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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 7

mit Hugis kühnen Forschungsreisen auf den Gletschern und firnbedeckten Gipfeln des Berner Oberlandes, deren Beschreibung 1830 erschien, die Gletscherexpeditionen, welche 1841–43 von Agassiz in Begleitung von Wild (dem Bearbeiter der vortrefflichen Karte des Unteraargletschers), Désor, K. Vogt u. a., von Forbes und den Gebrüdern Schlagintweit fortgesetzt wurden. Gleichzeitig entbrannte der heftige wissenschaftliche Streit über die frühere größere Ausdehnung der G., welche schon Kuhn (1787) und Playfair (1802) behauptet hatten, ohne daß man ihren Untersuchungen Beachtung geschenkt hätte. Venetz regte durch 1816 und 1821 erschienene Arbeiten die Frage wieder an, welche in Charpentier einen warmen Vertreter fand. Von den neuern Gletscherforschern nennen wir: Heim, Forel, Hagenbach, Simony, Gastaldi, Favre, Kjerulf, Torell, Erdmann, Credner, Berendt, Koch, Klocke, Pfaff, Hochstetter, Ramsay, Geikie, Hall, Dana, Whitney.

Aus der umfangreichen Litteratur sind im folgenden nur einige größere oder für die Geschichte der Gletscherkunde besonders wichtige Werke (soweit sie nicht schon oben erwähnt wurden) herausgegriffen: Hugi, Alpenreise (Soloth. 1830); Charpentier, Essai sur les glaciers et sur le terrain erratique (Laus. 1841); Agassiz, Études sur les glaciers (Neuchât. 1840, deutsch 1841) und „Nouvelles études“ (Par. 1847); Désor, Excursions et séjours dans les glaciers, etc. (Neuchât. 1844); Forbes, Travels through the Alps (2. Aufl., Lond. 1845; deutsch; Stuttg. 1845); Derselbe, Norway and its glaciers (Lond. 1853; deutsch, Leipz. 1855); Mousson, Die G. der Jetztzeit (Zürich 1854); Dollfus-Ausset, Matériaux pour l’étude des glaciers (Par. 1863–73, 13 Bde.); Ramsay, Old glaciers of North Wales and Switzerland (Lond. 1860); Tyndall, Glaciers of the Alps (das. 1860); Kjerulfs zahlreiche Arbeiten über norwegische G. (Christ. 1869–1881); Penck, Vergletscherung der deutschen Alpen (Leipz. 1882); Partsch, G. der Vorzeit (Bresl. 1882); Heim, Handbuch der Gletscherkunde (Stuttg. 1885).

Gletscherfloh, s. Springschwänze.

Gletschertöpfe, s. v. w. Riesentöpfe.

Gletscherwein, in der Schweiz ein in besonderer Höhenlage, selbst oberhalb der Gletscher oder in der Nähe derselben, gewachsener Wein, der sich durch besondere Stärke auszeichnet. Diese wird dadurch erreicht, daß die Sonne auf den Gletschern bekanntlich eine besondere Wärme entwickelt. Wirklicher G. (vin de glacier) ist sehr selten, nur der kleinste Teil des unter diesem Namen verkauften Weins ist echt.

Gleukomēter (griech., „Mostmesser“), ein von Chevalier zu Paris, nach Angabe Cadet de Vaux’, verfertigtes Aräometer zur Bestimmung des spezifischen Gewichts des Mostes.

Gleve (Gläfe, Schwertgleve), der Hellebarde ähnliche Waffe des 12. bis 16. Jahrh., altgermanischem Gebrauch, Schwerter (Skramasaxen) auf Stangen zu befestigen, entsprungen. Ein auf beiden Seiten scharfes, schwertartiges Blatt, in eine Spitze auslaufend und mit mehreren seitlichen Haken, auf 5–6 m langem Schaft befestigt. Glevner (Spießer), der eine G. führende Reiter, war stets von Adel und ritt nie als „Einspänniger“, d. h. mit einem Pferd ohne Diener.

Glevenbürger, Edelleute, die in den Zeiten des Faustrechts zum Schutz und zur Verteidigung der Städte sich gebrauchen ließen, auch Landjunker, welche in den festen Städten Ruhe und Schutz suchten. Aus ihnen entstanden vom 13. Jahrh. an zum Teil die Patrizier der deutschen Städte des Mittelalters. Vgl. Bürger, S. 656.

