Seite:Meyers b5 s0460.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 5

Eisenbahneinheit, die durch internationale Übereinkommen geregelten Verhältnisse im Eisenbahnwesen (Frachtverkehr, Technik, Statistik etc.); vgl. Eisenbahn, S. 445.

Eisenbahnfahrgeschwindigkeit. Die Zeit, welche die Eisenbahnzüge zur Durchmessung einer bestimmten Strecke brauchen, ist abhängig von der Beschaffenheit der Bahn, denn offenbar kann unter sonst gleichen Verhältnissen derjenige Zug am schnellsten fahren, welcher die geringsten Steigungsverhältnisse und wenig oder keine Kurven oder höchstens solche von möglichst großem Radius zu überwinden hat, und der auf einer möglichst langen Strecke ohne Haltestellen seine Fahrgeschwindigkeit auszunutzen vermag. Selbst wenn der Zug nicht auf jeder Station hält, so verliert er jenem gegenüber an Geschwindigkeit, da er alle Bahnhöfe wegen der Weichen etc. in langsamerm Tempo passieren muß. Die folgenden, nach den Sommerfahrplänen 1885 aufgestellten Angaben über die thatsächlich eingehaltenen Geschwindigkeiten (wobei die Aufenthalte mitgerechnet sind) sind nach der Länge der Strecken geordnet, weil auf sehr langen Strecken naturgemäß oft mehr Haltepunkte und längere Aufenthalte vorhanden sind als auf kurzen.

Strecken
E. = Expreßzug; K. = Kurierzug
Fahr­zeit Länge der Strecke Braucht pro Kilom. Durch­läuft stünd­lich
Strecken von mehr als 500 km: Min. Kilom. Min. Kilom.
E. London-Sheffield-Edinburg 605 669,34 0,910 66,0
E. Berlin-Köln 603 591,80 1,020 58,8
Rapidzug Paris-Bordeaux 570 585,00 0,970 61,6
Eilzug Bodenbach-Wien 618 540,00 1,140 52,5
Strecken von 400–500 km:        
K. Köln-Bremen-Hamburg 507 448,50 1,130 53,1
K. Krakau-Wien 565 413,00 1,370 43,8
Strecken von 300–400 km:        
E. London-Salisbury-Plymouth 371 370,07 1,000 60,0
E. London-Bristol-Plymouth 391 397,42 0,980 61,0
K. Hamburg-Kassel 417 347,40 1,200 50,0
K. Holzminden-Aachen 391 314,50 1,240 48,3
Strecken von 200–300 km:        
E. Paris-Boulogne-Calais 287 297,00 0,960 62,1
E. Berlin-Hamburg 291 285,70 1,020 58,9
E. Bremen-Magdeburg 391 269,35 1,450 41,3
Strecken von 100–200 km:        
E. London-Sittingburne-Dover 108 125,50 0,861 69,7
E. London-Tunbridge-Dover 105 123,08 0,853 70,3
K. Berlin-Jüterbog-Dresden 188 187,75 1,000 60,0
K. Dresden-Zossen-Berlin 178 174,17 1,020 58,9
Teilstrecken:        
Expreßzug Stendal-Lehrte 104 134,17 0,775 77,4
   Spandau-Stendal 75 92,17 0,814 73,7
   Hannover-Öbisfelde 82 88,04 0,930 64,4
   Paris-Orléans 105 121,00 0,870 69,0
   Jüterbog-Berlin 62 62,83 0,990 60,7

Für die auf freier Strecke, also außerhalb der Bahnhöfe, erlaubten Geschwindigkeiten gelten nun in Deutschland (Bahnpolizeireglement für die Eisenbahnen Deutschlands vom 30. Nov. 1885) und ähnlich auch in Frankreich und Österreich-Ungarn (England verfährt weniger streng) folgende polizeiliche Vorschriften: „Die größte Fahrgeschwindigkeit, welche auf keiner Strecke überschritten werden darf, wird bei Steigungen von nicht mehr als 5 : 1000 und Radien von nicht weniger als 1000 m für Schnellzüge auf 75 km pro Stunde, für Personenzüge auf 60 km pro Stunde, für Güterzüge auf 45 km festgesetzt; auf stärker geneigten und mehr gekrümmten Strecken muß diese Geschwindigkeit angemessen verringert werden. Ausnahmsweise können größere Geschwindigkeiten für Schnellzüge bis 90 km pro Stunde unter besonders günstigen Verhältnissen zugelassen werden; sie bedürfen jedoch der ausdrücklichen Genehmigung der Behörde. Hiernach kann ein Zug mit der größten in Deutschland zulässigen Geschwindigkeit 1 km in 0,67 Minuten zurücklegen, eine Geschwindigkeit, welche allerdings unter Hinzurechnung des Aufenthalts auf den Stationen nirgends und auf der freien Strecke nur selten erreicht wird.

