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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8

dramatische Dichterkraft, namentlich eine Gewalt der Charakteristik, eine Unmittelbarkeit und Glut der Leidenschaft, die H. auf der Stelle als ein Talent ersten Ranges erkennen ließen. Daneben mußte freilich die Neigung des Dichters zum Krassen und Bizarren und mehr noch die dicht neben seiner natürlichen Leidenschaft stehende Neigung zu einer zersetzenden unerquicklichen Reflexion erschrecken. Eine erste Sammlung seiner Gedichte (Hamb. 1841; „Neue Gedichte“, Leipz. 1848; vervollständigte Gesamtausgabe, Stuttg. 1857) bewies indes, daß dem Dichter auch die zarten und innigen Töne der Lyrik zu Gebote standen. 1843 kam er nach Kopenhagen, wurde hier vom König-Herzog seines Heimatslandes Holstein mit einem mehrjährigen Reisestipendium bedacht, ging zuerst nach Paris, wo er das bürgerliche Trauerspiel „Maria Magdalena“ (Hamb. 1844) dichtete, dann auf mehrere Jahre nach Italien. „Maria Magdalena“, obwohl schroff, herb und in der Voraussetzung peinlich, wirkte dennoch durch unübertreffliche Charakteristik und meisterhafte Entwickelung und war das reifste Produkt der ersten Periode Hebbels. Auf der Heimkehr nach dem Norden begriffen, ward er 1846 in Wien durch eine Neigung zu der Schauspielerin Christine Engehausen festgehalten und durch seine Heirat mit dieser zu dauernder Niederlassung in der Kaiserstadt veranlaßt, die er fortan nur zu größern und kleinern Reisen verließ. Hatte schon in den lyrischen Dichtungen seiner italienischen Wandertage eine gewisse Lösung von der dunkel pessimistischen Weltanschauung seiner Jugend begonnen, so warfen ihn die Eindrücke des Jahrs 1848 und der folgenden Zeit zunächst in dieselbe zurück. Die dramatischen Dichtungen dieser zweiten Periode: „Der Diamant“, Komödie (Hamb. 1847), „Herodes und Mariamne“ (Wien 1850), „Julia“, Trauerspiel (Leipz. 1851), „Der Rubin“, Märchenlustspiel (das. 1851), „Ein Trauerspiel in Sizilien“, Tragikomödie (das. 1851), zeigten wohl im Ausdruck weniger Überschwenglichkeit, waren aber dafür bizarrer, herber, kälter als die Werke der Jugendzeit Hebbels; sie entbehrten jeder tiefern Wirkung und konnten am wenigsten die Bühne zum Aufgeben ihres spröden Widerstandes gegen Hebbels starre Originalität veranlassen. Im Verlauf der 50er Jahre begann sich dann der Dichter in bemerkenswerter Weise zu läutern und neben der Erhabenheit auch Schönheit der Darstellung zu erstreben. Diese dritte Periode begann mit dem kleinen Drama „Michel Angelo“ (Wien 1855), einer anmutigen poetischen Selbstverteidigung, und mit der Tragödie „Agnes Bernauer“ (das. 1855), bis auf die menschlich widerstrebende Staatsidee ein Werk voll Frische, Kraft und anmutigen Reizes; sie setzte sich fort in dem formell schönen, aber im Konflikt unversöhnlich herben Trauerspiel „Gyges und sein Ring“ (das. 1856) und gipfelte in den lyrischen Dichtungen dieser Jahre, der prächtigen epischen Dichtung „Mutter und Kind“ (Hamb. 1859) und in dem Meisterwerk des Dichters, der dramatischen Trilogie „Die Nibelungen“ (das. 1862, 3. Aufl. 1874), in welcher H. den gewaltigen epischen Stoff als den großen Konflikt zwischen der heidnischen und christlichen Weltanschauung vollständig dramatisierte, indem er die Gestalten Kriemhilds und Hagens in den Mittelpunkt seiner Dichtung rückte. Die Früchte seines endlichen Erfolgs zu pflücken, war aber dem Dichter sowenig beschieden wie die Beendigung seiner letzten bedeutenden Tragödie: „Demetrius“ (Hamb. 1864); er starb bereits 13. Dez. 1863 in Wien. Nach seinem Tod erschienen seine „Sämtlichen Werke“ (hrsg. von Emil Kuh und A. Glaser, Hamb. 1866–68, 12 Bde.); seine „Tagebücher“ gab Fel. Bamberg (Berl. 1885–86, 2 Bde.) heraus. Vgl. E. Kuh, Friedrich H., eine Charakteristik (Wien 1854); Derselbe, F. H., eine Biographie (das. 1877, 2 Bde.); Fr. Dingelstedt, Litterarisches Bilderbuch (Berl. 1878); Ad. Stern, Zur Litteratur der Gegenwart (Leipz. 1879); Kulke, Erinnerungen an Fr. H. (Wien 1878).

