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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8

Untersuchungen des Süduralgebirges“ (Berl. 1831). 1830–32 studierte er mit Hofmann in Berlin, Heidelberg, Bonn und Freiberg und untersuchte, nach Rußland zurückgekehrt, 1833 den geologischen Bau des östlichen Urals von Bogoslowsk bis Jekaterinburg und 1834 den Altai. Die Ergebnisse dieser Reisen legte er nieder in den Werken: „Reise nach dem Ural und der Kirgisensteppe“ (Petersb. 1841) und „Reise nach dem Altai“ (das. 1848) sowie in einigen Spezialarbeiten. Nach Petersburg 1836 zurückgekehrt, wurde H. 1838 Professor der Geognosie am Berginstitut, welche Stellung er bis 1863 bekleidete, wo er zum Generalleutnant des Bergingenieurkorps ernannt wurde. Die kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Petersburg ernannte ihn 1844 zu ihrem Mitglied. 1865 Direktor des Berginstituts in Petersburg geworden, war er 1872 bei der Umgestaltung dieser militärisch eingerichteten Anstalt zu einer freien akademischen Hochschule thätig, legte dann das Direktorat nieder und nahm fortan seinen Wohnsitz abwechselnd in Petersburg und Reval. Er starb 16. Febr. 1885 in Petersburg. Helmersens Untersuchungen erstrecken sich fast über das ganze europäische Rußland, namentlich in Bezug auf Lagerstätten von Kohle und Eisen. Unter seinen außerordentlich zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten, die zumeist deutsch, aber auch russisch, französisch und englisch erschienen, sind hervorzuheben: „Übersichtskarte der Gebirgsformationen des europäischen Rußland“ (Petersb. 1841, 3. Aufl. 1873); „Das Donezer Steinkohlengebirge und dessen industrielle Zukunft“ (1863); „Studien über die Wanderblöcke und die Diluvialgebilde Rußlands“ (1882) u. a. Mit K. E. v. Baer gab er „Beiträge zur Kenntnis des russischen Reichs“ (Petersb. 1839–73, 26 Bde.) heraus. Vgl. A. Köppen, G. v. H. (Petersb. 1878).

