Roggen 13,8 hl, bei Winterweizen 14,7, bei Sommerweizen 9,6, bei Hafer 17,9, bei Kartoffeln 79,5 hl. In K. selbst gedeihen welsche Nüsse, Birnen, Kastanien, Wassermelonen, Melonen, Tabak und Kardendisteln sehr gut; in vielen Gärten findet man Maulbeerbäume in großer Üppigkeit. Der Viehstand belief sich 1883 auf 454,000 Stück Hornvieh, 866,000 Schafe, 373,000 Schweine und 283,000 Pferde (1861: 117,000, 1851: 112,000, woraus auf einen bedeutenden Aufschwung der Pferdezucht zu schließen ist). Jährlich finden 13 Pferdemärkte mit sehr bedeutendem Umsatz statt; die ansehnlichsten sind die von Berditschew und von Bjelaga Zerkowj. Die Viehzucht wird durch die fetten Weiden sehr begünstigt, und die in K. gezogenen ukrainischen Ochsen gehen in Masse nach dem Innern des Reichs bis nach Petersburg. Die Industrie ist in raschem Steigen begriffen. Während 1843 der Produktionswert aller Fabrikate sich auf 2½ Mill. Rubel belief, betrug derselbe 1859: 14¼ Mill. und 1883: 75 Mill. Rub. Die Zahl sämtlicher industriellen Etablissements war 1882: 594 mit 39,403 Arbeitern. Die erste Stelle nimmt die Runkelrübenzuckerfabrikation ein, welche in großartigem Maßstab betrieben wird, in der Kampagne 1883–84 in 68 Fabriken mit 22,868 Arbeitern für 47 Mill. Rub. In zweiter Linie steht die Branntweinbrennerei (14,8 Mill. Rub.); dann folgen Tabaksindustrie (2,8 Mill. Rub.), Getreidemüllerei (2,3 Mill. Rub.), Maschinenindustrie (1,9 Mill. Rub.), Gerbereien (1,5 Mill. Rub.). In geringerm Maß werden produziert: Seife, Talg, Wachs, Metallwaren, Watte, Papier, Öl, Fayence und Ziegelsteine. Die ukrainischen Bauern fertigen fast alle ihr Hausgerät sowie Boote, Wagen, Schlitten etc. selbst und haben in Holzschnitzereien eine bewundernswerte Fertigkeit. Der Handel befindet sich gänzlich in den Händen der sehr zahlreichen jüdischen Bevölkerung. Die wichtigsten Ausfuhrartikel sind Korn und Zucker. In den Städten werden jährlich Messen gehalten. Die Zahl aller Lehranstalten ist 1299, die aller Schüler 54,176; darunter eine Universität, 28 mittlere Lehranstalten mit 8134 Schülern, 1262 Elementarschulen mit 42,457 Schülern und 8 Fachschulen mit 1876 Lernenden. Die Exarchie von K. und Galitsch datiert von den Zeiten des heil. Wladimir her und war die erste Rußlands; die Diözese begreift 1421 Kirchen (1359 griechisch-katholische, 51 römisch-katholische, 9 der Sektierer und 2 lutherische), worunter 12 Kathedralen und 30 Klöster. Daneben gibt es 68 Synagogen und 268 jüdische Bethäuser. Das Gouvernement zerfällt in zwölf Kreise: Berditschew, Kanew, K., Lipowetz, Radomysl, Skwira, Swenigorodka, Taraschtscha, Tscherkassy, Tschigirin, Uman und Wassilkow. – Das gegenwärtige Gouvernement K. ist nicht mit dem von Peter d. Gr. 1708 gebildeten zu verwechseln. Letzteres bestand aus der ganzen östlichen Ukraine und einem großen Teil von Mittelrußland mit den Städten Orel, Kursk u. a. (im ganzen 55). 1782 wurde die Statthalterschaft

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 9. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 725. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b9_s0725.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2022)