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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 7

Korrespondenzblatt zum siebenten Band.
(Ausgegeben am 21. April 1887.)

J. v. W. in Weimar. Die im Verlag des Bibliographischen Instituts erschienene „Geschichte der neuern Litteratur“ von Professor Adolf Stern umfaßt sieben Bände folgenden Inhalts:

Band I: Frührenaissance und Vorreformation.
II: Hochrenaissance und Reformation.
III: Gegenreformation und Akademismus.
IV: Klassizismus und Aufklärung.
V: Rückkehr zur Natur und die goldene Zeit der neuen Dichtung.
VI: Liberalismus und Demokratismus.
VII: Realismus und Pessimismus.

Wie Hettners „Litteraturgeschichte des 18. Jahrhunderts“, so ist auch Sterns Darstellung der europäischen Litteraturentwickelung während der letzten sechs Jahrhunderte bestimmt, das Interesse weiterer Bildungskreise für die Leistungen der Dichter und Schriftsteller anzuregen. Von Dante und Chaucer bis herab auf Heyse, Zola, Carducci und Turgenjew werden uns die bedeutendern Dichter aller europäischen Völker und Nordamerikas in ihrem Leben und nach ihren Werken geschildert. Ohne Voreingenommenheit sucht Stern den verschiedensten Persönlichkeiten und entgegengesetztesten Richtungen gerecht zu werden, und als besonderer Vorzug ist zu rühmen, daß der Verfasser durch kluges Maßhalten und ebenso kurze wie scharfe Charakteristik es verstanden hat, die Dichter und ihre Werke vor unsern Augen lebendig und anschaulich werden zu lassen. Wir wissen ihm Dank für die persönliche Wärme, die er mit der vom Historiker geforderten objektiven Haltung zu vereinen weiß. Die Erscheinungen der Litteratur setzt er mit Recht stets in enge Beziehung zu der politischen Entwickelung der Epoche. Indem er auf die allgemein herrschenden Strömungen, welche den Gang der Litteraturgeschichte mit bestimmen, hinweist, wird er doch auch den einzelnen Individualitäten gerecht. Die bewußte und unbewußte Abhängigkeit des Einzelnen von der bestimmten Richtung seiner Zeit, wie der Einzelne die eingebornen Anlagen unter dem Druck der allgemeinen Entwickelung verwertet, wird von Stern in trefflicher Weise zur Anschauung gebracht. Indem er von den großen Wandlungen der politischen Geschichte ausgeht, tritt er doch völlig unbefangen an die einzelnen poetischen Leistungen heran. Er bleibt, und man wird im Hinblick auf andre Litteraturgeschichten diesen Vorzug zu würdigen wissen, frei von aller systematischen Voraussetzung, der zuliebe so oft den historischen Thatsachen Gewalt angethan wird. Nach jeder Seite hin hat Stern seine gewaltige Aufgabe, die nur in Angriff zu nehmen einen kühnen Mut erforderte, glänzend gelöst. Fleiß und Wissen wie Sicherheit des Urteils und Geschmack in der Darstellung, Größe der historischen Auffassung im ganzen wie philologische Genauigkeit im einzelnen zeichnen die Arbeit aus, die nicht nur in weitern Kreisen der Gebildeten das Verständnis für die Litteratur und ihre Geschichte fördern kann, sondern auch den Fachgenossen vielfach Anregung bietet („Archiv für Litteraturgeschichte“, Bd. 14, 1886).

H. P. in Friedland (Mecklenb.). Wir haben die nämliche Frage schon im Korrespondenzblatt (Heft 5/6 des 5. Bandes) beantwortet.

J. Wöller in Posen. Die Erklärung des neuen deutschen Infanteriegewehrs M/71.84 (mit den nötigen Abbildungen) werden Sie im Artikel „Handfeuerwaffen“ finden.

