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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1

rauhhaarige, selten kahle Kräuter mit fiederig, fast dreizählig zusammengesetzten Blättern, fehlenden oder ein- bis zweiblätterigen Hüllen, vielblätterigen Hüllchen, weißen Blüten und geschnäbelter Frucht. Zehn Arten auf der nördlichen Erdhälfte. A. sylvestris Hoffm. (Wiesenkerbel, Pferdekümmel), ein ausdauerndes Gewächs mit meist 1 m und darüber hohem, gefurchtem Stengel, glänzenden, doppelt oder auch dreifach gefiederten Blättern und meist 8–16strahliger Dolde, auf Wiesen, an Rainen, in Hecken, auf Schutt etc. sehr gemein, riecht frisch unangenehm gewürzhaft und schmeckt bitterlich scharf, wird aber vom Vieh ohne Schaden gefressen. A. cerefolium Hoffm. (Gartenkerbel), ein einjähriges Gewächs mit 30–60 cm hohem, ästigem, nur an den Knoten fein behaartem, zart gerilltem Stengel, dreifach gefiederten, unten sparsam behaarten Blättern und meist drei- bis sechsstrahliger Dolde, ist in Südeuropa heimisch, bei uns verwildert und wird in Gärten, namentlich in einer krausblätterigen Varietät, kultiviert. Man säet durch das ganze Jahr, etwa alle 6–8 Wochen in 20 cm entfernte Reihen 2 cm tief. Boden und Lage sind gleichgültig, frischer Dünger geliebt. Das Kraut riecht und schmeckt angenehm gewürzhaft und dient als Küchengewürz. Die Samen enthalten ätherisches Öl. A. vulgaris Peers. (gemeiner Kerbel) ist der vorigen Art ähnlich, riecht und schmeckt aber weniger angenehm.

Anthropogenie, s. Anthropologie (S. 629).

Anthropoglyphen, s. Bildstein.

Anthropoiden, s. Anthropomorpha.

Anthropolatrie (griech.), göttliche Verehrung menschlicher Wesen, wurde von den Christen den Heiden vorgeworfen, weil diese ihre Heroen, namentlich auch die römischen Kaiser, vergötterten, dieser Vorwurf aber von den Heiden den Christen wegen ihrer göttlichen Verehrung des „Menschen“ Jesus zurückgegeben.

Anthropolithen (Androlithen, griech.), veraltete Bezeichnung solcher Fossilien, welche man irrtümlich für versteinerte Menschenknochen etc. hielt.

Anthropologie (griech.), die Lehre vom Menschen im allgemeinen, vom Standpunkt des Naturforschers aus betrachtet und ergründet, und somit die Naturgeschichte des Menschen. Als solche umfaßt sie alle Disziplinen, welche sich mit dem Menschen als Untersuchungsobjekt beschäftigen. Man kann die A. einteilen in: 1) somatische A.; Gegenstand ist der Körper des Menschen, Hilfswissenschaften sind ihr die Anatomie und Physiologie; 2) psychische A.; sie beschäftigt sich mit den geistigen Eigenschaften des Menschen je nach ihren durch Abstammung und Geschlecht bedingten Besonderheiten; 3) historische A.; sie umfaßt alles, was sich auf die Entstehung und Entwickelung des Menschengeschlechts in seiner Gesamtheit wie in seinen einzelnen Rassen und Völkern bezieht; als Hilfswissenschaften dienen ihr alle andern, soweit sie Licht auf ihr Objekt, den Menschen, zu werfen vermögen.

