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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2

„Annales Bojorum“ (Ingolst. 1554, Bas. 1615; hrsg. von Gundling, Leipz. 1710), ausgezeichnet durch gründliches Quellenstudium, Wahrheitsliebe und ebenso freisinnige wie großartige Weltanschauung. Sie sind das erste moderne Geschichtswerk und haben auf die Entwickelung der historischen Litteratur großen Einfluß ausgeübt. Sie behandeln die bayrische Geschichte (bis 1460) im Zusammenhang mit der deutschen und allgemeinen Geschichte. Die deutschen Dinge schildert er von nationalem patriotischen Standpunkt aus und tritt mit großer Schärfe den hierarchischen Anmaßungen der Päpste entgegen. Eine populäre Bearbeitung in deutscher Sprache ist die „Chronika“. Außerdem schrieb er das „Chronicon“ oder „Annales Schirenses“ (1600); „Historia non vulgaris vetustatesque Otingae Briorum“ (1518); „Antiquitates Germaniae“; „Rudimenta grammaticae latinae“ (1512). Eine Gesamtausgabe von A.’ Werken veranstaltete die bayrische Akademie der Wissenschaften (Münch. 1880–84, 5 Bde.). Vgl. Dittmar, Aventin (Nördling. 1862); Wiedemann, J. A. nach seinem Leben und seinen Schriften (Freising 1858); Döllinger, A. und seine Zeit (Münch. 1877).

Aventiure („Frau A.“), s. Abenteuer.

Aventūra (mittellat.), Zufall, Heimfall, daher im Lehnrecht ein erledigtes Lehen, das dem Lehnsherrn wieder zufällt. Ländereien der Art heißen Aventatae terrae.

Aventure (franz., spr. awangtühr), Zufall, Abenteuer.

Aventurhandel nannte man früher die von den Aventuriers oder Aventurierkaufleuten mit erborgten Kapitalien betriebenen gefährlichen Handelsunternehmungen nach überseeischen Plätzen (s. Großaventurhandel); heute überhaupt ein Handel aufs Geratewohl, ohne fixierte Artikel.

Aventurier (franz., spr. awangtürjeh), Abenteurer, Glücksritter. Seit etwa 1630 hießen auch Bücher, welche nach Art der Robinsonaden die meist erdichteten Abenteuer weit gereister Personen schilderten, Aventuriers. Ein Verzeichnis derselben gibt Grässe im „Trésor de livres rares“, Bd. 1 (Dresd. 1859).

Aventurīn (Avanturin, Venturin), gelbe, rote oder braune Varietät des Quarzes, von zahllosen kleinen Rissen durchzogen und reich an Glimmerblättchen, wodurch im Innern gold- oder messingartig flimmernde Punkte erzeugt werden. A. kommt bei Madrid in Spanien zwischen Geschieben von Granit, bei Mariazell in Steiermark, bei Glen Fernat in Schottland, bei Nantes in Frankreich, zwischen Mijask und Slatoust im Ural, wo er mächtige Lager im Glimmerschiefer bildet, bei Kolywansk im Altai etc. vor. Er wird zu Dosen, Ohrgehängen, Broschen, Ringsteinen etc. verarbeitet. Am schönsten treten die flimmernden Punkte hervor, wenn man ihm halblinsenförmige oder ovale Gestalt gibt. Die Politur ist wenig sichtbar. Verschieden davon ist der Aventurinfeldspat, der irrigerweise auch Sonnenstein (s. Adular) genannt wird.

Aventurīne, eine Art Steingut, dem Aventurin an Ansehen ähnlich, bei dessen Herrichtung unter die Thonmasse Goldglimmer gestreut wird.

Aventurīnfeldspat, s. Adular.

