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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

Geologische Gesellschaft. Die allgemeine Versammlung der Deutschen geologischen Gesellschaft tagte vom 10.–12. Aug. 1891 in Freiberg. Dem eigentlichen Beginn derselben ging ein Besuch der Sammlungen von Halle, Leipzig, Dresden und eine Exkursion nach Tharant voraus. Bei dem Dorfe Grillenburg legt sich auf die ungeheure Gneismasse, die den größten Teil des Erzgebirges zusammensetzt, die hier durch den Quadersandstein gebildete sächsische Kreideformation auf, die in einem großen Steinbruch aufgeschlossen ist. Weiterhin ist dieser Sandstein im Ascherhübel durch eine Basaltmasse durchbrochen, die sich kuppelförmig auflagert. Dieser Basalt trägt die Zeichen seines feuerflüssigen Ursprunges in sich; er enthält nämlich sehr zahlreiche Einschlüsse des von ihm durchbrochenen und ihn unterlagernden Sandsteins, die durch die glutflüssige Masse zusammengefrittet und in eine glänzende glasartige Masse verwandelt sind. In diesem Aschenhübeler Basalt ist auch das einzige außerhalb der berühmten grönländischen Fundorte aufgefundene metallische Eisen in einem nußgroßen Stückchen vor einiger Zeit entdeckt worden.

Die erste Sitzung eröffnete Prof. Stelzner-Freiberg mit einer Begrüßungsrede, in der er auf die außerordentliche Bedeutung hinwies, welche die Freiberger Bergakademie allezeit für die Entwickelung der Geologie besessen hat. Leopold v. Buch und Alexander v. Humboldt saßen hier zu Füßen Werners, der 1786 das erste Kolleg der Welt über Geognosie las. Nachdem Geinitz-Dresden zum Vorsitzenden gewählt war, sprach Beck-Leipzig über das Rotliegende des Plauenschen Grundes. Der auf kambrischen und silurischen Schiefern auflagernde Komplex von Gesteinen, welchem die Steinkohlenschätze der Gegend von Döhlen und Potschappel bei Dresden angehören, darf nicht zur Steinkohlenformation gerechnet werden, wie das bisher mit der untern Kohle führenden Abteilung geschah, sondern gehört in seiner Gesamtheit einer etwas jüngern Formation, dem Rotliegenden, an. Die jüngere flözleere Abteilung des Schichtenkomplexes entspricht dem mittlern Rotliegenden andrer Gegenden. Die Formation beginnt mit mächtigen Porphyrdecken, die mit gewaltigen Konglomeratbänken bedeckt sind. Dann folgen, mit Sandsteinen und Schieferletten wechselnd, die Flöze selbst, deren mächtigstes im Durchschnitt eine Stärke von 3,5 m besitzt, aber örtlich bis zu 8 m anschwillt. Über der Flözgruppe folgen wieder Sandsteine und Schieferthone. Das mittlere Rotliegende ist im Plauenschen Grunde durch keine scharfe Grenze getrennt, sondern innig mit dem untern verbunden. Es besteht in seinem untern Teil hauptsächlich aus bunten Schieferletten und Thonsteinen, in seinem obern aus Konglomeraten und vulkanischen Bildungen, Tuffen und tuffigen Sandsteinen. Der untern dieser beiden Abteilungen sind einige Kalkbänke eingeschaltet, welche bei Niederhäßlich Tausende von Stegocephalen einschließen, kleine, salamanderähnliche Tiere, die im Larvenzustand durch Kiemen atmeten, im Wasser lebten und nackt waren, nach der Verwandlung aber zu lungenatmenden, auf der Bauchseite gepanzerten Landtieren wurden. Das Rotliegende des Plauenschen Grundes ist nicht eine einheitliche Mulde, sondern besteht aus einem Hauptbecken und einem südwestlich davon gelegenen Nebenbecken, die durch einen unterirdischen Thonschieferrücken getrennt sind. Zahlreiche Verwerfungen und einseitige Hebung haben in späterer Zeit die ganze Ablagerung betroffen. – Sterzel-Chemnitz sprach über die Flora des Rotliegenden im Plauenschen Grunde und begründete durch seine Ausführungen die Überzeugung, daß die Kohle führenden Schichten des Plauenschen Grundes nicht der produktiven Steinkohlenformation, sondern mit den darüberliegenden paläozoischen Schichten dem Rotliegenden angehören. Entscheidend sind hierbei weniger die vereinzelt noch vorkommenden Karbonpflanzen, als vielmehr der ganze Charakter der betreffenden Floren.

