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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2

Gymnasium (vollendet 1867) und dem im Stil italienischer Gotik ausgeführten Rathaus zu nennen. Auf seinem eng begrenzten Gebiet ist er ein trefflicher Meister und neben Statz, welcher mehrere Kirchen in den Rheinlanden erbaut hat, das tüchtigste Glied der kölnischen neugotischen Schule. Unter den neuesten Kirchen sind die Weißgerberkirche, die Pfarrkirche in der Brigittenau und die Kirche in Fünfhaus, alle von Schmidt, in gotischem Stil erbaut. Der Bau der Hofmuseen, des Hofburgtheaters und der Hofburg selbst nach den Entwürfen von Semper u. Hasenauer und der Justizpalast von A. v. Wielemans bilden gewissermaßen den monumentalen Abschluß einer Gruppe von Bauten, wie sie großartiger und phantasievoller keine zweite moderne Großstadt besitzt. (Näheres s. bei Wien, mit Tafel „Wiener Bauten“.)

In Norddeutschland ist namentlich die Friedenskirche zu Potsdam, von Persius 1850 vollendet, ein glänzendes Muster des Basilikenstils, der nicht minder glücklich, wenn auch mit weit geringern Mitteln im Backsteinrohbau in Stülers Jakobikirche zu Berlin zur Anwendung kam (1845). Stracks Petrikirche ist schon deswegen bemerkenswert, weil hier unter größter äußerer Beschränkung die Gotik einem Grundriß sich anbequemen mußte, welcher ihr fremd war, und hierdurch zu einem originellen Bauwerk Veranlassung gab. Einen nicht minder bedeutenden Bau, für welchen der romanische Stil und noch mehr die Renaissance Vorbilder gaben, ist die mit Kuppeln überdeckte Kirche der katholischen St. Michaelsgemeinde von Soller. Zu den großen Profanbauten, mit welchen Friedrich Wilhelms IV. Kunstsinn die Stadt schmückte, gehört das Neue Museum von Stüler, welches alle Sammlungen in sich schließt und mit Schinkels Altem Museum durch eine Straßenüberführung verbunden ist. Unter der Leitung von Strack wurde ein andrer Teil der Anlage, die Nationalgalerie, errichtet. Im Privatbau, besonders dem ländlichen, zu dessen Ausbildung die Straßen am Tiergarten und die reizenden Umgebungen Potsdams aufforderten, haben Strack, Knoblauch, Hitzig und besonders Persius Treffliches geschaffen. Zu den Wohnhäusern größern Stils gehört das elegante russische Botschaftshotel von Knoblauch, zu den öffentlichen Gebäuden das im Backsteinrohbau aufgeführte Rathaus von Wäsemann, die im Renaissancestil erbaute Börse, das erste in Hausteinen aufgeführte Gebäude Berlins, und die deutsche Reichsbank von Hitzig. Die im maurischen Stil aufgeführte Synagoge von Knoblauch zeichnet sich ebensowohl durch meisterhaften Grundriß wie durch die edlen Verhältnisse ihres Innern und ihrer originellen eisernen Kuppel aus, während die Anatomie und das chemische Laboratorium von Albert Cremer edle und geschmackvolle Leistungen im Backsteinbau darstellen. Unter den Kirchen der neuesten Periode sind die byzantinische Thomaskirche von Adler und die romanische Zionskirche von Orth als Muster zweckmäßiger Einrichtung und künstlerischer Durchbildung hervorzuheben. Besonders zahlreich sind die Leistungen auf dem Gebiet des Eisenbahnbaues, unter welchen der Görlitzer Bahnhof von Orth, der Ostbahnhof von Lohse, der Niederschlesisch-Märkische, der Lehrter und Potsdamer, der Anhalter von Schwechten und die Stadtbahnhöfe von Jakobsthal bei zweckmäßiger Anlage und künstlerischer Durchbildung eine mehr oder minder gelungene Verbindung des Steinbaues mit dem Eisenbau zeigen. Die Privatarchitektur weist eine Fülle von Bauten auf, welche, in dem Charakter eines Palastes oder einer Villa gehalten, meist sowohl in Anlage als in Form