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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 7

ausgesetzten Preis. Dasselbe erschien in weiterer Ausführung 1820 als „Recherches sur la théorie des surfaces élastiques“, denen über denselben Gegenstand noch ein zweites „Mémoire“ (1826) und ein Artikel in den „Annales de physique et de chimie“ (1828), endlich ein „Mémoire sur la courbure des surfaces“ in Crelles „Journal für Mathematik“ (Berl. 1830) nachfolgten. Auch in der Philosophie, Geschichte, Geographie und den Naturwissenschaften war sie gründlich unterrichtet. Sie starb 26. Juni 1831 in Paris. Ihre „Œuvres philosophiques“ gab Stupuy heraus (Par. 1879).

Germanen und Germanien (hierzu Karte „Germanien etc.“). Der Name Germani wird zum erstenmal in den Fasti capitolini, d. h. dem in dem Tempel des kapitolinischen Jupiter aufbewahrten römischen Beamtenverzeichnis, zum Jahr 222 v. Chr. erwähnt; doch ist es mehr als zweifelhaft, ob diese Stelle auf alten Aufzeichnungen beruht, und ob nicht vielmehr erst bei einer viel spätern Redaktion der Fasten der Name Germanen eingeschoben ist. Denn es steht fest, daß er erst mit der Zeit Cäsars, der ihn in Gallien kennen lernte, und durch ihn den Römern geläufig geworden ist. Wie er von den Galliern zu den Römern gekommen ist, so stammt er auch aus der keltischen Sprache; alle Versuche, ihn aus dem Deutschen zu erklären (von denen die Ableitung von Ger und Mann, also Speermänner, wohl die gebräuchlichste war), sind jetzt aufgegeben. Am wahrscheinlichsten ist, daß der Name, welcher „Wäldler“, Bewohner eines Waldlandes, bedeutet, von den Galliern auf die im Maas- und Niederrheingebiet wohnenden kultur- und städtelosen Stämme keltischer und germanischer (wie die Tungern) Abstammung angewendet, schließlich auf die letztern beschränkt und zur Gesamtbezeichnung der großen Nation jenseit des Rheins geworden ist. Andre deuten Germanen als „gute Schreier“, andre als „Ostleute“, noch andre als „Nachbarn“. Die germanischen Völker haben den Namen wohl selbst erst von den Galliern gehört und sich desselben nur im Verkehr mit Fremden, besonders mit Römern, bedient; recht heimisch und volkstümlich ist er bei ihnen nie geworden, wie es denn überhaupt an einer allgemeinen und zusammenfassenden Bezeichnung für alle Stämme der Germanen lange fehlte. Gerade darum hat sich die gelehrte Forschung des gallischen Namens bemächtigt, aber sie gebraucht ihn in noch weiterm Sinn, als er ursprünglich hatte; wir verstehen jetzt unter Germanen nicht nur die im jetzigen Deutschland lebenden Völker, sondern alle stammverwandten Nationen, also auch Goten, Vandalen, Burgunder, Skandinavier u. a. Vgl. Mahn, Über den Ursprung und die Bedeutung des Namens Germanen (Berl. 1864).

