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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4

Despōt (griech.), „Herr“, insbesondere von Sklaven; Hausherr; unter den griechischen Kaisern Ehrentitel für Prinzen oder Schwiegersöhne, auch Mitregenten, Statthalter von Provinzen und bevorrechtete Vasallen, Patriarchen etc.; jetzt ein willkürlich schaltender Machthaber; s. Despotismus.

Despotismus (Despotie, griech.), diejenige Regierungsform, bei welcher lediglich der Wille und die Willkür des Herrschers entscheiden. Man bezeichnet damit den höchsten Grad und die Ausartung eines autokratischen oder absolutistischen Regierungssystems (Tyrannis, Willkürherrschaft). Aber nicht nur in der Monarchie ist ein D. möglich; auch in der Republik können Gewalthaber zeitweise despotisch auftreten, wenn es ihnen gelingt, lediglich nach ihrem Willen die Geschicke des Volkes zu bestimmen. In der Regel spricht man allerdings von D. in der Bedeutung von Fürstendespotismus, und man nennt denjenigen D., welcher im 17. und 18. Jahrh. in den meisten deutschen Territorien zu finden war, einen patriarchalischen D., weil damals das Verhältnis zwischen Landesherrn und Landeskindern in der That vielfach einen gewissen patriarchalischen Charakter angenommen hatte. Auch in Rußland, der eigentlichen Heimat des D. („Despotisme tempéré par l’assassinat“, D. durch Meuchelmord gemäßigt), hat derselbe mildere Formen angenommen, so daß man jetzt wohl auch mit Beziehung auf das russische Reich von einem aufgeklärten D. sprechen kann. Übrigens wird der Ausdruck D. vom Staatsleben nicht selten auch auf andre Lebensverhältnisse übertragen. Man bezeichnet es im Gemeinde-, Kirchen-, Vereins- und Familienleben, im Beamten- und Militärwesen als D., wenn ein Einzelwille sich in ungerechtfertigter Weise andern gegenüber dominierend zur Geltung bringen will. So wird z. B. auch von einem Ministerdespotismus gesprochen, wenn sich das Übergewicht eines leitenden Staatsmannes nicht nur seinen Mitarbeitern und der Volksvertretung, sondern auch selbst dem Monarchen gegenüber in unzulässiger und übermäßiger Weise geltend macht.

Despoto-Dagh, Gebirge, s. Rhodope.

Despréaux (spr. däpreoh), s. Boileau-Despréaux.

De Spuches, Giuseppe, Fürst von Galati, ital. Dichter und Gelehrter, geb. 1819 zu Palermo, erhielt in Lucca eine ausgezeichnete klassische Bildung, widmete sich dann in der Heimat philosophischen und juristischen Studien, wurde in der Folge Präsident der königlichen Kommission für Kunst und Altertum in Sizilien, auch Bürgermeister (sindaco) von Palermo und schließlich Mitglied des Parlaments. Er starb im November 1884. Seinen Ruf als Dichter hatte er bereits 1838 mit einer Übersetzung des „König Ödipus“ von Sophokles begründet; ihr folgten andre poetische Übertragungen (Euripides’ Tragödien, Palermo 1883, 2 Bde.; „Alcune versioni dal greco“, 1878) sowie beachtenswerte und durch Formgewandtheit ausgezeichnete Originaldichtungen (in drei Sprachen): „Carmina latina et graeca“ (1877) und „Poesie“ (Neapel 1868; neue Aufl., Palermo 1880). Seine übrige litterarische Thätigkeit bewegt sich auf archäologisch-litterarischem Gebiet, so: „Discorsi filologici“ (1860); „Lettere illustrative di una greca iscrizione trovata in Taormina“ (1863); „Epigrafi inedite ed altri oggetti archeologici“ (1865); „Di due vasi grecosiculi“ (1866); „Relazione di alcuni oggetti archeologici“ (1871); „Alcuni scritti“ (1881) u. a.

Despumieren (lat.), abschäumen; Despumation, Abschäumung.

