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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2

5) Edgar, philosoph. Schriftsteller, geb. 1820 zu Charlottenburg, Bruder des vorigen, dessen hyperkritischen Standpunkt er teilte, studierte seit 1838 Theologie, dann Rechtswissenschaft in Berlin, hat ein unstetes, häufig durch Preßprozesse und Festungshaft unterbrochenes Wander- und Schriftstellerleben geführt, von dessen zum Teil längst vergessenen Produkten hier genannt sein mögen: „Der Streit der Kritik mit der Kirche und dem Staat“ (Bern 1843); „Denkwürdigkeiten zur Geschichte der neuern Zeit“ (1843 bis 1844, 12 Hefte; mit Bruno B.); „Die Geschichte der konstitutionellen Bewegungen im südlichen Deutschland während der Jahre 1831–34“ (Charlottenb. 1845, 3 Bde.); „Die Kunst der Geschichtschreibung und Herrn Dahlmanns Geschichte der französischen Revolution“ (Magdeb. 1846); „Geschichte des Luthertums“ (unter dem Namen Martin von Geismar, Leipz. 1846–47); „Über die Ehe im Sinn des Luthertums“ (das. 1847) u. a. Nach den Bewegungen von 1848 und 1849, an denen er sich wenig beteiligte, lebte er abwechselnd in Altona, Flensburg, London und Hamburg, wo er die „Kirchlichen Blätter“ (1870) sowie die „Christlich-politische Vierteljahrsschrift“ begründete. Er schrieb noch: „Das Teutsche Reich in seiner geschichtlichen Gestalt“ (Altona 1872); „Die Wahrheit über die Internationale“ (das. 1873); „Englische Freiheit“ (Leipz. 1857); „Die Rechte des Herzogtums Holstein“ (Berl. 1863); „Die Deutschen und ihre Nachbarn“ (Hamb. 1870); „Artikel V, der deutsche Gedanke und die dänische Monarchie“ (Altona 1873); „Der Freimaurerbund und das Licht“ (Hannov. 1877) u. a.

6) Wilhelm, Erfinder, geb. 23. Dez. 1822 zu Dillingen in Schwaben, erlernte das Drechslerhandwerk, trat in ein Chevauleger-Regiment, wurd aber wegen der Erfindung eines Hebezeugs zum Transport von Kanonen zur Artillerie versetzt und marschierte 1848 nach Schleswig-Holstein. Hier faßte er den Gedanken einer unterseeischen Schiffahrt zum Küstenschutz, und die schleswig-holsteinische Armee gab eine Tageslöhnung zum Bau eines Brandtauchers her, welcher sich aber bei einer Probefahrt 1851 in einer Tiefe von 8,8 m als zu schwach gebaut erwies. Bessere Resultate gab ein Brandtaucher, mit welchem B. 1855 viele Probefahrten zwischen Kronstadt und Petersburg anstellte. Zum kaiserlichen Submarine-Ingenieur ernannt, erhielt B. den Auftrag, eine unterseeische Korvette zu bauen und ein untergegangenes Linienschiff zu heben. Dies veranlaßte ihn zur Konstruierung seiner Taucherkammer, der Hebeballons und Hebekamele. Im J. 1858 ging B. nach Lindau am Bodensee, wo er seine Apparate für Schiffshebung und Kabellegung weiter ausbildete und den 1861 im Bodensee gesunkenen Dampfer Ludwig bei einem zweiten Hebeversuch 21. Juli 1863 glücklich barg. Bei Ausbruch des schleswig-holsteinischen Kriegs trat B. in preußische Dienste, doch zerschlug sich das Verhältnis an seinem Verlangen, die ihm zum Bau unterseeischer Kriegsfahrzeuge nötig scheinenden neuen Erfindungen, wie selbstregistrierende Lote und Kompasse, rückstoßfreie Geschütze etc., zu erproben. B. ging nach Konstanz, agitierte für die Verbindung seiner Submarineapparate mit unterseeischen Kabeln, stellte, vom Nationalverein und vom König von Bayern unterstützt, gelungene Schießversuche im Starnberger See an und durchschoß in 11,3 m Tiefe eiserne Platten. Er lebte zuletzt als Pensionär Ludwigs II. in München und starb daselbst 18. Juni 1875.

