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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2

Nach Nationalitäten verteilte sich die Einwanderung in dem Zeitraum 1821–84 folgendermaßen:

 Aus Europa 11290740
Großbritannien 5456757
Deutschland 3946972
Österreich-Ungarn 212748
Schweden-Norwegen 642040
Dänemark 97082
Niederlande 75654
Belgien 31018
Schweiz 136378
Frankreich 337662
Spanien u. Portugal 42207
Italien 181144
Rußland 130048
Andere europ. Länder 1030
 Aus Asien 290338
China 288727
Andre Länder 1611
 Aus Afrika 987
 Aus Amerika 1135898
Brit.-Nordamerika 1028791
Westindien 69775
Mexiko 26881
Zentralamerika 1376
Südamerika 9075
 Aus Australien 15306
 Aus nicht angegebenen Ländern 246351
Totalsumme: 12979620

Britisch-Nordamerika bezieht seine wenig zahlreiche Einwanderung fast ausschließlich aus Großbritannien, nennenswert ist noch die skandinavische. Die gesamte englische Einwanderung 1815–83 betrug 1,765,586 Seelen, doch werden die hiesigen britischen Kolonien von einer großen Zahl nur als Durchgangsland nach den Vereinigten Staaten benutzt; so gingen 1870–83 von 854,531 Immigranten 385,011 dorthin. Außerdem findet eine ziemlich ansehnliche Rückwanderung nach England statt.

Mexiko und Zentralamerika haben zu wiederholten Malen die A. an sich zu ziehen versucht, stets ohne sonderlichen Erfolg. Unternehmungen, welche den übrigen Republiken Zentralamerikas Auswanderer zuführten, sind kläglich gescheitert.

In Westindien stellte sich nach Aufhebung der Sklaverei ein dringender Bedarf an Arbeitskräften heraus, dem man abzuhelfen suchte, indem man 1839 und 1840 Deutsche und Franzosen, später auch Engländer dorthin lockte, welche aber meist dem Klima erlagen. Die Pflanzungen erfordern andre als nordeuropäische Kräfte, daher zog man Arbeiter aus Madeira, Afrika, China, namentlich aber aus Ostindien hierher. Dieselbe Klasse von Auswanderern wird auch nach Britisch-Guayana geleitet, während aus klimatischen Gründen Europäer diese Gegenden sehr wenig aufsuchen. Südamerika wird vorzugsweise von romanischen Völkern aufgesucht, doch haben sich fast sämtliche Regierungen bemüht, eine deutsche Einwanderung ins Land zu ziehen. So Venezuela 1843 nach einem von Humboldt gutgeheißenen Plan einige Hunderte; so Peru, das sich in der Geschichte der deutschen A. mit seiner Kolonie Pozuzu einen sehr übeln Namen gemacht hat; so Chile, wo, veranlaßt durch ein 1840 in Württemberg gebildetes Aktienunternehmen, einige Hundert Deutsche angesiedelt wurden. Weit stärker aber ist hier die Einwanderung von Italienern, in Peru von Kulis (1860–72: 80,458). Brasilien könnte in seine fruchtbaren Gebiete noch Hunderte von Millionen Menschen aufnehmen, und in der That sind schon seit 1812 Versuche gemacht worden, Einwanderer ins Land zu ziehen. Diese ersten kamen von den Azoren, 1818 kamen die ersten Deutschen, denen später noch viele andre nachfolgten. Die deutsche Einwanderung ist indessen schwach zu nennen gegen die der Romanen. In den Jahren 1855–83 sind rund 600,000 Menschen eingewandert, darunter 215,000 Portugiesen, 65,000 Deutsche und 320,000 andrer Nationalitäten (Italiener, Franzosen, Briten, Spanier). Die Italiener sind aber in den letzten Jahren am stärksten vertreten gewesen. Die Geschichte der deutschen A. nach Brasilien ist wenig befriedigend; namentlich haben die Parceria- (Halbpacht-) Verträge deutscher Einwanderer mit brasilischen Großgrundbesitzern Brasilien in sehr schlechten Ruf gebracht. Dazu kommt das verderbliche Klima der nördlichern Gegenden, das viele der Einwanderer hinraffte. Daher wurde 3. Nov. 1859 in Preußen durch Ministerialreskript die A. nach Brasilien bedeutend erschwert; das südliche Brasilien ist aber für Deutsche vorzüglich geeignet, wie die dortigen blühenden deutschen Kolonien deutlich beweisen. Daß die A. nach Brasilien eine so schwache gewesen ist, daran trägt wesentlich schuld die wankelmütige Haltung der dortigen Regierung hinsichtlich der die Einwanderung und Kolonisation regelnden Bestimmungen.