Desquamation (lat.), s. Abschuppung.

Dessalines (spr. -lihn), Johann Jakob, unter dem Namen Jakob I. Kaiser von Haïti, geb. 1758 in Les Cormiers auf Haïti als Negersklave, machte sich bei der Erhebung der Insel als Adjutant Toussaint L’Ouvertures durch Tapferkeit und Grausamkeit einen Namen. Als hierauf nach dem Frieden von Amiens der Erste Konsul den General Leclerc zur Wiedereroberung der Insel sandte, erhielt D. den Oberbefehl im Westen der Insel und führte gegen die Franzosen längere Zeit einen kleinen Krieg, mußte aber 1. Mai 1802 sich zum Frieden bequemen. D. blieb General in französischen Diensten und erhielt das Gouvernement im Süden der Insel. Als aber General Rochambeau, der Nachfolger Leclercs, gegen die Neger mit großer Strenge auftrat, vereinigte sich D. mit Christophe, nahm durch einen Eilmarsch ein Korps Franzosen gefangen, die er aufhängen ließ, belagerte die Stadt Cap Haïti und brachte es im Verein mit einer englischen Flottille, welche die Stadt von der Seeseite einschloß, dahin, daß Rochambeau 19. Nov. 1803 die Stadt mit allen Kriegs- und Mundvorräten übergeben und mit seinen Truppen die Insel verlassen mußte. D. proklamierte nun die Unabhängigkeit der Insel, die ihren alten Namen Haïti wiedererhielt. Im Januar 1804 ernannte ihn eine von allen Offizieren unterschriebene Erklärung auf Lebenszeit zum Generalgouverneur der Republik mit der Gewalt, Gesetze zu geben, Krieg und Frieden zu beschließen und seinen Nachfolger zu bestimmen. Sogleich forderte er durch einen wütenden Aufruf Volk und Heer zur Vertilgung aller noch auf der Insel lebenden Franzosen auf und führte selbst seinen Befehl aufs schonungsloseste aus. Darauf brach er im April 1804 nach dem spanischen Teil der Insel auf, um auch diesen, namentlich die Stadt Santo Domingo, zu unterwerfen. Aber der von ihm gehoffte Sklavenaufstand erfolgte nicht, und als noch dazu französische Schiffe mit Mannschaft sich näherten, sah er sich genötigt, die Belagerung aufzuheben. Dafür führte er nach seiner Rückkehr eine neue Staatsverfassung ein, welche die Republik in eine Monarchie verwandelte und alle Gewalt in seine Hände legte, und ließ sich 8. Dez. 1804 auf dem Marsfeld von Port au Prince unter dem Namen Jakob I. feierlich zum Kaiser des haïtischen Reichs krönen. Indessen übte er gegen alle Einwohner ohne Unterschied einen so zügellosen Despotismus, daß Christophe und Pétion 1805 einen Aufstand gegen ihn anstifteten, in dem er 17. Okt. 1806 ermordet wurde.

Wappen von Dessau.

Dessau, Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums Anhalt, liegt am linken Ufer der Mulde, welche 3 km unterhalb der Stadt in die Elbe mündet, und an der Berlin-Anhalter Eisenbahn, die sich bei D. nach Bitterfeld und Köthen spaltet, in einer angenehmen, durch die Kunst verschönerten, gartenähnlichen Ebene, enthält außer dem ältesten Stadtteil an der Mulde breite und regelmäßig angelegte, wenn auch wenig belebte Straßen mit großstädtischen Häusern und schöne Plätze, darunter den Großen Markt mit dem Standbild des „alten Dessauers“, den Neumarkt, seit 1858 mit dem des Herzogs Leopold Friedrich Franz (modelliert von Kiß), den Kleinen Markt mit dem 1867 errichteten Brunnendenkmal der Wiedervereinigung Anhalts, den Kaiser- und den Albrechtsplatz mit schönen Anlagen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 714. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b4_s0714.jpg&oldid=- (Version vom 10.6.2021)