Gleyre (spr. glähr), Charles, franz. Maler, geb. 2. Mai 1806 zu Chevilly im schweizer. Kanton Waadt, machte seine ersten Studien unter der Leitung des Malers Hersent und ging 1830 nach Italien, wo er in das Wesen der verschiedenen Schulen einzudringen suchte und Giotto mit derselben Sorgfalt kopierte wie Raffael, auch mehrere historische Genrebilder malte. Von Italien ging er 1834 als Reisebegleiter und Zeichner eines Amerikaners nach dem Orient und besuchte Ägypten, Abessinien, Syrien, Griechenland und die Türkei, allerorten Denkmäler, Landschaften, Trachten, Volksszenen nach der Natur zeichnend. Erst 1838 kam er nach Paris zurück. Vor das Publikum trat G. zuerst 1840 mit einem Gemälde: Johannes auf der Insel Patmos. Doch errang er erst 1843 mit dem Abend, einem Motiv vom Nil, einen Dichter darstellend, der vom Ufer aus die personifizierten Träume seiner Jugend in einem Kahn davonfahren sieht (im Louvre), einen durchschlagenden Erfolg. Er suchte sich fortan seinen eignen Weg, indem er Kraft des Ausdrucks und Tiefe der Empfindung mit poetischer Idealität verband. Er malte religiöse, historische und mythologische Bilder. Doch sind die letztern seine vollendetsten, weil er romantische Stimmung der strengen, stilvollen Formensprache der Antike zu gesellen wußte. Seine Hauptwerke sind: die Trennung der Apostel (1845, Kirche zu Montargis), die Nymphe Echo (1846), der Tanz der Bacchantinnen (1849), der Tod des Majors Davel (1850, Museum von Lausanne), Boas und Ruth, der Triumph des Helvetiers Divico über die Römer (1858, Museum zu Lausanne), Herkules und Omphale (1863), Pentheus von den Mänaden verfolgt (1864, Museum zu Basel), die Zauberin (1868), Sappho. G. war einer der ersten Idealisten der französischen Kunst, welche außerhalb der Schule von Ingres stehen. Ohne große Kraft und Ursprünglichkeit in der Erfindung und oft etwas weich, ja sentimental im Ausdruck, zeichnet er sich durch Adel der Darstellung, tiefes und echtes Gefühl und höchste Feinheit in der Durchbildung der Form aus. Er starb 5. Mai 1874 in Paris. Vgl. Clément, Ch. G. (2. Aufl., Par. 1885).

Gliadīn, s. Kleber.

Glied (lat. Articŭlus), ein einzelner Teil des Körpers, besonders ein beweglicher äußerer Körperteil im Gegensatz von Kopf oder Rumpf, auch eine einzelne Abteilung eines solchen Körperteils, z. B. Finger etc. Männliches G., s. Rute. Ferner eine Abteilung eines mechanisch verbundenen Ganzen, welches gegen andre freie Beweglichkeit hat, wie Glieder einer Kette, bei Pflanzen das Mittelstück zwischen zwei Gelenken; in der Mathematik allgemeiner Ausdruck für eine Größe, die zwar als für sich abgeschlossene, aber mit andern in Verbindung stehende betrachtet wird, z. B. G. einer Reihe; in der Logik ein einzelner Teil oder Satz (Vorder-, Mittel-, Hinterglied) eines Syllogismus. Militärisch ist G. eine Reihe nebeneinander stehender Soldaten, geschlossen, wenn letztere mit Fühlung, geöffnet, wenn sie mit einem größern Abstand stehen, wie dies z. B. bei Fechtübungen etc. nötig ist; Gliederabstand ist der freie Raum zwischen den hintereinander stehenden Gliedern, bei Fußtruppen normalmäßig so groß, daß bei ausgestrecktem Arm der Hintermann mit den Fingerspitzen die Schulter des vordern berührt, bei Reitern ein Schritt; Gliederfeuer, gliedweises Feuer.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 7. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 427. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b7_s0427.jpg&oldid=- (Version vom 21.1.2023)