vortrefflich sind. Auf diesem Gebiet haben sich neuerdings neben den Meistern der ältern Periode, wie Lucae und Gropius und Schmieden, besonders Ende und Böckmann, Kayser und v. Großheim, Ebe und Benda, Kyllmann und Heyden, Otzen, H. Stier hervorgethan. (Näheres s. bei Berlin, mit Tafel „Berliner Bauten“.) – Unter den Bauwerken Dresdens sind Sempers Theater (1841 vollendet, 1869 abgebrannt, von neuem nach seinem Plan 1872–77 erbaut) ausgezeichnet zugleich durch die Fülle bedeutenden Schmuckes, für welche Plastik und Malerei auf das freigebigste aufgeboten wurden, und Museum, der Schlußstein des mächtigen Zwingerbaues, hervorzuheben. Mit dem Jahr 1848 erreichte Sempers Thätigkeit vorerst in Dresden ihr Ende und fand in der Schweiz, wo er in dem eidgenössischen Polytechnikum und Bahnhof zu Zürich und in dem Rathaus zu Winterthur Bauwerke in edlem Renaissancestil schuf, und später in Wien ihre Fortsetzung (s. oben). Leipzig zeigt im Privatbau meist eine Renaissance unter Dresdener Einfluß und erfreut sich im Museum des Müncheners Ludwig Lange, das 1858 vollendet und seit 1883 durch Lipsius erweitert wurde, eines seinem Zweck trefflich entsprechenden Gebäudes. Braunschweig hat durch Ottmer (1831–36) ein schönes, im Renaissancestil mit korinthischen Säulenstellungen erbautes Residenzschloß, welches später, teilweise durch Feuer zerstört, in der alten Gestalt wiederhergestellt wurde, und durch Raschdorff ein in gotischem Stil erbautes Postgebäude erhalten. Hannover hat bei bedeutendem Anwachs der Bevölkerung eine große Bauthätigkeit entfaltet. Das 1852 eröffnete Theater von Laves ist ein prachtvoll ausgestatteter Renaissancebau im Rundbogenstil; außerdem sind Haases Museum (romanisch) und Christuskirche (gotisch) als Bauten von hervorragender Bedeutung zu erwähnen. Unter den öffentlichen Gebäuden Bremens ist die im gotischen Stil erbaute Börse von Müller hervorzuheben. Von Köln aus, wo der gotische Stil durch den wieder aufgenommenen Dombau unter Zwirners Leitung treffliche Pflege fand, verbreitete er sich wieder auch durch Deutschland und rief namhafte Bauten hervor, unter welchen die Nikolaikirche zu Hamburg von dem Engländer Gilbert Scott, 1863 eingeweiht, und die Kölner Bauten von Statz zu nennen sind. In Schwerin sind durch den von Schinkel beeinflußten A. Demmler mehrere Monumentalbauten entstanden, unter denen das im florentinischen Palaststil gehaltene Arsenal und das im Stil der französischen Frührenaissance errichtete, von Stüler vollendete Schloß die bedeutendsten sind.

Deutschland zunächst hinsichtlich der Bedeutung des neuesten architektonischen Schaffens steht Frankreich, wo die provinziellen Eigentümlichkeiten nicht so wie dort hervortreten, sondern Paris allein den Mittelpunkt aller Produktion bildet. Auf die streng antikisierende Richtung eines Percier und Fontaine unter dem ersten Kaiserreich folgte die freiere klassische Richtung des 1867 verstorbenen Hittorf aus Köln, der die edle Basilika St.-Vincent de Paul baute, und dem die Vollendung der Anlage der Place de la Concorde zu danken ist. Unter den Leistungen der Gotiker, welche fast durchweg den frühsten Formen dieses Stils sich anschließen, sind Viollet le Ducs Kirche in St.-Denis und die Kirche Ste.-Clotilde zu Paris von Gau aus Köln hervorzuheben, welch ersterer auch die gelungene Restauration der Ste. Chapelle zu Paris leitete. Von größerm Erfolg war der Anschluß an die Renaissance, wie er sich

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 505. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b2_s0505.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2022)