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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 5

obwohl derselbe nicht unter allen Umständen ausreichen dürfte, um die Rentabilität einer solchen Einrichtung außer Frage zu stellen.

Für jede e. K. entspricht eine bestimmte Belastung der sekundären Maschine, d. h. eine bestimmte Arbeitsleistung derselben bei jeder Umdrehung, auch einer bestimmten Stromstärke, welche durch Schwankungen in der Geschwindigkeit der Maschinen nicht verändert werden kann. Nach dem Ohmschen Gesetz ist aber die Stromstärke direkt proportional der elektromotorischen Kraft und umgekehrt proportional dem Leitungswiderstand. Wächst dieser letztere, wie es bei zunehmender Leitungslänge der Fall ist, so muß man, um die gleiche Stromstärke zu erzielen, auch die elektromotorische Kraft in demselben Verhältnis steigern, mit andern Worten, man muß, um große Entfernungen zu überwinden, mit beträchtlichen Spannungen arbeiten. Hochgespannte Elektrizität läßt sich aber erfahrungsmäßig schlecht isolieren; die gewöhnlichen Isolationsmittel reichen schon bei Spannungen von einigen Tausend Volt, wie sie bei den Kraftübertragungsversuchen der letzten Jahre, namentlich denjenigen von Deprez, erzeugt wurden, kaum noch aus; eine weitere Steigerung würde auf das Isolationsmaterial und die Maschinen entschieden nachteilig wirken. Ein ferneres erhebliches Bedenken gegen die Erzeugung noch höherer Spannungen liegt in dem Umstand begründet, daß der menschliche Organismus die Wirkungen derselben nicht auszuhalten vermag. Die bei der elektrischen Beleuchtung zur Anwendung kommenden geringern Spannungen haben schon mehrere Menschenleben zum Opfer verlangt; es läßt sich also mit Bestimmtheit annehmen, daß die hochgespannten Ströme der elektrischen Kraftübertragung auf große Entfernungen noch weit gefährlicher sind und jeden Menschen vernichten, der durch Unkenntnis oder Fahrlässigkeit seinen Körper in ihren Weg einschaltet. Will man dagegen die hohen Spannungen durch Verringerung des Leitungswiderstandes vermeiden, etwa indem man dicke Drähte von gutem Leitungsvermögen anwendet, so wachsen dadurch wieder die Anlagekosten der elektrischen Kraftübertragung in solchem Maß, daß ihre Benutzung nicht mehr rentabel erscheint.

Aus dem Gesagten geht hervor, daß die Aussichten für die e. K. auf weite Entfernungen (mehr als 50 km) vorläufig nicht sehr günstig sind, vielmehr ihre Anwendung sich zunächst auf solche Fälle beschränken dürfte, wo außergewöhnlich billige Triebkräfte, wie Wasserfälle u. dgl., auf mäßige Entfernungen fortzuleiten sind. Alle darüber hinausgehenden Projekte erscheinen fürs erste noch nicht lebensfähig. So hat man bereits an die Verwendung der im Rheinfall, in den Niagarafällen etc. verloren gehenden ungeheuern Arbeitskräfte gedacht und beispielsweise berechnet, daß sich die ganze Kraft der Niagarafälle in einem einzigen Telegraphendraht werde nach New York leiten lassen, falls es gelingen sollte, diesen Draht genügend zu isolieren. Bei den in Frage kommenden außerordentlich hohen Spannungen ist aber eine solche Voraussetzung als vollständig illusorisch zu betrachten. Ein andres Projekt schlägt vor, die Steinkohlen in der Nähe ihrer Lagerplätze unter riesigen Dampfkesseln zu verbrennen und die erzeugte Kraft auf elektrischem Weg im Land zu verbreiten, wodurch einerseits die Kohlentransporte erspart und anderseits die Fabrikstädte von dem schädlichen Kohlendunst befreit würden. Auch dieser kühne Gedanke scheint bis jetzt nicht mehr Aussicht auf Verwirklichung zu haben als der vorige, mit welchem er dieselbe durch unsre gegenwärtigen technischen Hilfsmittel nicht realisierbare Voraussetzung gemein hat, daß sich die Leitungen, welche zur Übertragung der Arbeitskraft dienen sollen, genügend werden isolieren lassen. Von diesen ins Große gehenden Projekten abgesehen, hat die e. K. bereits recht befriedigende praktische Ergebnisse geliefert. Dahin gehören die elektrischen Eisenbahnen (s. d.) und der elektrische Aufzug (s. Aufzüge). Große Wichtigkeit für den Bergbau dürfte der Betrieb von Gesteinsbohrmaschinen mittels dynamoelektrischer Maschinen erlangen. Bisher war man genötigt, die Bohrmaschinen entweder mit der Hand zu betreiben, oder in der Grube, dem Tunnel etc. Arbeitsmaschinen aufzustellen, welche durch komprimierte Luft oder Wasserdruck betrieben wurden und die Anbringung von Luftbehältern oder Wasserleitungen nötig machten, mithin viel Platz für sich in Anspruch nahmen, während die e. K. mit ihren dünnen und schmiegsamen Leitungen und kompendiösen Maschinen den vorhandenen Raum nicht merklich einengt und überall angebracht werden kann.

