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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 6

Buschwerk etc. Starke Bäume an Chausseen etc. sägt man an und läßt sie umgeknickt liegen, da sie so wenigstens die Bewegungen der Reiterei hindern. Außerdem markiert man die Entfernungen für die eignen Schützen durch leicht sichtbare Zeichen an Baumstämmen, Erd- oder Steinhaufen u. dgl. Bei der Notwendigkeit, im Liegen und Knieen zu schießen, ist oft schon Getreide der Aussicht sehr hinderlich und muß dann niedergetreten oder von Kavallerie niedergeritten werden. Das Schaffen von Deckungen ist besonders von der verfügbaren Zeit abhängig. Sie werden hergestellt aus Erde, Holz, Strauch, Haus- und Wirtschaftsgerät etc. Die Deckungen selbst sind entweder neu herzustellen, oder schon vorhandene Gegenstände zu ausreichenden Deckungen zu vervollständigen, z. B. Hecken, Zäune, Mauern, Gebäude, Dämme, Waldränder etc. Jede Deckung soll schützen gegen Gewehr-, resp. Geschützfeuer, gleichzeitig aber soll sie den Gebrauch der Schußwaffe gestatten. Bei wenig Zeit begnügt man sich mit der Herstellung bequemer Schießlager, einzelner Schützenlöcher oder längerer Schützengräben, die jetzt in jeder Aufstellung zur Verteidigung angelegt und deren Profilverhältnisse jetzt nach dem „kleinen Spaten“, mit dem der Mann arbeitet, bestimmt werden (Spatenlänge = 0,50 m, davon Stiel 0,30 m, Spatenblatt 0,20 m lang, 0,15 m breit), so daß der liegende Schütze Deckung findet und, das Gewehr auf die vor ihm aufgeworfene Erde auflegend, bequem zielen kann, ohne durch die niedrige Bewachsung des Bodens, Gras etc. in der Aussicht behindert zu sein. Bei mehr Zeit wird der Schützengraben verstärkt zur Anschlaghöhe im Knieen und im Stehen, wobei die ausgehobenen Gräben breit genug werden, daß auch die Soutiens hineinrücken können. Die Stärke des Erdaufwurfs muß zur Deckung gegen Gewehrfeuer 1–2 m, gegen Geschützfeuer 4–5 m, gegen anhaltendes Feuer noch mehr betragen. Schüttet man Brustwehren höher an, so muß für die Schützen ein Auftritt (Bankett) angelegt werden. Hecken und Zäune geben zunächst nur Deckung gegen des Feindes Auge, werden aber durch das Anwerfen von Erde und Ausbrechen von Zweigen zum Durchstecken des Gewehrs, resp. das Durchschlagen von Geschützscharten verteidigungsfähige Deckungen. Mauern sind je höher, um so ungünstiger zur Verteidigung, denn dem Geschützfeuer widerstehen sie nicht, und besetzt man sie im Gewehrfeuer, so verletzen die Steinsplitter die Augen der Schützen oft mehr als Geschosse. Man bedeckt deshalb Mauern, über die man hinwegschießt, mit Rasen etc. und besetzt sie erst, wenn das Artilleriefeuer schweigt und Infanterie dagegen vorgeht. Vorhandene Löcher werden als Schießscharten benutzt; bei genügender Höhe werden auch solche nahe über dem Erdboden neu eingeschlagen, Schützen dahinter eingegraben und so die Verteidigung in zwei Etagen geführt. Von Häusern gilt fast dasselbe. Leicht brennbare Häuser besetzt man nicht gern. Wo nicht ein ganz einzeln stehendes Haus zu verteidigen ist, öffnet man die rückwärtigen Wände zu freiem Verkehr; nach dem Feind zu versetzt man die Thüren mit festen Barrikaden etc., die Verbindung zwischen den Stockwerken wird durch Leitern an geeigneten Stellen nach Aufschlagen der Dielung vermehrt. Die Besatzung bleibt, bis