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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

meisten Fällen zur Vereinfachung des Betriebs Akkumulatorenbatterien hinzugezogen werden, so kann man statt der Wechselstrommotoren, welche die Gleichstrommaschinen antreiben, gewöhnliche Wechselstrommaschinen nehmen. Diese müssen allerdings, um als Motoren zu laufen, zunächst auf die synchrone Geschwindigkeit gebracht werden, was indes, wenn Akkumulatoren in der Unterstation vorhanden sind, ein Leichtes ist: man läßt mittels der Akkumulatoren zunächst die Gleichstrommaschine als Motor laufen, diese bringt dann die Wechselstrommaschine auf synchrone Geschwindigkeit, von wo ab die letztere, in das Wechselstromnetz eingeschaltet, als Motor weiterläuft und die Gleichstrommaschine zum Stromgeben zwingt. Eine Wechselstrommaschine als Motor hat vor den bis jetzt bekannten selbstanlaufenden[WS 1] Wechselstrommotoren den erheblichen Vorteil voraus, daß sie hohen Nutzeffekt besitzt und mit hoher Spannung betrieben werden kann (s. Elektromotoren). Man vereinigt durch dieses System die guten Eigenschaften des Wechselstroms für hohe Spannung und Fernleitung sowie die beträchtlichen Vorzüge des Gleichstroms für Licht, Kraftzwecke und besonders für die Möglichkeit einer Vereinfachung des Betriebs durch Zuhilfenahme von Akkumulatoren. Eine solche Anlage wurde zuerst von Krebs für Frankfurt a/M. vorgeschlagen, in Kassel von der Firma Örlikon ausgeführt und auf der Frankfurter Ausstellung von Siemens u. Halske in großem Maßstab mit einer 500pferdigen Wechselstrommaschine und drei Wechselstromgleichstrom-Transformatoren in Größen von 200, 100 und 50 Pferdekräften im Betrieb gezeigt. Diese Anlage übernahm abwechselnd mit einer Gleichstrom-Akkumulatorenanlage, bestehend aus einer 600pferdigen Gleichstrommaschine und einer Akkumulatorenbatterie von 540 Pferdekraftstunden Leistung, den gesamten Betrieb.

Das zweite neue System könnte man dem allgemein üblichen Gebrauch nach „Drehstromsystem“ nennen, wenn nicht der Name „Drehstrom“ ein völlig nichtssagender Begriff wäre und, wie auch in jüngster Zeit mehr und mehr geschieht, der Name Mehrphasenstromsystem bei weitem vorzuziehen wäre. Das Mehrphasenstromsystem ist nichts andres als ein Wechselstromsystem, nur mit dem Unterschied, daß mehrere Wechselströme auf geeignete Weise miteinander verkettet sind, wodurch man als Hauptvorteil erzielt, daß der Mehrphasenstrom fast ebensogut wie der Gleichstrom zur Leistung von motorischer Arbeit zu verwenden ist, während dies von dem gewöhnlichen Wechselstrom nicht behauptet werden kann (s. Elektromotoren). Er kann also sämtliche Arbeiten des Gleichstroms vollführen, ja sogar durch eine einfache Umsetzung Akkumulatoren laden, und hat vor dem Gleichstrom noch den Vorteil voraus, daß ein Betrieb mit sehr hohen Spannungen ohne weiteres möglich ist, wozu er durch seine eigentliche Wechselstromnatur befähigt ist. Obwohl noch namentlich die Motoren einiger Weiterbildung bedürfen, ist ein solches System in Heilbronn zur Ausführung gelangt. Betrieben wird die Heilbronner Anlage durch die 10 km entfernte Wasserkraft bei Lauffen a. N. In Lauffen stehen die Mehrphasenstrommaschinen; sie erzeugen aus praktischen Gründen nur 50 Volt Spannung; mittels Transformatoren wird diese Spannung an Ort und Stelle auf 5000 Volt erhöht, dann durch oberirdische, an Ölisolatoren befestigte Leitungen bis nach Heilbronn geleitet, dort auf 2000 Volt transformiert und mittels Kabel an die einzelnen Verwendungsstellen geführt, wo dann weitere Transformatoren die Spannung auf das gebrauchsmäßige Maß von 100 Volt umsetzen.

