Seite:Meyers b6 s0877.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 6

Zink-Blei 5
Blei-Zinn 1
Zinn-Eisen 3
Eisen-Kupfer 2
Kupfer-Silber 1
Zink-Silber 12
Zinn-Kupfer 5
Zink-Eisen 9

Zählt man nun die fünf ersten Werte Zink-Blei bis Kupfer-Silber zusammen, so findet man 5+1+3+2+1=12, also gerade diejenige Spannung, die zwischen dem ersten und dem letzten Glied, nämlich zwischen Zink und Silber, beobachtet wurde. Ebenso findet man: Zinn-Eisen + Eisen-Kupfer gleich Zinn-Kupfer, und Zink-Blei + Blei-Zinn + Zinn-Eisen gleich Zink-Eisen. Die der Spannungsreihe angehörigen Körper zeigen also ein ganz besonderes Verhalten, es stellt sich nämlich heraus, daß die elektrische Erregung zwischen zwei Metallen gleich ist der Summe der elektrischen Erregungen zwischen den einzelnen in der Spannungsreihe zwischen jenen Metallen stehenden Gliedern. Dieses Gesetz heißt das Voltasche Spannungsgesetz.

Volta glaubte, daß nur durch die Berührung der Metalle unter sich Elektrizität entwickelt werde, dagegen keine bei Berührung eines Metalls mit einer Flüssigkeit. Spätere Untersuchungen jedoch zeigten, daß die Metalle durch Flüssigkeiten, welche fähig sind, chemisch auf sie einzuwirken, bedeutend stärker erregt werden als durch irgend eine metallische Berührung, und daß die Erregung um so kräftiger ausfällt, je stärker die Neigung der Flüssigkeit ist, mit dem Metall eine chemische Verbindung einzugehen. Mit verdünnter Schwefelsäure in Berührung werden z. B. die meisten Metalle negativ elektrisch, die Säure ebenso stark positiv; aber das Zink, welches ein großes Bestreben zeigt, sich mit Schwefelsäure zu schwefelsaurem Zink zu verbinden, erlangt eine zehnmal so große negative Spannung als das Kupfer, welches eine weit geringere Neigung zu einer solchen Verbindung besitzt.

Durch die Entdeckung Voltas war eine Thatsache festgestellt, welche den Erfahrungen, die man bis dahin hinsichtlich des Verhaltens der Elektrizität gemacht hatte, zu widersprechen schien: zwei leitende Körper, welche sich berühren und sonach miteinander in leitender Verbindung stehen, laden sich mit entgegengesetzten Elektrizitäten, welche sich trotz ihrer gegenseitigen Anziehung nicht miteinander vereinigen, sondern während der Berührung mit unveränderter Spannung getrennt gehalten werden. Es muß also eine Kraft vorhanden sein, welche die beiden Elektrizitäten voneinander trennt und ihre Wiedervereinigung hindert. Diese elektromotorische Kraft verrichtet die zur Scheidung der beiden vorher verbundenen Elektrizitäten erforderliche Arbeit, und der Erfolg ihrer Arbeit ist die erreichte elektrische Spannung. Volta meinte, daß diese Kraft an der Berührungsstelle zweier verschiedener Metalle ihren Sitz habe. Es ist jedoch nicht einzusehen, wie durch die bloße Thatsache der metallischen Berührung, durch welche keine entsprechende Veränderung der sich berührenden Metalle herbeigeführt wird, irgend eine Arbeit geleistet werden kann. Dagegen begreift man wohl, daß bei der Berührung von Zink mit Schwefelsäure durch die zwischen diesen beiden Körpern thätige chemische Anziehung Arbeit geleistet wird (sei es, daß eine chemische Verbindung zwischen ihnen wirklich stattfindet, oder daß sie durch eine unter dem Einfluß dieser Kraft erfolgende Umstellung der Moleküle bloß vorbereitet wird), und daß diese Arbeit sich in Wärme oder auch in elektrische Spannung umsetzen kann. Beachtet man nun, daß in der Voltaschen Spannungsreihe diejenigen Metalle, welche am leichtesten rosten, vorangehen, die Edelmetalle aber zuletzt stehen, daß also jene Anordnung der Metalle zugleich die Reihenfolge ihrer Neigung, sich mit Sauerstoff zu verbinden, ausdrückt, so liegt es nahe, zu vermuten, daß die elektrische Erregung der Metalle nicht in ihrer gegenseitigen Berührung, sondern in der Einwirkung des Sauerstoffs der umgebenden Luft ihren Grund habe, und daß sonach der Sitz der elektromotorischen Kraft an der mit der Luft in Berührung stehenden Oberfläche eines jeden Metalls zu suchen sei. Diese Vermutung wird zur Gewißheit erhoben durch den von de la Rive gelieferten Nachweis, daß zwei verschiedenartige Metalle keine Elektrizitätsentwickelung zeigen, wenn sie jeder chemischen Einwirkung entzogen sind.

Wenn man demgemäß annimmt, daß jedes Metall durch den Sauerstoff der Luft um so stärker negativ elektrisch erregt werde, je größer seine Neigung zum Rosten ist, und die an dem Metall haftende Luftschicht (s. Absorption) eine ebenso große positive Spannung erreiche, so erklären sich die von Volta entdeckten Thatsachen und Gesetze sehr einfach. Betrachten wir z. B. eine isolierte Zinkplatte, so wird die an ihrer der Luft ausgesetzten Oberfläche thätige elektromotorische Kraft negative Elektrizität in das Zink hineintreiben, während die gleiche Menge positiver Elektrizität in der auf der Oberfläche haftenden Luftschicht bleibt (Fig. 2).

Fig. 2.
Zink 0

Fig. 3.
Platin
Zink

Fig. 4.
Kupfer
Zink

Fig. 5.
Kupfer
Eisen
Zink
Voltas Fundamentalversuch.

Nach außen hin können diese getrennten Elektrizitäten keine Wirkung hervorbringen, weil die anziehende Wirkung der einen durch die abstoßende der andern aufgehoben wird; die Zinkplatte für sich erweist sich daher als unelektrisch. Bringt man sie nun mit einer Platte eines Metalls, z. B. Platin, in Berührung, welches vom Sauerstoff der Luft gar nicht erregt wird, so entweicht die von der Oberfläche des Zinks durch die elektromotorische Kraft fortgetriebene negative Elektrizität an den Berührungspunkten der beiden Metalle in das Platin; dieses erscheint daher nach der Trennung negativ elektrisch, während die positive Elektrizität auf der Zinkplatte zurückbleibt (Fig. 3). Wird aber auch das zweite Metall, z. B. Kupfer, durch den Sauerstoff elektrisch erregt, jedoch in geringerm Grad als das erste, so wird die an seiner Oberfläche ins Innere getriebene negative Elektrizität auf das erste übergehen und dessen positive Spannung vermindern, so daß jedes der beiden Metalle, das eine positiv, das andre negativ, eine dem Unterschied der beiderseitigen Erregungen entsprechende Spannung annimmt

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 6. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 877. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b6_s0877.jpg&oldid=- (Version vom 27.11.2022)