das Artilleriefeuer schweigt, womöglich hinter dem Haus verdeckt. In größern Örtlichkeiten kommt zu diesen Einzelarbeiten noch das Herstellen einer geschlossenen Lisiere durch Sperren der Eingänge und offener Stellen. Barrikaden aus Wagen ohne Räder, die mit Erde, Mist, Kartoffel- oder Getreidesäcken beladen sind, Erdbrustwehren, Verhaue aus den im Vorterrain gefällten Bäumen etc. sind hierzu geeignete Mittel. Ferner befestigt man einzelne gut gelegene, massive Gebäude im Innern, meist die Kirchen, als Reduits, Punkte, die man behaupten will, auch wenn die eigentliche Verteidigungslinie verloren geht. An breiten Straßen oder Gewässern, die den Ort durchfließen, richtet man eine zweite Linie als Abschnitt wie die vordere ein. Endlich wird die Verteidigungseinrichtung des Ortes vervollständigt durch das Öffnen breiter Ausgänge nach rückwärts für die Bewegung der eignen hinter dem Ort stehenden Reserven, und damit der eingedrungene Feind im Ort keinen festen Halt finde. Brücken, Hohlwege, Dämme etc., die der Feind beim Angriff überschreiten muß, werden, wie Dorf- und Waldeingänge, durch Brustwehren, Barrikaden oder Verhaue gesperrt, Brücken womöglich zerstört und Dämme, die man selbst nicht mehr braucht, durch Einschnitte unterbrochen. Wälder, deren Baumwuchs mehr Schutz gegen das Auge als Deckung gegen Geschosse gewährt, werden durch Verhaue längs des Randes unzugänglich gemacht; wo aber solche Verhaue nicht an Abhängen oder in natürlichen Vertiefungen liegen, so daß die Schützen darüber hinwegschießen können, geben flache Schützengräben längs des Waldrandes eine verteidigungsfähigere Stellung. Bei mehr Zeit schreitet man, wo die Bebauung und Bewachsung des Bodens keine Anhaltspunkte für die F. bietet, zur Anlage verstärkter Schützengräben, d. h. solcher mit gedeckter Verbindung hinter dem Schützenauftritt von besondern Deckungsgräben für die weiter rückwärts stehenden Soutiens, beide Arten Gräben auch mit Unterständen, die aus Balken gebildet und mit Erde überschüttet sind, in ausgedehntern Stellungen auch zur Einrichtung einzelner selbständiger Posten für je eine Kompanie. Die festesten Punkte des Gefechtsfeldes endlich werden durch Geschützeinschnitte (s. d.) oder förmliche Feldschanzen, welche schon durch ihre Lage den Angriff des Feindes gewissermaßen auf sich ziehen sollen, verstärkt. Der Grundriß derselben wird so gelegt, daß von ihnen aus nach der Angriffsrichtung ein möglichst

Fig. 1. Fig. 2.
Flesche. Lünette.
Fig. 3. Fig. 4.
Halbredoute. Redoute.

starkes Feuer abgegeben werden kann. Hinter Dämmen, Brücken, oder wo nur eine Angriffsrichtung möglich ist, genügt die gerade Linie; wo man von mehreren Seiten bedroht werden kann, bricht man die Linie zur Flesche (Fig. 1), Lünette (Fig. 2) oder zur hinten offenen Halbredoute (Fig. 3), oder man schließt sie ganz zur Redoute (Fig. 4). Künstlichere Formen wendet man im Feld nicht an. Die Länge der Linien richtet sich nach dem Terrain, die Gesamtlänge der Brustwehr der Schanze aber nach der Stärke ihrer Besatzung. Man rechnet dabei einen Schritt Feuerlinie für jeden Mann und bestimmt nicht gern mehr als etwa 300 Mann für eine Feldschanze;

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 6. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b6_s0106.jpg&oldid=- (Version vom 17.10.2022)