7) Klara, unter dem Pseudonym Karl Detlef bekannte Romanschriftstellerin, geb. 23. Juni 1836 zu Swinemünde, wo ihr Vater, der nachmalige Abgeordnete zur preußischen Nationalversammlung, Hafen- und Schiffahrtsdirektor war, bildete sich nach dessen Tod zur Klavierlehrerin aus, ging nach Petersburg, wo sie im Haus des Herrn v. Bismarck verkehrte, von dort in das innere Rußland, kehrte 1866 nach Deutschland zurück und veröffentlichte ihre ersten Novellen: „Unlösliche Bande“ (3. Aufl., Stuttg. 1877) und „Bis in die Steppe“ (2. Aufl., das. 1871), die ihren Stoff der Eigentümlichkeit des russischen Lebens entlehnten. 1872 machte sie eine Reise nach Italien, kehrte von da aber brustkrank zurück und starb 29. Juni 1876 in Breslau. Von ihren Erzählungen sind noch anzuführen: „Ein Dokument“ (2. Aufl., Stuttg. 1878, 4 Bde.); „Schuld und Sühne“ (2. Aufl., das. 1874, 2 Bde.); „Nora“ (3. Aufl., das. 1876, 2 Bde.); „Zwischen Vater und Sohn“ (das. 1874, 2 Bde.); „Mußte es sein?“ (2. Aufl., das. 1872, 2 Bde.); „Die geheimnisvolle Sängerin“ (das. 1876); „Benedikta“ (Berl. 1876, 3 Bde.). Aus ihrem Nachlaß erschienen „Russische Idyllen“, Novellen (2. Aufl., Bresl. 1880). Sichere Charakterzeichnung und eine reine, phrasenfreie Diktion sind ihre Vorzüge.

Bauerbach, Dorf, südl. bei Meiningen, mit 390 Einw. (ein Drittel Juden); bekannt durch den Aufenthalt Schillers, der nach seiner Flucht aus Stuttgart unter dem Namen „Doktor Ritter“ auf dem dortigen Gute der Frau v. Wolzogen vom Dezember 1781 bis 21. Juli 1783 in strengster Zurückgezogenheit lebte, daselbst „Die Verschwörung des Fiesco“ vollendete, „Kabale und Liebe“ schrieb und den Plan zum „Don Karlos“ entwarf. Das Schiller-Zimmer ist noch in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten. Westlich dabei die Ruine der Burg Henneberg.

Bauercollé, Kunstausdruck beim Billardspiel, wenn der Ball so an der Bande steht, daß zwischen beiden sich noch ein Raum befindet.

Bäuerle, A. Adolf, Lustspiel- und Romandichter, geb. 9. April 1784 zu Wien, trat schon in seinem 18. Jahr mit dem Ritterroman „Siegmund der Stählerne“ (Wien 1802) als Schriftsteller auf und begründete zwei Jahre später die „Wiener Theaterzeitung“, die bis 1847 das verbreitetste Blatt der österreichischen Monarchie war. Von 1809 bis 1828 bekleidete er das Amt eines Sekretärs am Leopoldstädter Theater und widmete sich während dieser Zeit mit vielem Glück dem Wiener Volkstheater. In seinem Stück „Die Berliner in Wien“ (1813) trat er zuerst mit der nachher stehend gewordenen Figur des „Staberl“ auf, welche die Gestalten des „Kasperl“ und „Thaddädl“ von der Volksbühne verdrängte. Unter seinen zahlreichen Stücken sind „Der Leopoldstag“ (1814), „Der verwunschene Prinz“ (1818), „Die falsche Primadonna“ (1818), „Die moderne Wirtschaft“ (1818), „Der Tausendsasa“ (1820), „Der Freund in der Not“, „Werthers Leiden“ (Parodie) auch außerhalb Österreichs bekannt geworden. In Bäuerles „Komischem Theater“ (Pest 1820–26, 6 Bde.) ist nur die kleinere Hälfte seiner Arbeiten für die Bühne enthalten. Die Reihe derselben bricht mit „Der Mann mit Millionen“ (1829) ab und beginnt erst 1840 wieder, um mit „Ein Sonderling in Wien“ (1841) für immer abzuschließen. Die Helden der Bäuerleschen Possen zeichnen sich meist durch kräftig einschlagenden Witz aus; aber die Gemütlichkeit, der Grundton der Stücke, ist nicht bloß zu breit, sondern auch zu seicht. Mit dem Jahr 1848 verlor B. mit seinem Organ das bereits gesunkene Ansehen. Um seine Existenz zu sichern, betrat er ein neues Feld litterarischer Thätigkeit und ward seit 1852 mit seinen Romanen: „Therese Krones“

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 467. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b2_s0467.jpg&oldid=- (Version vom 10.4.2021)