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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

unbedingt am Hauptsignal den Zug erforderlichen Falles zum Halten bringen kann.

Von der allergrößten Bedeutung für die Betriebssicherheit sind die seit den letzten 10 Jahren in großem Umfange zur Durchbildung und Einführung gekommenen Zentralweichen- und Signalstellwerksanlagen. Diese Stellwerke haben in erster Linie den Zweck, die Bedienung verschiedener räumlich getrennter Weichen und Signale von Einem Mittelpunkt zu ermöglichen und somit den Dienst der betreffenden Weichensteller leichter und ungefährlicher zu machen. Dann aber werden die Signale mit den Weichen in eine solche Abhängigkeit voneinander gebracht, daß niemals ein Signal gezogen werden kann, wenn nicht vorher sämtliche zu durchfahrende Weichen richtig gestellt worden sind, und daß ferner feindliche Fahrstraßen sich gegenseitig ausschließen.

In den Stellwerken hat der Weichensteller in einem leicht zu übersehenden kleinen Raum eine Anzahl von Stellhebeln, die aufrecht stehen und dicht nebeneinander gelagert sind, durch einfache Handgriffe und ohne irgend einen Weg zurücklegen zu müssen, zu bedienen. Die Hebel für die Signale und Weichen sind äußerlich leicht erkenntlich gemacht durch besondern Farbenanstrich (die einen rot, die andern blau) und gewöhnlich auch durch eine andre Art des Handgriffs. Außerdem trägt jeder Hebel auf einem unterhalb des Handgriffs befindlichen, leicht in die Augen fallenden Schild seine genaue Bezeichnung. Bei der örtlichen Placierung stehen die Hebel für die Signale an beiden Enden der Hebelreihe, während diejenigen für die Weichenhebel sich in der Mitte befinden. Auf den Signalhebeln stehen ferner die Nummern derjenigen Weichen angegeben, welche in der Reihe, wie sie verzeichnet sind, umgestellt werden müssen, bevor das betreffende Signal gezogen werden kann. Die Aufträge zum Stellen der Weichen und Ziehen der Signale erhält der Stellwerkswärter auf telegraphischem oder mündlichem Wege durch den diensthabenden Stationsbeamten. Das Stellwerkshäuschen befindet sich zumeist nicht zu ebener Erde, sondern ein Stockwerk hoch und ist ringsum mit Fenstern versehen, so daß der Wärter seinen Bezirk von hier aus gut übersehen kann. Die Verbindung der Signal- und Weichenhebel miteinander ist also eine solche, daß kein Signalhebel umgelegt werden kann, bevor nicht die Umlegung der auf dem Signalhebel bezeichneten Weichenhebel erfolgt ist. Sobald daher ein Fahrsignal gegeben werden soll, müssen zuvor die auf dem betreffenden Signalhebel verzeichneten Weichenhebel umgelegt werden. Bevor dies nicht geschehen ist, ist es dem Wärter unmöglich, den Signalhebel zu bewegen, d. h. derselbe ist mechanisch und selbstthätig so verriegelt, daß selbst unter Aufwendung von großer Kraft der Signalhebel nicht bewegt werden kann. Ist er aber in vorschriftsmäßiger Weise auf Fahrt gezogen, so werden durch diese Bewegung sämtliche vorher richtig eingestellten Weichen verriegelt und können nun nicht mehr, solange das Fahrzeichen am Maste steht, in eine andre Lage gebracht werden. Bei Stellwerken, wo die Verschlußvorrichtungen nicht unmittelbar von den Signalhebeln, bez. den damit verbundenen Handfallenhebeln aus, sondern durch besondere Hebel (Verriegelungshebel, Verschlußknebel) bewegt werden, müssen letztere erst umgestellt oder umgedreht werden, bevor der eigentliche Signalhebel bewegt werden kann.