Aventurīnglas (Avanturinglas), ein halb durchsichtiges, hellbraunes, rotes oder grünes Glas, welches zahlreiche goldgelbe, metallisch glänzende Pünktchen eingeschlossen enthält. Es wird durch Schmelzen von Glas mit Kupferoxydul und Hammerschlag oder Hämatinon (s. d.) mit Eisenfeile hergestellt. Hierbei wird metallisches Kupfer gebildet, welches sich in glänzenden Kristallflitterchen ausscheidet. Damit nun diese hinreichende Größe erhalten, muß die Glasmasse sehr langsam erkalten. A. wurde früher besonders auf Murano bei Venedig fabriziert, durch Pettenkofer aber mit vollkommenem Erfolg nachgeahmt. Ist das A. so reich an spiegelnden Kupferplättchen, daß die Grundmasse fast verschwindet, so erscheint es wie mit Goldschaum angefüllt. Mit viel chromsaurem Kali zusammengeschmolzenes Glas gibt ein ähnliches Produkt mit kristallinischen glänzenden Flittern von Chromoxyd (Chromavanturin). Dasselbe zeigt bei heller Beleuchtung glänzende Lichtreflexe und wird als Schmuckstein und wie A. zu Kunstgegenständen verarbeitet. Diese Gläser werden von vorzüglicher Schönheit in der modernen venezianischen Glasindustrie und in bayrischen und böhmischen Glashütten dargestellt.

Avenue (franz., spr. aw’nüh), Zugang, Anfahrt, Allee, mit Bäumen besetzte (breite und schöne) Straße.

Avenza, Ort in der ital. Provinz Massa-Carrara, am gleichnamigen Flüßchen und an der Eisenbahn von Genua nach Pisa, südwestlich von Carrara (wohin eine Zweigbahn führt), hat ein altes Schloß des Castruccio Castracani (1322 erbaut), einen Seehafen für die Einschiffung des karrarischen Marmors (1883 liefen 1043 Schiffe mit einer Ladung von 71,563 Ton. aus) und (1881) 1519 Einw.

A verbis ad verbĕra, lat. Sprichwort: „Von Worten zu Schlägen“.

Averlīno, ital. Künstler, s. Filarete.

Avérnus (Averner See), kleiner, kreisrunder See bei Cumä in Kampanien, westlich von Neapel, 3 km im Umfang, 65 m tief, 1,2 m hoch gelegen, ein alter Vulkankrater, den das Altertum zum Mittelpunkt fast aller Sagen vom Schattenreich machte und so mit einem düster-poetischen Nimbus umkleidete. Hier war die Stätte des cumanischen Totendienstes; hierher verlegte man Homers Nekyia („Odyssee“, 11. Buch); hier wohnten die Kimmerier in tiefen Höhlen; hier waren Styx und Pyriphlegethon, der Hain der Hekate, die Elysäischen Gefilde und des Äneas Hinabgang in den Tartarus. Agrippa (unter Augustus) lichtete das mysteriöse Dunkel; er ließ den dichten Wald um den See aushauen, die schauerliche Gegend in anmutige Kulturanlagen verwandeln und den A. mit dem südlicher liegenden Lukriner See (und weiter mit dem Meer) verbinden. Die Entstehung des Monte Nuovo 1538 zerstörte diesen Zusammenhang wieder und verengerte den Umfang des vorher kreisrunden Kraters bedeutend. Was die Alten von der unergründlichen Tiefe und von giftigen Exhalationen, die darüberfliegende Vögel töten sollten, berichten, entbehrt der Begründung; aber noch heute herrscht eine unheimliche Stille über der Gegend, und die Ufer des Sees sind der Malaria unterworfen. An der Ostseite finden sich Ruinen, angeblich eines Apollotempels; an der Südseite der Eingang zur Grotta della Sibilla Cumana, einem 4 m breiten und 5 m hohen unterirdischen, größtenteils verschütteten Gang, der wohl zu Agrippas Bauten gehört. – Avernalisch, zum Avernus gehörig, höllisch.

Averrhoa L., Gattung aus der Familie der Oxalideen, ostindische Bäume mit abwechselnden, unpaarig gefiederten, reizbaren Blättern, in Trauben gestellten, purpurnen Blüten und eiförmigen, tief gefurchten, fünffächerigen Beeren. Zwei Arten in Ostindien und China. A. Bilimbi L., 2,5–3 m hoch, wird in Ost- und Westindien häufig kultiviert und trägt 5–8 cm lange Beeren von saurem Geschmack, welche auf verschiedene Weise zubereitet genossen,

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b2_s0180.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2023)