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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

Fr. Prämien und 819,557 Fr. Schadenzahlungen für 2971 Stück Vieh. Diese Ziffern sind sehr gering gegenüber den jährlichen Verlusten in Frankreich, welche 1887: 105,000 Stück Vieh mit 38,8 Mill. Fr. Wert absorbierten, 1871–87 traten für 565,3 Mill. Fr. Viehverluste ein.

Viette, Jules François, franz. Politiker, geb. 6. Mai 1843 in Blamont (Doubs), ward Advokat daselbst. Er bekämpfte in der Presse das Kaiserreich und, nachdem er 1870–71 den Krieg als Mobilgardenkapitän mitgemacht hatte, beteiligte er sich an der Verteidigung der Republik in den Zeitungen seiner Heimat. 1871–78 war er Generalrat des Doubsdepartements. 1876 wurde er auf Empfehlung Gambettas in Montbéliard zum Deputierten gewählt und schloß sich in der Kammer der republikanischen Linken an. Vom Dezember 1887 bis Februar 1889 war er Minister des Ackerbaues und übernahm 27. Febr. 1892 im Ministerium Loubet das Portefeuille der öffentlichen Arbeiten. V. ist Freimaurer und wegen seines geistreichen Witzes bei allen Parteien beliebt.

Villaume (spr. wilohm), Karl von, preuß. General, geb. 8. März 1840 zu Breslau, trat 1859 in die Gardeartillerie ein, ward 1860 Sekondleutnant, 1866 Premierleutnant, besuchte 1866–69 die Kriegsakademie und war 1869–73 Lehrer der Taktik an der Artillerie- und Ingenieurschule, 1873–77 an der Kriegsakademie. Die Kriege von 1866 und 1870/71 machte er im Gardefeldartillerieregiment mit. Nachdem er 1871 zum Hauptmann befördert und 1873 in den Großen Generalstab versetzt worden war, wurde er 1877 als Major in das russische Hauptquartier kommandiert, das er während des Krieges gegen die Türken in Bulgarien begleitete. 1879 ward er Militärattaché in Rom, 1882 in Paris, 1885 in Petersburg. 1877 war er geadelt, 1885 zum Oberstleutnant, 1888 zum Obersten, 1890 zum Generalmajor befördert worden.

Villinger, Hermine, Novellistin, geb. 6. Febr. 1849 zu Freiburg i. Br. als Tochter des Geheimen Kriegsrates V., kam schon im ersten Lebensjahr nach Karlsruhe, wo sie noch jetzt lebt. Früh schon zeigte sich ihre poetische Neigung, mit neun Jahren schrieb sie ihr erstes Gedicht, wenig später ihr erstes Trauerspiel; aber ihre Neigung fand weder im Elternhause noch außerhalb desselben Unterstützung und Ermunterung. Auch die Leidenschaft fürs Theater mußte sie unterdrücken. 1870 erhielt sie die ersten tiefern Eindrücke, außer den allgemeinen noch die der tödlichen Verwundung des einzigen Bruders. Dann folgte eine Zeit der Studien, Erkenntnis der Klassiker, mehrjähriger Aufenthalt in Berlin (1881–82) und Wien, wo der Verkehr mit Marie Ebner maßgebend für ihre Ausbildung geworden ist. Sie veröffentlichte (anfänglich unter dem Pseudonym H. Wilfried) die Romane: „Doris“ (Bresl. 1880); „Die Livergna“ (das. 1882); das Lustspiel: „Verloren und Gewonnen“ (1883); die Novellen und Erzählungen: „Aus dem Kleinleben“ (2. Aufl., Lahr 1880); „Zenz“ (Stuttg. 1887); „Sommerfrischen“ (das. 1887); „Aus meiner Heimat“ (das. 1887); „Auch ein Roman und andre Geschichten“ (Berl. 1890); „Schwarzwaldgeschichten“ (Stuttg. 1892). Ihre knappe Form und ihr feiner Humor mit der schwäbischen Färbung haben die Skizzen der V. zu Vorlesungen besonders geeignet gemacht.

Vincke, 4) Gisbert, Freiherr von, Dichter, starb 6. Febr. 1892 in Freiburg i. Br.