Hebdŏmas (griech.), Zeit von sieben Tagen, Woche; hebdomadāl, wöchentlich; Hebdomadārius („Wöchner“), der Geistliche, dem die unter mehreren Kollegen wöchentlich abwechselnde Besorgung der Kasualien obliegt; in Schulen der eine Woche hindurch die Aufsicht führende Lehrer etc.

Hēbe, in der griech. Mythologie Tochter des Zeus und der Hera, die Mundschenkin im Olymp. Da sie einst bei der Darreichung einer Schale fiel, verlor sie ihr Amt an Ganymedes. Nach einer andern Sage soll letzterer Mundschenk der Götter geworden sein, als H. dem in den Kreis der Götter aufgenommenen Herakles vermählt worden war. Nach Apollodor zeugte sie mit letzterm zwei Söhne, Alexiares und Aniketos. Das Altertum verehrte sie als Göttin der Jugend, als solche reicht sie den Olympiern auch den verjüngenden Trank. Zu Rom hatte sie unter dem Namen Juventas (s. d.) mehrere Heiligtümer und wurde hier besonders als die unverwelkliche Kraft des Staats verehrt. Was die Darstellung der H. durch die Kunst betrifft, so scheinen Rundbilder der Göttin im Altertum sehr selten gewesen zu sein; desto häufiger begegnet man ihr auf gemalten Vasen (H. neben Hera) und in Reliefdarstellungen (hier war besonders die Hochzeit der H. mit Herakles ein beliebter Vorwurf) sowie auf Münzen. Außerdem kennt man einige Köpfe der H., welche den Typus der Hera in mädchenhafter Verjüngung zeigen. Sie erscheint gewöhnlich als ein anmutiges und züchtiges Mädchen, aus einer emporgehaltenen Kanne Nektar einschenkend. Dieser Auffassung folgt auch Canova in seinem weltbekannten, in zahllosen Abgüssen verbreiteten Meisterwerk. Vgl. Kekulé, Hebe (Leipz. 1867).

Hebeapparate (Hebemaschinen), mechanische Vorrichtungen zum Transport von Lasten in vertikaler, oft auch in vertikaler und horizontaler Richtung. H. wurden bereits im Altertum benutzt und sind in neuerer Zeit durch Anwendung von Dampf- und Wasserkraft sowie auch der Elektrizität wesentlich vervollkommt worden. Die wichtigsten Formen sind: die Hebeladen, die Flaschenzüge, Winden, Aufzüge, Kräne und Elevatoren. Vgl. Uhland, Die H., deren Konstruktion, Anlage und Betrieb (Leipz. 1883); Ernst, Die Hebezeuge (Berl. 1883); Uhlich, Die Hebemaschinen (Dresd. 1886).

Hebekasten (Toleno), s. Kriegsmaschinen der Alten.

Hebel, jeder um einen festen Punkt oder eine feste Achse drehbare Körper, an welchem Kräfte wirken. Da ein solcher Körper keine andre Bewegung als eine Drehung um jenen Punkt oder jene Achse ausführen kann, so befindet er sich im Gleichgewicht, wenn die durch die einzelnen Kräfte hervorgerufenen Drehungsbestrebungen sich gegenseitig aufheben. Das von einer Kraft bewirkte Drehungsbestreben ist um so größer, je größer die Kraft ist, und in je größerer Entfernung die Richtung der Kraft neben dem Drehungspunkt vorbeigeht, und wird daher durch das Produkt aus der Kraft und dieser Entfernung ausgedrückt. Diese Entfernung, nämlich die vom Drehungspunkt auf die Richtung der Kraft gezogene Senkrechte, nennt man den Hebelarm der Kraft und das die Drehungsbestrebung darstellende Produkt aus Kraft und Hebelarm

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 8. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b8_s0253.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2021)