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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2

eigentlich zu den Sträuchern gerechnet werden; manche Holzgewächse wachsen ebenso oft strauch- wie baumartig, und an der obersten Grenze ihrer Verbreitungszone in den Gebirgen erscheinen die Bäume nur krüppelhaft strauchförmig. Ebenso können durch die Kunst Sträucher zu Bäumen umgebildet werden, wenn man ihnen die untersten Äste fortwährend abschneidet, und umgekehrt Bäume zu Sträuchern, wenn ihr Gipfelzuwachs immer verschnitten wird. Auch die Höhe kann keinen Unterschied bedingen, denn gewisse Sträucher, wie z. B. die Haselsträucher, wachsen oft viel höher als manche Bäume (z. B. die Ostheimer Kirsche).

Die Baumform findet sich hauptsächlich in den höher ausgebildeten Pflanzenfamilien, von welchen gegen 50 größtenteils Bäume enthalten. Doch kommen auch bei den weniger hoch organisierten Pflanzen, wie bei Koniferen, Palmen, Gräsern und selbst bei Farnen, Baumformen vor. Dagegen fehlt die Baumform bei Pilzen, Flechten, Algen, Moosen, Liliaceen, Irideen, Hydrocharideen, Najadeen, Scitamineen, Orchideen, Chenopodiaceen, Primulaceen, meist bei den Asperifolien, Personaten, Labiaten, Konvolvulaceen, Gentianeen, Kampanulaceen, Kukurbitaceen, Doldengewächsen, Saxifrageen, Papaveraceen, Ranunkulaceen, Karyophyllaceen u. a.

Die Gestaltsverhältnisse der Blätter sind wichtige Merkmale, um den B. an seinem Laub zu erkennen. Nicht minder brauchbar zur Unterscheidung im winterlichen Zustand sind die Knospen des Baums. Manche Bäume sind überdies mit Dornen ausgestattet; dies sind entweder kurze Zweige, die mit dorniger Spitze endigen, wie beim Weißdorn und bei den wilden Formen der Obstbäume, oder es sind stachelartig ausgebildete Nebenblätter, wie bei der Robinie. Die Blüten der Bäume sind meistens verhältnismäßig unscheinbarer als die der krautartigen Gewächse. Viele Bäume haben eingeschlechtige Blüten, und dabei sitzen die Blüten beider Geschlechter entweder auf demselben B. (Eiche, Buche, Hainbuche, Birke, Erle, Nußbaum) oder auf verschiedenen, so daß man männliche und weibliche Bäume zu unterscheiden hat (Weiden, Pappeln). Andre Bäume haben Zwitterblüten, und diese besitzen vielfach farbige Blumenblätter, wie die Obstbäume, die Roßkastanie, die Rosen und viele Bäume der wärmern Klimate. Die Frucht- und Samenbildung zeigt weniger Eigentümlichkeiten. Bei den meisten fällt die Reife in den Sommer oder Herbst desselben Jahrs; nur bei den Kieferarten erlangen der Same und der denselben enthaltende Zapfen erst im zweiten Herbst nach der Blüte vollständige Ausbildung. Die Früchte sind meistens nußartig mit einem einzigen ausgebildeten Samen, oder sie zerfallen in mehrere einsamige nußartige Teile, wie bei den Ahornen. Saftige Steinfrüchte ebenfalls mit einem oder wenigen Samen finden sich bei den Obstbäumen, Kapseln mit zahlreichen Samen bei den Weiden und Pappeln.