Argentinien bemüht sich seit geraumer Zeit, die europäische A. an sich zu ziehen, und mit nicht geringem Erfolg. 1870–83 wanderten 632,238 Personen ein, aber in vielen Jahren auch nahezu die Hälfte der Ankommenden wieder aus. Heute berechnet man die Zahl der Fremden auf 7–800,000 Seelen, davon

Italiener 154000
Spanier 73200
Franzosen 69400
Engländer 23000
Schweizer 12100
Deutsche 10000

Das angrenzende, zwar dichter bevölkerte (2 gegen 0,8 auf 1 qkm), aber immer noch menschenleere Uruguay hat seine Einwanderung gleichfalls und noch ausschließlicher aus romanischen Staaten empfangen. Die Einwanderung ist fast ganz spanisch, italienisch oder französisch (1880 befanden sich unter 140,222 Fremden nur 2125 Deutsche). – Paraguay, fast ganz durch Bürgerkriege entvölkert, macht lebhafte Anstrengungen, die europäische A. für sich zu interessieren. Eine italienische Kolonie von 2000 Seelen gedeiht leidlich, eine 400 Köpfe starke deutsche nimmt in den letzten Jahren rasch zu.

Australien empfing die ersten freien Auswanderer schon einige Jahre nach seiner Besiedelung durch Sträflinge (1788), eine regelmäßige A. dahin begann aber erst 1825. Bis 1883 sind aus den britischen Inseln 1,511,542 Personen nach dem australischen Kontinent, Tasmania und Neuseeland gegangen. Die A. aus andern Ländern ist dagegen unbedeutend gewesen; aus Deutschland kamen 1828–83 über Hamburg und Bremen 55,226 Einwanderer. Einschließlich der in Australien Gebornen wird man die jetzige Zahl der Deutschen, welche in jüngster Zeit besonders durch Zuwanderung in Queensland gestiegen ist, auf über 100,000 schätzen dürfen. Auch nach Hawai hat man in den letzten Jahren größere Zahlen deutscher Auswanderer gebracht, um dieselben auf den Zuckerpflanzungen zu verwenden; die sich früher stark dorthin wendende chinesische A. sucht man jetzt zurückzuhalten und durch Einwanderer von den Azoren und Ostindien zu ersetzen.

Nach Algerien hat die französische Regierung schon seit der ersten Okkupation europäische Einwanderer zu lenken gesucht, aber ohne große Erfolge. Am stärksten ist die spanische und nächstdem die italienische Einwanderung, doch ist dieselbe zum großen Teil eine hin- und herströmende. Ägypten gewann 1873–77: 51,946 Menschen durch Einwanderung. Von allen europäischen Nationen sind es vornehmlich Griechen, Italiener und Franzosen, welche sich hier ansiedeln. In die englischen Kolonien am Kap kamen zuerst deutsche Legionäre nach dem Krimkrieg, 1858 wurden 2000 Norddeutsche auf Kosten der englischen Regierung und 1877 gegen 1000 Deutsche auf Kosten der Kolonialregierung eingeführt. Die Einwanderung aus England in die Kapkolonie und Natal bezifferte sich 1875–80 auf 39,981 Seelen, die Einwanderung von indischen Kulis nach Natal bis 1879 auf 21,489 Individuen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 2. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b2_s0163.jpg&oldid=- (Version vom 27.4.2022)