1) Die somatische A. (auch anatomische A. genannt) erörtert die Eigenschaften des menschlichen Körperbaues in seinen verschiedenen durch Rasse, Geschlecht und Abstammung bedingten Eigentümlichkeiten und Abweichungen. Diese Eigentümlichkeiten können in allen Organsystemen ihren Ausdruck finden, vorwiegend aber sind es die die äußere Erscheinung beeinflussenden, am meisten in die Augen springenden, wie Haar-, Augen-, Hautbeschaffenheit und -Farbe sowie der die Gestalt bedingende knöcherne (Skelett-) Bau. Von letzterm steht wieder der Schädel als Sitz des höchsten Organs, des Gehirns, sowie der höhern Sinnesorgane und als Grundlage der charakteristischen Gesichtsbildung obenan. Daher ist die Schädellehre (Kraniologie) der wichtigste Teil der somatischen A., wobei von wesentlichem Einfluß der Umstand ist, daß Rassenschädel noch am leichtesten beschafft werden können. Durch Vergleich und Zusammenstellung der so gewonnenen Einzelbeobachtungen sind die Rasseneigentümlichkeiten, d. h. die naturhistorischen Charaktere, der Völker und Stämme gegeben. Dieses Gebiet deckt sich daher zum Teil mit dem der Ethnologie. Mittel der somatischen A. sind einerseits möglichst zutreffende Beschreibung, anderseits Messung, d. h. die in Zahlen ausgedrückten Größenverhältnisse gewisser Körperteile zu einander oder verschiedener Dimensionen eines Körperteils unter sich. Beide Richtungen werden durch möglichst exakte bildliche Darstellung (besonders sogen. geometrische Zeichenmethode, mit Hilfe des Lucaeschen Zeichenapparats, Anwendung der Photographie, Gipsabgüsse etc.) unterstützt. Gewisse mehr oder weniger allgemein angenommene Bezeichnungen für Haar- und Augenfarbe, Farbenskalen, um danach die verschiedenen Hautfärbungen zu bestimmen, suchen eine möglichste Übereinstimmung in den Grundprinzipien der Einzelbeobachtungen zu erzielen. Demselben Zweck dient für die Körpermessung die Annahme ganz bestimmter und leicht wieder aufzufindender Ausgangspunkte für die einzelnen Maßrichtungen, namentlich am skelettierten Schädel, wie Knochenvorsprünge, Höhlen oder Öffnungen. Auf diesem Gebiet herrscht noch vielfach Willkür und findet sich eine oft verwirrende Menge von verschiedenen Maßen und Durchmessern. Neuerdings hat man sich jedoch bemüht, wenigstens für Deutschland eine Einigung herzustellen, indem durch gemeinsame Thätigkeit einer Anzahl hervorragender Anthropologen ein Maßschema vereinbart wurde. Die Lehre von diesen Schädelmaßen heißt Schädelmessung (Kraniometrie); sie ist an die Stelle der alten oberflächlichen Methode der bloßen Schädelbetrachtung oder Kranioskopie getreten, deren krankhafter Auswuchs die Phrenologie (s. d.) war.

2) Die psychische A. (Menschenseelenkunde) kommt, insofern sie das geistige und gemütliche Wesen des Menschen nach naturwissenschaftlicher Methode behandelt, mit der Psychologie (s. d.) als „Erfahrungsseelenlehre“ überein, unterscheidet sich aber von dieser dem Umfang nach, indem sie sich auf die menschlichen Seelenerscheinungen beschränkt, während letztere z. B. als „Tierpsychologie“ auch die tierischen umfaßt. Dieselbe ist, je nachdem sie das psychische Wesen des Menschen überhaupt oder das des einer besondern Rasse, einem gewissen Stamm oder Volk angehörigen Menschen nach seiner spezifischen Eigentümlichkeit zum Gegenstand wählt, entweder allgemeine (Menschheits-) oder besondere A. (Volksseelenkunde), welche letztere als vergleichende Betrachtung und Beschreibung der psychischen Eigenschaft verschiedener Völkerschaften zur „vergleichenden A.“ (Völkerpsychologie) führt, von welcher, je nachdem die Mannigfaltigkeit der Äußerungen der Volksseele in Religion, Sprache, Sitte und Lebensweise gesondert im Auge behalten wird, die vergleichende Religions- und vergleichende Sprachwissenschaft sowie die vergleichende Ethnographie Zweige ausmachen. Wird hierbei das Hauptgewicht auf denjenigen Teil der psychischen Menschennatur gelegt, der (wie das Naturell [s. d.] oder Temperament [s. d.]) unmittelbar durch dessen physische Beschaffenheit bedingt

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 628. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b1_s0628.jpg&oldid=- (Version vom 19.1.2022)