Maler H. in Leipzig. Ihr schönes Bild von den Sinterterrassen in Neuseeland, welches wir in vorliegendem Band unserm Artikel „Geiser“ beigegeben haben, besitzt leider nur noch historisches Interesse. Am 10. Juni 1886 sind diese wunderbaren Bildungen durch vulkanische Kräfte zerstört worden. Die Zeitungen und Journale haben viel über die Katastrophe berichtet, und es wird genügen, wenn wir hier ein kurzes Referat nach dem Bericht des Landesgeologen Hector geben. Das Seen- und Geisergebiet liegt auf der Nordinsel zwischen den thätigen Vulkanen Tongariro und Wakari. Als erloschen galt der Taraweraberg im O. des gleichnamigen Sees mit seinen drei Gipfeln Wahanga, Ruawahia und Tarawera, dessen Zusammensetzung aus rezenten vulkanischen Gesteinen indes auf ein jugendliches Alter hindeutet. Und in der That brach aus diesem Vulkan nach unbedeutenden Vorboten 10. Juni das Unheil hervor. Morgens um 12½ Uhr traten heftige Erderschütterungen ein, dann folgten Ausbrüche aus allen drei Gipfeln des Tarawera, und es öffnete sich eine lange Spalte an der Ostseite des Gebirges, die, wie es scheint, vollkommen weggeblasen wurde. Weitaus heftiger gestaltete sich die zweite Phase. Kurz vor 4 Uhr öffnete sich die Rotomahanaspalte, und enorme Mengen von Wasserdampf und Bimssteinstaub wurden ausgeschleudert. Die Höhe der Aschensäulen schätzte man auf 6700 m, und noch in einer Entfernung von 200 km von der Küste wurden Schiffe mit Asche beworfen. Sturm, Gewitter und Regengüsse waren die Begleiter dieser Katastrophe. Die ganze Gegend erhielt ein verändertes Ansehen. Von der Südseite des Tarawera, wo sich eine kolossale Vertiefung gebildet hat, zieht sich die erwähnte Kluft bis zum Okarosee, so daß ihre Richtung mit der Linie Tongariro-Wakari zusammenfällt. Der Rotomahanasee, welcher ganz innerhalb der Kluft fällt, hat sich in einen siedenden Schlammsumpf verwandelt, und die berühmten Sinterterrassen sind weggeblasen. Als Hector das Terrain besuchte, stiegen aus der Kluft noch immer Dampfsäulen von 200 m Durchmesser und 3700 m Höhe empor. Die Auswurfsmassen bestanden teils aus losgerissenem Gestein des Untergrundes, teils aus Bimssteinsand und grauem Schlamm. Der Bimssteinsand bedeckt in beträchtlicher Mächtigkeit ca. 200 qkm im NO. und S. des Tarawerabergs, feinerer Niederschlag gelangte 2 km weit vom Eruptionsherd. Die Schlammablagerungen breiten sich 3 km südlich von der völlig zerstörten Ortschaft Wairoa bis zur Plentybai aus und haben bei Wairoa eine Mächtigkeit von 30 cm. Trotz der Großartigkeit der Katastrophe betrachtet sie Hector doch nur als ein lokales Phänomen. Nach langer Trockenheit fielen 9. Juni heftige Regengüsse, und durch die vorhergegangenen Erdbeben war dem Wasser der Zugang zu den unterirdischen Wärmeherden geöffnet worden. Die Explosion erfolgte daher lediglich durch heftige und massenhafte Dampfbildung.

L. Schumann in Luxemburg. Die Angabe in unserm Artikel „Australien“, daß dieser Erdteil im S. vom Indischen Ozean begrenzt wird, beruht auf der von den meisten Geographen angenommenen Abgrenzung der Ozeane, wonach der Meridian des Südkaps der Insel Tasmania den Indischen vom Stillen Ozean scheidet. Will man aber, wie das einige englische Geographen thun, den Meridian des Kap Leeuwin als Ostgrenze des Indischen Ozeans gelten lassen,

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 7. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 1025. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b7_s1025.jpg&oldid=- (Version vom 18.7.2021)