Ferner stehen die Signalhebel wie die Weichenhebel so untereinander in Wechselbeziehung, daß Fahrsignale für Züge, die sich gegenseitig gefährden würden, niemals gleichzeitig gegeben werden können. Man nennt dies: die Fahrstraßen schließen sich gegenseitig aus. Dieses Abhängigkeitsverhältnis wird zum Teil schon erzielt durch die für die verschiedenen Signale voneinander abweichende Weichenhebelverriegelung, zum Teil bestehen Verschlußvorrichtungen zwischen den Signalhebeln selbst.

Wenn alle Signalhebel sich in der Ruhelage befinden, also alle Signale „Halt“ zeigen, so können die Weichenhebel beliebig umgelegt werden, was für das Rangieren, das allemal unter dem Schutze der Haltesignale geschehen muß, notwendig ist. Ferner können, wenn ein Signalhebel umgelegt, d. h. Fahrzeichen gegeben ist, auch diejenigen Weichen umgestellt werden, welche für die Fahrtrichtung ohne Einfluß sind, während die vom Zuge zu durchfahrenden oder die von Nebengeleisen nach dem betreffenden Fahrgeleise führenden Weichen, soweit dieselben in das Stellwerk einbezogen, fest verriegelt sind.

Daß derartige Einrichtungen für die Sicherheit der in die Bahnhöfe einfahrenden Züge von einer hohen Bedeutung sind, ist einleuchtend. Bei großen Bahnhöfen, wo mehrere Linien zusammenlaufen, finden auch für die ausfahrenden Züge gleiche Sicherheitseinrichtungen statt. Die Sichtsignale werden in ähnlicher Weise gegeben, u. die Abhängigkeit der Signal- und Weichenhebel im Stellwerk ist dieselbe, wie vorauf geschildert. Bei eingeleisigen Bahnen ist die spitz befahrene Eingangsweiche auch bei den kleinern Bahnhöfen durch ein einfaches Stellwerk gesichert, so daß die Weiche allemal richtig eingestellt sein muß, bevor das Signal auf „Fahrt“ gezogen werden kann. Eine weitere, außerordentlich wichtige Einrichtung, die gleichzeitig mit den Stellwerken verbunden ist und in den letzten Jahren einen hohen Grad von Vervollkommnung erreicht hat, sind die sogen. Spitzenverschlüsse. Dies sind Vorkehrungen, welche den festen Anschluß der Weichenzungenspitze an die Mutterschiene bewirken, ein Klaffen verhindern und den Weichensteller direkt merken lassen, wenn ein Hindernis für den festen Anschluß der Zunge vorhanden ist.

Bei umfangreichen oder weit entfernt von dem Stationsbüreau liegenden Stellwerken stehen mit diesen häufig elektrische Block- oder mechanische Verschluß- und Freigabevorrichtungen in Verbindung, welche das Ziehen der Signalhebel auf Fahrt nur mit Zustimmung oder Hilfe der Station gestatten. Gleiche Vorrichtungen finden auch Anwendung, um bei einander folgenden Stellwerksanlagen eine richtige Reihenfolge in Bedienung der Signale zu sichern. Die für jedes Stellwerk erlassenen besondern Dienstanweisungen sind für die Bedienung dieser Anlagen maßgebend. In dem Stellwerksraum ist ferner ein Morseapparat, häufig auch ein Fernsprecher aufgestellt, durch welchen Anweisungen von dem diensthabenden Stationsbeamten an den bedienenden Weichensteller zu erteilen sowie die Meldungen[WS 1] des letztern zu erstatten sind. Die Vorschriften über die Bedienung dieser Verständigungsmittel sind ebenfalls in der besondern Dienstanweisung des betreffenden Stellwerks enthalten.

Diese komplizierten Stellwerksanlagen, von welchen hier nur die wichtigsten Funktionen erörtert sind, müssen selbstverständlich in allen ihren Teilen aufs sauberste und gewissenhafteste unterhalten werden, damit durch Versagen einzelner Teile nicht Stockungen im Betrieb eintreten. Auch hierin sind die Vorschriften auf den deutschen Bahnen, besonders

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Meldun-|den
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0239.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2022)