Die erste Kunde von den Germanen kam den Völkern des Altertums durch die Reiseberichte des gelehrten Kaufmanns Pytheas von Massilia (Marseille), der sie um 250 v. Chr. an den Küsten der Nord- und Ostsee kennen lernte; von hier gingen auch die Stämme der Cimbern und Teutonen aus, mit denen die Germanen zuerst in die Geschichte eintreten, 113–101 die Bevölkerung Italiens, Galliens und Spaniens in Schrecken setzend. Es hat große Wahrscheinlichkeit für sich, daß sie später als Griechen, Italiker und Kelten die gemeinsame Heimat der Völker des indogermanischen Stammes in Asien verlassen haben und nach langen, zeitlich nicht zu bestimmenden Wanderungen durch die Tiefebenen Sarmatiens, wo Slawen und Letten sich von ihnen loslösten, eben in jenen Küstenländern zuerst feste Wohnsitze eingenommen und sich von hier aus allmählich weiter nach S. und W. verbreitet haben. Ihr Land selbst aber war bis zu Cäsars Zeit den Römern fast ganz unbekannt, und auch durch Cäsars kurze Feldzüge im O. des Rheins und durch das, was derselbe in Gallien darüber hörte, konnte keine umfassendere und genauere Kenntnis davon gewonnen werden. Erst durch die Kriege, welche die Römer in der Zeit kurz vor und nach Christi Geburt unter Drusus, Tiberius, Germanicus u. a. gegen die Germanen führten, und während welcher sie bis an die Weser und Elbe vordrangen, erwarben sie sich eine genauere Kenntnis des Landes. Die Grenzen Germaniens, welches die Römer Germania magna, auch G. barbara und G. transrhenana nannten, waren, namentlich gegen N. und O., sehr unbestimmt. Im W. trennte es der Rhein von Gallien. Als die östlichen Grenznachbarn werden die von den Germanen durch die Weichsel getrennten Sarmaten genannt. Im N. endlich bildete der Ozean die Grenze, und in ihm dachte man sich das jetzige Dänemark, Schweden und Norwegen als Inseln, die man ebenfalls zu G. magna in weitester Bedeutung rechnete. Im S. grenzte es an die römischen Provinzen Vindelizien, Noricum und Pannonien; in älterer Zeit bis zu Augustus’ Zeit bildete die Südgrenze der germanischen Wohnsitze der Hercynische Wald (Hercynia silva), unter welchem der zusammenhängende Gebirgszug verstanden wurde, welcher vom Schwarzwald an durch Franken und Thüringen, über das Erz- und Riesengebirge sich fortsetzend, bis zu den Karpathen reicht. Aus der Gesamtmasse der deutschen Mittelgebirge, die als Hercynia silva zusammengefaßt werden, tauchen dann aber eine Reihe von Namen auf, die sich mit größerer Bestimmtheit auf einzelne Gebirgszüge beziehen lassen. Dahin gehören: das Gabretagebirge (der Böhmerwald, im Mittelalter Nordwald genannt); die Sudeten (Erzgebirge); der Mons Abnoba oder Silva Marciana (Schwarzwald); der Jura, dessen Name schon bei Ptolemäos und Cäsar auftritt; der Vosagus (fälschlich Vogesus, d. h. Wasgau, Vogesen); der Taunus; die Silva Bacenis (deren Lage nicht zu bestimmen ist); Semana (Thüringer Wald); Melibocus (vermutlich der Harz); Asciburgium (Riesengebirge); der Teutoburger Wald u. a. Einige andre Benennungen, wie Eifel, Spessart, Odenwald etc., kommen dagegen erst im Mittelalter vor; auch die Bezeichnung Buchenwald (silva Buchonia) für die Hohe Rhön und das Vogelsgebirge läßt sich im Altertum nicht nachweisen. Von den Flüssen Germaniens kannten die Römer besonders den Danubius (Donau), der die Grenze von Vindelizien und Noricum gegen Germanien bildete, den Rhenus (Rhein) mit den Mündungsarmen Vahalis (Waal) und Rhenus (Alter Rhein) und mit den Nebenflüssen Nicer (Neckar), Moenus (Main) Laugona (Lahn), Luppia (Lippe) u. a. Ferner kannten die Römer den Vidrus (Vecht), die Amisia (Ems), die Visurgis (Weser), die Albis (Elbe), den Viadrus (Oder), die Vistula (Weichsel), den Guttalus (Pregel), letztern freilich nur durch Hörensagen. Unter den Seen war den Römern als der bedeutendste der Lacus brigantinus oder Venetus (Bodensee) bekannt.

Die Berichte der Römer über die Bodenbeschaffenheit und das Klima Germaniens lauten sehr ungünstig. Nach ihnen war Germanien durchweg ein rauhes Land voll von Sümpfen und dichten Wäldern; die Niederungen des Rheins waren weite Moore, die sich, mit Waldungen abwechselnd, bis an die Elbe fortzogen, und über welchen ein düsterer Himmel und eine nebelvolle, regenreiche Luft sich ausbreiteten.

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 7. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b7_s0175.jpg&oldid=- (Version vom 29.4.2021)