In der zweiten Sitzung wurde unter dem Vorsitz von Römer-Breslau Straßburg i. E. als Ort der nächstjährigen Versammlung gewählt. Dann sprach v. Koenen-Göttingen über eigentümliche kugelige Bildungen in Sandsteinen, welche die Schichtung des sie einschließenden Gesteins zeigen und an die bekannten Imatrasteine Finnlands erinnern. Der Vortragende wies auf ähnliche Bildungen in den Bleiglanzknottensandsteinen von Kommern und auf die Mangan- und Eisenkonkretionen der sogen. Tigersandsteine hin. v. Calker-Groningen sprach über kambrische und untersilurische Geschiebe der Gegend von Groningen im östlichen Holland und führte den Nachweis, daß die meisten Horizonte des baltischen Kambrium und Silur durch Geschiebe in Holland vertreten sind und daß ein Teil derselben, wie die Kalke mit Pentamerus borealis und der Ungulitensandstein, sicher aus Esthland herrühren.

In der dritten Sitzung unter dem Vorsitz von v. Koenen-Göttingen sprach Oppenheim-Berlin über eocäne Brackwasserablagerungen im nordwestlichen Ungarn. Das Eocän beginnt dort mit Süßwasserkalken, die sehr bald einen brackischen Charakter annehmen. Über den Brackwasserschichten folgen wiederum Süßwasserbildungen, und zwar zuerst mächtige Thone und dann Mergel. Redner gab eine ausführliche Kritik der Fauna der Brackwasserschichten und einen Vergleich derselben mit solchen des Vicentiner Tertiärs, woraus eine große Gleichartigkeit beider hervorgeht, nur daß die ungarischen Ablagerungen etwas älter zu sein scheinen. Alsdann sprach Redner über die Altersverhältnisse der Sotzkaschichten und andre Fragen, die sich an das Tertiär der südlichen Steiermark anknüpfen.

Hazard-Leipzig entwickelte die Beziehungen der Geologie zur Landwirtschaft und berührte dabei ganz speziell eine bestimmte Seite dieser Beziehungen: die Abhängigkeit der Kulturfähigkeit eines Bodens von dem Verhältnis zwischen mechanischer Konstitution und Gehängeneigung. Redner teilt die Böden in solche, die aus der Verwitterung hervorgehen: 1) von Thon, 2) von Lehm, 3) von massigen Gesteinen, 4) von schieferigen Gesteinen, 5) von Kies, 6) von Sand. Diese Reihenfolge gibt auch die Wertfolge der einzelnen Böden bei sonst gleichen äußern Bedingungen an, so daß der Thon etwa als Weizenboden, der Lehm als Rübenboden, der Verwitterungsboden der massigen Gesteine als Klee- und Gerstenboden, der schieferige als Roggenboden, die Kiese und Sande als Kartoffel- und Haferboden bezeichnet werden können. Es macht nun aber einen gewaltigen Unterschied, ob der Boden eine ebene Hochfläche bildet oder an einem Abhange liegt oder eine Einsenkung ausfüllt, indem nämlich die Atmosphärilien das Bestreben haben, die Bestandteile eines Bodens, je feinkörniger sie werden, um so mehr zur Tiefe zu führen und oben nur die gröbern Gemengteile zurückzulassen. So wird also beispielsweise der Verwitterungsschutt eines massigen

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0384.jpg&oldid=- (Version vom 11.1.2023)