Elektrizität als Motor von Tiefbohr- und Gesteinsbohrmaschinen, s. Erdbohrer.

Elektrometallurgie. Bei der Ausführung metallurgischer Prozesse mit Hilfe von elektrischer Energie kommen hauptsächlich die chemischen (elektrolytischen) und thermischen (Wärme-) Wirkungen in Betracht, weniger die mechanischen, magnetischen und sonstigen Wirkungen des Stromes. Je nach der Art des elektrometallurgischen Prozesses können aber die genannten Äußerungen der elektrischen Energie sowohl einzeln als auch nebeneinander als wirksame Faktoren auftreten. Je nachdem die elektrometallurgischen Prozesse unter Anwendung von Lösungen bei gewöhnlicher Temperatur oder unter Anwendung von geschmolzenen, halbgeschmolzenen, erweichten oder glühenden Körpern durchgeführt werden, spricht man von E. auf nassem und trocknem Weg. Die elektrometallurgischen Prozesse auf nassem Weg sind als rein elektrolytische zu betrachten, bei welchen etwa auftretende Wärmewirkungen des Stromes für das Gelingen der Operation nicht notwendig, bisweilen sogar schädlich sind. Bei den Prozessen auf trocknem Weg handelt es sich ebenfalls nur um Elektrolyse, wenn vorher geschmolzene Substanzen der Wirkung des Stromes unterworfen werden, in allen andern Fällen kommen neben der elektrolytischen Wirkung stets auch andre Äußerungen der elektrischen Energie und oft solche ausschließlich zur Wirkung. Die Prozesse sind im allgemeinen komplizierterer Natur und erheischen einen größern Aufwand an elektrischer Energie als die Prozesse auf nassem Weg, weshalb man, wo nur möglich, letztere bevorzugt hat. Nach den rein wissenschaftlichen Arbeiten von Berzelius u. Hisinger, Cruikshank, Brugnatelli, Davy u. a. beschrieb Becquerel 1835 mehrere Verfahren zur Gewinnung von Silber, Kupfer, Blei aus ihren Erzen. Seine Arbeiten, wie ähnliche von Holf und Pioche, gerieten aber in Vergessenheit, wie auch Leuchtenbergs Methode zur elektrolytischen Raffination von Rohkupfer, bis Elkington sich 1865 ein derartiges Verfahren patentieren ließ und mit Wildeschen magnetelektrischen Maschinen mit leidlichem Erfolg eine Kupferraffinerie in Betrieb brachte. Dies Verfahren fand seit 1878 sehr rasche Verbreitung und bildet heute die wichtigste Operation der E. auf nassem Weg. 1877 brachte Cobley die erste Methode der direkten elektrolytischen Metallgewinnung aus Erzen in Vorschlag und empfahl die direkte Verwendung gewisser (oxydischer) Erze der betreffenden Metalle als Anoden, wodurch der Prozeß sich offenbar zu dem denkbar einfachsten gestalten würde. Seitdem mehrten sich die Vorschläge für die einzelnen Metalle in überraschender Weise.

Abgesehen von der Gewinnung und Raffination des Kupfers, wurden Methoden zur Gewinnung von Zink empfohlen, die bisher noch keinen genügenden praktischen Erfolg zu verzeichnen haben. Die E. des Zinnes beschränkt sich fast ausschließlich auf die Wiedergewinnung des Metalls aus Abfällen, doch wurden auch Methoden zur Zinngewinnung aus Erzen vorgeschlagen. Für Blei wurden Methoden zur Gewinnung des Metalls aus Erzen und zur Raffination empfohlen. Unter den zahlreichen Vorschlägen für E. der Edelmetalle erscheinen besonders beachtenswert die Methoden der Elektroamalgamation, bei welchen die Gewinnung der Edelmetalle durch Amalgamation unter Zuhilfenahme der Elektrolyse ausgeführt wird. Auch für Kobalt, Nickel, Antimon und namentlich für Aluminium und Magnesium

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: stelbstanlaufenden
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0259.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2021)