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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1

Steenwyck (lebte noch 1642) und Peter Neefs der Alte folgten. Sie liebten noch immer die Staffage aus der heiligen Geschichte. Den größten Ruhm unter ihnen genießt Neefs, der die Linien- und Luftperspektive mit Meisterschaft beherrschte; Teniers, Franck, Brueghel u. a. haben seine Gemälde staffiert. Doch hat er keineswegs den Höhepunkt der A. erreicht, indem ihm noch immer die harte, scharfe Behandlung der ältern Meister anhing. Zur völligen Freiheit gelangte die A. erst durch Männer wie S. van Ehrenberg, Gheringh, P. Neefs den Jüngern u. a. in Belgien, de l’Orme, van Delen, H. van Vliet u. a. in Holland, namentlich aber durch Emanuel de Witte (1607–92, lebte zu Amsterdam), auf den Rembrandts malerische Behandlung von größtem Einfluß war. Er malt ebenso weich wie bestimmt, sein Helldunkel ist von großer Kraft, und er versteht die malerische Wirkung der Architektur zu voller Geltung zu bringen. Auch der große Landschafter J. van Ruisdael verstand sich meisterhaft auf die A. Überhaupt ist die ganze holländische Schule des 17. Jahrh. durch ihre Interieurs, ihre Stadt- und Straßenprospekte, in welch letztern sich namentlich J. van der Meer und J. van der Heyden auszeichnen, der A. zugewendet. In Italien brachte es die A. nicht zu einem besondern Zweig; hier betrachtete man Landschaft und Architektur als bloßen Hintergrund des Historienbilds. Benozzo Gozzoli, Ghirlandajo, Perugino, Raffael u. a. malten wohl Architektur, aber nicht um ihrer selbst willen. Mehr war man in der venezianischen Schule (Giorgione, Tintoretto, Veronese) der A. zugewendet, ohne sie freilich auch vom Historienbild loszulösen, bis denn endlich im 18. Jahrh. A. Canale und sein Neffe Bellotto (genannt Canaletto), Guardi u. a. die Schönheit der venezianischen Paläste und Kanäle uns darstellten. Freilich gehörte dies nicht zur A. im engern Sinn, sondern zur Gattung der architektonischen Prospekte.

Im Beginn der modernen Kunstentwickelung ist vor allen Schinkel zu nennen, der mit einer klassischen Richtung den ausgezeichnetsten Sinn für dekorative Wirkung verband und neben eignen Schöpfungen, unter denen die Interieurs der Peterskirche und des Mailänder Doms sowie eine Anzahl von kulturgeschichtliche Epochen charakterisierenden architektonischen Kompositionen hervorzuheben sind, auch die Anregung zu den mit wahrhaft künstlerischer Vollendung ausgeführten Theaterdekorationen gab. In letzterm Fach leistete namentlich Karl Gropius Ausgezeichnetes, wie z. B. seine Kathedrale in Reims zur „Jungfrau von Orléans“ beweist. Bekannt sind die Dioramen desselben Künstlers. Domenico Quaglio (gest. 1837) erhob die Staffelei-A. wieder aus ihrem Verfall. Ausgezeichnete Architekturmaler waren Hasenpflug in Halberstadt, welcher alte Klostergänge meist in winterlichem Prospekt zu malen liebte, Ainmüller und Vermeersch in München. Pulian in Düsseldorf wählte vorzugsweise altertümliche Straßen, alte, verfallene Kirchen etc. zur Darstellung. Noch verdienen genannt zu werden: Gärtner, Helfft, Dietrich, Konrad, v. Bayer, Neher, Gerhardt, Mayer und der treffliche Aquarellist R. Alt. Der berühmteste deutsche Architekturmaler der Gegenwart war K. Graeb (gest. 1884) in Berlin, meisterhaft in der Perspektive und der sorgfältigen, aber immer malerischen Ausführung. Neben ihm sind der 1882 verstorbene Chr. Wilberg (Berlin), Seel (Düsseldorf), Körner (Berlin) und Lor. Ritter (Nürnberg) zu nennen. In Frankreich war Granet (gest. 1849) der gefeiertste Architekturmaler der Neuzeit, der seine Gegenstände immer von der originellsten und charaktervollsten Seite aufzufassen und mit sehr wirkungsvoller Staffage auszustatten verstand. In Frankreich wandten viele Künstler auch die Aquarellmalerei mit Erfolg zu architektonischen Darstellungen an, so Ouvrié, Garnerey, Rochebrune, Villeret. Dasselbe geschah in England von Haghe, Chase, Howse u. a. Andre in England gerühmte Architekturmaler sind: Prout mit seinen italienischen, deutschen und andern Prospekten; Roberts, der spanische und orientalische Bauwerke mit seltener Genauigkeit und Wahrheit zur Anschauung zu bringen weiß; ferner Mackenzie, Goodall, Williams u. a. Unter den Italienern werden Migliara, Bisi und Nerly (Nehrlich, ein Deutscher, gest. 1878), unter den Holländern und Belgiern Waldorp, Carsen, Bosboom, van Haanen, ten Kate, Springer und Bossuet genannt.

Architrāv (franz., das Epistylion der Griechen), der erste, unmittelbar auf den Kapitälen der Säulen griechischen und römischen Stils aufruhende Querbalken, welcher die übrigen Teile des Gebälks und Daches trägt, ist entweder glatt oder in drei bandartig aufeinander folgende Streifen geteilt (dreiteiliger A.), welche seine Unterkante mit der Stirnfläche

Architrav des dorischen Stils.

des ganzen Gebälks vermitteln. Gewöhnlich sind die Trennungsglieder dieser Streifen mit Blattreihen oder Perlschnüren geschmückt. Im dorischen Stil ist der A. glatt und bildet den Träger der Triglyphen (Dreischlitze) und Metopen (Zwischenfelder) und des Tympanons (Giebels), wie die nebenstehende Abbildung eines Teils des Parthenon in Athen zeigt; im ionischen und korinthischen Stil ist er dreiteilig (s. Tafel „Baukunst IV“, Fig. 7) und bildet den unmittelbaren Träger des Bilderstreifens (Zophoros). Der Barockstil, dem das Rokoko folgte, hat ihn wider die Logik des Stils und der Technik geschweift und nach außen oder innen gekrümmt gebildet.

Archiv[WS 1] (ital. archivio, lat. archium oder archivum, griech. archeion, d. h. Rathaus), eine Sammlung von Urkunden, Akten, Aufsätzen, die in der Absicht gemacht ist, die Kunde von Thatsachen der Vergangenheit der Nachwelt zu überliefern. Man unterscheidet öffentliche und Privatarchive, je nachdem dieselben unter öffentlicher Autorität oder ohne solche angelegt sind. Öffentliche Archive sind neben denen der landesherrlichen Behörden die der Städte, Landstände, Universitäten, Schöffenstühle, Kirchen, Klöster, Dorfgemeinden; private die der Innungen, Vereine, einzelner Familien. Bei Staatsarchiven unterscheidet man Haupt- und Nebenarchive (Provinzial-, Kreis-, Kammer-, Amtsarchive); erstere gewöhnlich in der Hauptstadt, letztere am Sitz der für einen bestimmten Bezirk vorhandenen Staatsbehörden befindlich. Hebräer, Ägypter und Griechen hatten Archive meist in ihrem Haupttempel; die Römer benutzten als Staatsarchive die Tempel der Ceres

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vgl. Archīv in Band 17
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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 775. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b1_s0775.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)