Helmholtz, Hermann Ludwig Ferdinand von, Naturforscher, geb. 31. Aug. 1821 zu Potsdam, studierte in Berlin Medizin, ward 1842 Assistent an der Charitee daselbst und 1843 Militärarzt in Potsdam. 1848 wurde er in Berlin Lehrer der Anatomie (für Künstler) und Assistent am anatomischen Museum, ging aber 1849 als Professor der Physiologie nach Königsberg, 1855 als Professor der Anatomie und Physiologie nach Bonn, 1858 als Professor der Physiologie nach Heidelberg und 1871 als Professor der Physik nach Berlin. Kaum ein andrer Naturforscher der neuesten Zeit hat einen so vielseitigen und auf mehreren Gebieten bahnbrechenden Einfluß ausgeübt wie H. Dies war nur dadurch möglich, daß seine geniale Erfindungsgabe und experimentelle Geschicklichkeit geleitet wurden von tiefer philosophischer Einsicht, welche ihn auf fundamentale Fragen führte, und daß er das wichtigste Hilfsmittel der Naturforschung, die Mathematik, mit vollkommener Meisterschaft beherrschte. In seiner Abhandlung „Über die Erhaltung der Kraft“ (Berl. 1847) zeigte er, daß alle Vorgänge der Natur den Grundgesetzen der Mechanik gehorchen. Es wird nämlich zunächst bewiesen: Wenn ein System materieller Punkte nur anziehenden oder abstoßenden Kräften unterworfen ist, welche diese Punkte aufeinander ausüben, und deren Intensität lediglich von ihrem gegenseitigen Abstand abhängt, so gibt es für das System eine durch alle Zeit konstante Größe, die man heutzutage gemeiniglich als die Energiesumme des Systems bezeichnet. Sie besteht aus einem lediglich von dem jeweiligen Bewegungszustand der materiellen Punkte abhängigen Summanden, der sogen. kinetischen Energie, und einem von ihrer wechselseitigen Lage abhängigen, der sogen. potenziellen Energie. Beim Übergang des Systems von einem Zustand zu einem andern verhält sich die Summe dadurch konstant, daß die kinetische Energie um so viel zunimmt, wie die potenzielle abnimmt, oder umgekehrt. Wesentlich auf Anregung von H. war in den letzten Jahrzehnten ein großer Teil der Bestrebungen der ersten Naturforscher darauf gerichtet, die Gültigkeit des Prinzips der Erhaltung der Energiesumme für eine Reihe von Naturvorgängen empirisch nachzuweisen. Auch in der Physiologie trat H. gleich im Anfang seiner Laufbahn mit der Lösung fundamentaler Probleme auf. So zeigte er, daß im arbeitenden Muskel chemische Umsetzungen stattfinden und Wärme entwickelt wird. Die letztere Thatsache war zwar schon vor ihm von Becquerel behauptet worden, aber erst H. lieferte dafür den strengen Nachweis mittels einwurfsfreier Methode. Er unternahm, die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Nervenagens, die man bis dahin allgemein für eine blitzartige gehalten hatte, am Froschschenkel experimentell zu bestimmen, und maß später diese Geschwindigkeit sogar in den Nervenstämmen des lebenden Menschen. In den folgenden Jahren war die Thätigkeit H.’ hauptsächlich der Physiologie der Sinne zugewandt. Er erfand den Augenspiegel („Beschreibung eines Augenspiegels“, Berl. 1851), durch welchen die Augenheilkunde zu dem hohen Range geführt wurde, welchen sie gegenwärtig unter den Disziplinen der Heilkunde einnimmt. Bald darauf wies H. nach, wie die Anpassung des Auges an verschiedene Entfernungen zu stande komme. Ferner brachte er die Lehre von den Farbenempfindungen und subjektiven Lichterscheinungen zu ungeahnter Klarheit, indem er eine fast vergessene Idee von Thomas Young aufnahm und selbständig weiter entwickelte. Endlich hat H. auch die Lehre von der räumlichen Anschauung durch den Gesichtssinn und damit die ganze exakte Psychologie in eine neue Entwickelungsphase gebracht. Es gelang ihm dies durch die Anwendung und Weiterbildung der Kantschen Lehren über den Aufbau unsrer Vorstellungen aus dem Empfindungsinhalt. In diesen Entwickelungen trifft H. vielfach mit Schopenhauer zusammen, ohne daß er, wie es scheint, dessen Untersuchungen gekannt hätte. H.’ sämtliche Forschungen über die physiologische Optik sind in seinem „Handbuch der physiologischen Optik“ (2. Aufl., Leipz. 1885) im Zusammenhang dargestellt. Auch die Lehre vom Gehörssinn verdankt ihre heutige Gestalt wesentlich den Leistungen H.’ Er hat nämlich die von feinhörigen Musikern in einzelnen Fällen schon früher gemachte Bemerkung und den von Ohm schon ausgesprochenen Satz bewiesen, daß ein Klang im gewöhnlichen Sinn des Wortes nicht eine einfache Empfindung, sondern ein Gemisch von gleichzeitig bestehenden Empfindungen ist. Diese sowie auch die allerdings schon längst bekannte Thatsache, daß qualitativ verschiedene Schallempfindungen durch Luftschwingungen verschiedener Frequenz entstehen, stellen an die physiologische Akustik die Forderung, zu zeigen, wie es möglich ist, daß je nach der verschiedenen Frequenz der das Ohr treffenden Luftschwingungen verschiedene Fasern des Gehörnervs besonders stark erregt werden. Nach dem von Joh. Müller aufgestellten Prinzip von den spezifischen Energien kann eine qualitative Verschiedenheit des Empfindens nur durch die numerische Verschiedenheit der empfindenden Nervenelemente bedingt sein, und H. zeigte in der That, daß in dem Spiralblatt der Schnecke, auf welchem die Enden des Hörnervs ausgebreitet liegen, ein mit der Besaitung eines Klaviers vergleichbarer Resonanzapparat vorhanden

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b8_s0366.jpg&oldid=- (Version vom 28.7.2021)