Vintler, Hans von, zu Platsch und Runkelstein, Dichter, geb. 16. Aug. 1837 zu Schlanders in Tirol, ein Nachkomme des um 1420 gestorbenen Dichters Hans von V. (s. d., Bd. 16), war ursprünglich zum Geistlichen bestimmt, 1858 in Rom, um im Collegium Romanum der Jesuiten Theologie zu studieren; aber eben da vollzog sich die innere Wandlung in ihm. Er entsagte dem heiligen Stande, der seinem wettfreudigen Naturell nicht entsprach, studierte deutsche Sprache und Litteratur in Innsbruck und Wien (1859–60), gab dann mit L. v. Hörmann die „Frühblumen aus Tirol“ heraus, ging 1863 als Supplent nach Venedig, ward 1865 Journalist und hielt sich in den Jahren 1870–78 in Czernowitz, Triest, Innsbruck und Gera auf, abwechselnd Lehrer und Schriftsteller. 1880 wurde er Professor an der Staatsrealschule zu Innsbruck, wo er 11. April 1890 starb. Im letzten Jahrzehnt seines Lebens reifte in dem stillen Familienleben und Freundschaftsverkehr seine Muse. Erst nach seinem Tode erschien eine Sammlung seiner „Gedichte“ (Leipz. 1892); frisches Temperament, Witz und Satire, daneben wieder gemütvoll idyllische Bilder, Gelegenheitsgedichte voller Schwung zeichnen sie vorteilhaft aus.

Virus fixe, s. Tollwut.

Vitrit. Abgesehen von der Verglasung der Fenster hat Glas bisher in der Architektur nur wenig Verwendung gefunden. Auf der Pariser Ausstellung hatte Ballu für die Argentinische Republik einen Pavillon erbaut, der zum großen Teil mit gepreßten Glasornamenten bekleidet war. Abends wurden die großen Diamantquadern aus Glas, welche, zwischen Eisenrahmen eingespannt, die Lisenen und Pilaster bildeten, von innen her elektrisch erleuchtet. Dieser Versuch hat, soweit bekannt, keine Nachahmung in größerm Maßstabe gefunden, wahrscheinlich weil die Sprödigkeit und der hohe Preis des Glases hindernd im Wege standen. Eine neue Verwendungsart des Glases für die Architektur ist nun durch die Glashütte Karlswerk bei Bunzlau angebahnt worden. Es handelt sich hierbei um ein Material, den V., bei welchem alle guten Eigenschaften des Glases, die Durchsichtigkeit freilich in beschränktem Maße, zur Geltung kommen, während die Sprödigkeit nicht in Betracht kommt, und der Preis ein sehr mäßiger ist. Zur Herstellung des Vitrits wird eine thunlichst dünne und auf einer Seite möglichst stark gerauhte Glasplatte von beliebiger Form mit einem Falzrande umgeben, so daß ein flacher Kasten entsteht, dessen Boden die Glasplatte bildet. Dieser Kasten wird unter tüchtigem Rütteln mit einer kaltflüssigen Kunststeinmasse gefüllt, die man 48 Stunden an der Luft, dann, soweit zementhaltige Massen in Betracht kommen, 8 Tage unter Wasser erhärten läßt. Die Kunststeinmasse besteht entweder aus 10 Teilen scharfem Sand, 3 Teilen zerfallenem Ätzkalk, 2 Teilen Kalksteinpulver, angerührt mit Natronwasserglas von 33° B., welches mit dem doppelten Volumen Wasser verdünnt ist, oder aus 1 Teil Portlandzement, 1 Teil Romanzement, 6 Teilen scharfem Sand und 0,1 Teil Natronwasserglas. Für gewisse Zwecke ist die Verstärkung der Kunststeinschicht durch Drahteinlagen in Aussicht genommen. Der V. besitzt eine überraschende Widerstandsfähigkeit gegen äußere Einflüsse. Die Glasfläche zeigt sich gegenüber mechanischen Insulten dauerhafter als polierter Granit. Sehr starke Schläge mit einem Stahlhammer durchlochten das Glas, ohne jemals den kleinsten Seitenriß zu erzeugen. Die Kunststeinschicht zeigt eine Druckfestigkeit bis zu 200 kg auf 1 qcm, und mit dieser Schicht ist das Glas auf das Innigste verwachsen. Die Widerstandsfähigkeit gegen Nässe, Frost und Hitze ergibt sich aus den bekannten

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 953. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0967.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2023)