Bemerkenswerte Versuche zur Einführung der elektrischen Kraftübertragung in die Landwirtschaft sind von Félix u. Chrétien in Sermaize angestellt worden. Dieselben benutzten die überschüssige Maschinenkraft einer Zuckerfabrik, um die benachbarten Ackerfelder ohne Zugtiere umzupflügen. Zu diesem Zweck wurde durch die Dampfmaschine eine dynamoelektrische Maschine in Bewegung gesetzt, welche den Strom an eine mit dem Pflug in Verbindung gebrachte sekundäre Maschine abgab und dadurch jenen in Bewegung setzte. Auch das Entladen der für die Fabrik ankommenden Schiffe bewirkten die genannten Ingenieure in entsprechender Weise und verwendeten die Motoren außerdem noch zur Erzeugung von elektrischem Licht, womit sie die Arbeitsstellen erleuchteten. Auch die Firma Schuckert in Nürnberg ist in neuerer Zeit bestrebt gewesen, der elektrischen Kraftübertragung zum Betrieb landwirtschaftlicher Maschinen Eingang zu verschaffen.

Daß endlich auch das Kleingewerbe von der elektrischen Kraftübertragung Nutzen ziehen kann, wenn Einrichtungen getroffen werden, welche die Abgabe der zum Betrieb von Bewegungsmaschinen erforderlichen geringen Kraftmengen von einer Zentralstelle aus auf elektrischem Weg ermöglichen, ist mehrfach praktisch dargethan worden; ja, es scheint, als ob diese Art der elektrischen Kraftübertragung die meiste Aussicht auf baldige Einführung in die Industrie habe, da sie nicht bloß an die Isolation der Leitungen keine zu hohen Anforderungen stellt, sondern auch hinsichtlich der Rentabilität bessere Ergebnisse verspricht als die immerhin kostspielige Übertragung größerer Arbeitskräfte auf beträchtliche Entfernungen. Vgl. Japing, Die e. K. (Wien 1883); Grätz, Die Elektrizität und ihre Anwendungen etc. (2. Aufl., Stuttg. 1884).

Elektrische Lampe, s. Elektrisches Licht.

Elektrische Läutwerke, s. Läutwerke.

Elektrische Maschinen, alle Vorrichtungen, welche, durch mechanische Kraft in Bewegung gesetzt, Elektrizität liefern; im engern Sinn die Maschinen, bei welchen durch Induktion Ströme erzeugt werden; s. Magnetelektrische Maschinen.

Elektrische Maßeinheiten. Auf dem Gebiet der angewandten Elektrizität hat man sich bisher in Deutschland vorzugsweise empirischer, willkürlich festgesetzter Maßeinheiten bedient, so z. B. für den Leitungswiderstand der Siemensschen Einheit, d. h. des Widerstandes, den eine Quecksilbersäule von 1 m Länge und 1 qmm Querschnitt bei 0° darbietet; für die Stromstärke der Jacobischen Knallgaseinheit,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 5. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 516. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b5_s0516.jpg&oldid=- (Version vom 4.3.2021)