Eisenbahnfahrpläne, s. Eisenbahn, S. 443.

Eisenbahnfusion. Nachdem in den ersten Anfängen des Eisenbahnwesens zahlreiche kleinere Eisenbahngesellschaften entstanden waren, zeigte sich bald die Neigung zur Vereinigung einzelner Verkehrsgruppen zu geschlossenen Unternehmungen mit großem und abgerundetem Netz. Den Vorgang dieser Verschmelzung zweier oder mehrerer selbständiger Eisenbahnunternehmungen zu einem einheitlich verwalteten Netz nennt man E. Man hat die Fusionen einzelner früher selbständiger Eisenbahnverwaltungen häufig beklagt, weil die betreffenden Verwaltungen durch ihre Lage zuvor meist zu gegenseitiger Konkurrenz angewiesen waren und mit der Fusion die erwarteten Vorteile der Konkurrenz aufhörten. Der Hauptsache nach stellten indes die Fusionen einen volkswirtschaftlich gebotenen und gesunden Entwickelungsprozeß dar, da die Verschmelzung der kleinern Teile des Eisenbahnnetzes zu größern Ganzen eine wesentliche Voraussetzung für die Vervollkommnung und wohlfeilere Gestaltung des Eisenbahnbetriebs bilden. Hierbei ist namentlich bestimmend, daß die allgemeinen Verwaltungskosten verhältnismäßig abnehmen, je weniger selbständige Zentralverwaltungen zu unterhalten sind, ferner, daß die Notwendigkeit der Herstellung direkter Verbindungen für zahlreiche durchgehende Verkehrsrichtungen, im Zusammenhang damit die Vereinbarung direkter Tarife und durchgehender Züge, endlich die notwendige Verständigung über gemeinsame Einrichtung beim Vorhandensein vieler selbständiger Unternehmungen nicht in ausreichendem Umfang oder nur unter unnötigem Aufwand an Zeit und Mitteln ins Werk zu setzen sind. Bei der allmählichen Ausdehnung des Eisenbahnbetriebs mußten diese Verhältnisse die Verschmelzung der einzelnen selbständigen Betriebe zu größern und abgerundeten Betriebsorganismen herbeiführen. Diese Entwickelung ist sowohl in Ländern mit vorwiegendem Staatsbahnbetrieb als auch in solchen mit ausgebildetem Privatbahnbetrieb gleichmäßig vor sich gegangen. In Deutschland, Belgien und den skandinavischen Ländern waren es die Staatsbahnen, welche die kleinern Unternehmungen in sich aufsogen. In Österreich-Ungarn ist ein gleicher Prozeß im Werden begriffen. England und Frankreich geben das Beispiel der Fusion der Privatbahnen zu großen, bestimmte Verkehrsgebiete ausschließlich beherrschenden Unternehmungen. Die zu großen Eisenbahnkomplexen fusionierten Gesellschaften üben ein faktisches Monopol innerhalb ihres Gebiets aus, welches Mißbräuche und Schädigungen des wirtschaftlichen Lebens zur Folge haben kann, wenn, wie dies beispielsweise in Amerika der Fall ist, eine staatliche Aufsicht gar nicht oder nur in ungenügendem Maß besteht. Darüber, daß die Fusionen nicht zur Ausbeutung des Publikums ausarten, haben die staatlichen Aufsichtsbehörden zu wachen. (Vgl. Eisenbahn, S. 438.) Die nachfolgende Übersicht zeigt die Zusammensetzung der zur Zeit bestehenden großen Eisenbahngesellschaften in England und Frankreich aus der Fusion früherer selbständiger Unternehmungen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 5. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b5_s0460.jpg&oldid=- (Version vom 9.12.2022)