Die Art, wie der B. sich aufbaut, zeigt Verschiedenheiten, und damit hängt zum Teil auch das Charakteristische seiner Physiognomie zusammen. Bei den baumartigen Farnkräutern und bei den meisten Palmen findet sich ein einfacher Stamm, der mit einer einzigen großen Gipfelknospe endigt, daher keine Äste bildet und am Ende mit seinen dicht übereinander stehenden riesenhaften, meist gefiederten Blättern besetzt ist. Bei den dikotyledonen Bäumen wächst der Stengel des Keimpflänzchens heran zum Anfang des künftigen Baumstammes. In den Wuchsverhältnissen desselben ist aber in der Regel schon von den ersten Lebensjahren an ein mehrfacher Unterschied zu bemerken. Entweder bildet sich der Keimstengel an der Spitze durch seine dauernd erhalten bleibende Gipfelknospe regelmäßig weiter und wird zum geraden, bis zur höchsten Spitze durchgehenden Baumstamm, wie z. B. bei der Fichte, Tanne und Lärche, an welchen sich dann seitlich die zahlreichen horizontal abgehenden Äste ansetzen, wodurch die Krone die pyramidenförmige Gestalt erhält, die schlanker wird, wenn sich auch die Äste steil am Stamm aufwärts richten, wie bei der italienischen Pappel. Oder der Stamm zeigt zwar auch längere Zeit dieses Verhalten, später aber folgen ihm einer oder mehrere seiner Äste in bald schrägerer, bald steilerer Richtung sowohl im Höhenwuchs als in der Erstarkung nach oder überholen ihn oder übernehmen nach gänzlicher Unterdrückung des Hauptstammes allein die Fortbildung, so daß also der Stamm nicht bis in den Gipfel reicht, sondern sich in seiner Krone in mehrere starke Hauptäste teilt, wie bei der Kiefer, der Pappel, der Eiche, dem Apfelbaum u. v. a. Oder es verliert der Hauptstengel schon in den ersten Lebensjahren seine Fortbildungsfähigkeit, indem er nämlich die Eigentümlichkeit hat, an seinem Ende sich in horizontaler Richtung zu neigen; die Endknospe, welche ihn in diesem Fall nur in der letztgenannten Richtung verlängern würde, schlägt dann regelmäßig fehl, oft samt dem ganzen wagerecht gewordenen Endstück, und eine der letzten Seitenknospen des vertikal stehenden Stammteils wächst im folgenden Jahr zu einem kräftig aufschießenden, zuletzt aber am Ende wieder horizontal gerichteten Trieb empor, welcher sich dann gerade so verhält wie sein Vorgänger, und da dies alljährlich geschieht, so baut sich hier der Stamm auf aus so vielen einzelnen auseinander hervorgegangen Ästen verschiedenen Grades, wie er Jahre alt ist, und erscheint dann im erwachsenen Zustand ebenso regelmäßig und gerade wie diejenigen Stämme, welche durch stetige Verlängerung einer Hauptachse gebildet sind. Diese Stammbildung ist charakteristisch für die Ulme, Buche, Hainbuche, Linde. Von großem Einfluß auf die Physiognomie ist bei allen Bäumen der Umstand, ob sie frei stehen oder im Schluß aufgewachsen sind. So bildet sich z. B. bei der Rotbuche, wenn sie frei steht, die Krone schon von geringer Entfernung über dem Boden an, indem hier nicht selten wenig über Manneshöhe die ersten, horizontal ausstreichenden Äste an den Stamm sich ansetzen. Im geschlossenen Rotbuchenwald dagegen tragen die säulenförmigen Stämme erst in sehr beträchtlicher Höhe spitzbogenartig aufstrebende Äste, auf denen sich erst das Laubdach über den hohen Säulenhallen ausbreitet. Ähnliche Verhältnisse zeigen auch meistens die andern Bäume bei freiem und bei geschlossenem Stande. Dagegen ist die Tracht der Trauerbäume, bei denen sämtliche Zweige zur Erde niederwachsen, eine feste, vererbbare Eigentümlichkeit gewisser echter Varietäten. Die bekannteste trauernde Varietät ist die Traueresche; doch hat man auch von vielen andern Bäumen Trauerbäume, so z. B. von den Ulmen, Linden etc. – Auch in der Wurzelbildung zeigen die Bäume Verschiedenheiten. Manche behalten die Hauptwurzel, die sich am Keimpflänzchen entwickelt, ihr ganzes Leben hindurch; dieselbe steigt dann als gerade, dicke Pfahlwurzel tief in den Boden hinab, was besonders für die Eiche charakteristisch ist. In andern Fällen bleibt die Pfahlwurzel frühzeitig zurück; aus dem Stock entwickeln sich mehrere Seitenwurzeln, und diese gehen entweder

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 507. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b2_s0507.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2023)