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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

der Grund- und Gebäudesteuer als Staatssteuer, bez. der Überweisung derselben an kommunale Verbände, oder für den Fall, daß ein solches Gesetz nicht zu stande kommt, zum Erlaß eines entsprechenden Betrages an E. verwandt werden.

Von Einführung einer besondern Kapitalrentensteuer neben der allgemeinen E. und den bestehenden Ertragssteuern wurde in Preußen Abstand genommen, weil es schwer halte, eine einzelne Gattung des mobilen Kapitals zur Besteuerung heranzuziehen und dasselbe gegen das gewerblich genützte gleichartige Kapital zu sondern. Die Einführung einer solchen Steuer werde auch tief einschneidende Änderungen in den bestehenden Ertragssteuern bedingen und die Überweisung der Realsteuern an die kommunalen Verbände erschweren. Ein wesentlicher Zweck der Kapitalrentensteuer, mit ihr das fundierte Einkommen stärker zur Deckung der Staatslasten heranzuziehen als das unfundierte, sollte durch Erweiterung der Erbschaftssteuer erreicht werden, ein Plan, der freilich in der Kammer auf Widerspruch stieß und nicht im vollen Umfange im Gesetz verwirklicht wurde. Vgl. Fuisting, Das preußische Einkommensteuergesetz (2. Aufl., Berl. 1892); Meitzen, Die Vorschriften für die preußische E. (das. 1892).

Außer Preußen haben noch einige andre deutsche Länder in den letzten Jahren (seit 1884) ihre E. geändert und zwar:

Anhalt: Gesetz vom 18. April 1886.
Baden: Gesetz vom 20. Juni 1884.
Bremen: Novelle zum Gesetz vom 19. April 1885.
Hamburg: Novelle vom 25. Juli 1888.
Hessen: Gesetz vom 7. Juli 1884.
Lübeck: Gesetz vom 27. Mai 1889.
Lippe: Novelle vom 25. Juli 1885.
Oldenburg: Novelle für das Herzogtum Oldenburg vom 11. März 1891; Novelle für Lübeck und Birkenfeld vom 12. März 1891.
Reuß j. L.: Gesetz vom 16. Juni 1890.
Sachsen-Meiningen: Gesetz vom 18. März 1890.
Schaumburg-Lippe: Gesetz vom 20. Januar 1885.


Eis. Die Eisbildung ist ein Vorgang des Wachstums, dessen Bedingungen sich genau angeben lassen. Es sei eine ausgedehnte Wassermasse gleichförmig auf die Temperatur ihres Gefrierpunktes abgekühlt. Sinkt die Temperatur der Luft über ihr auf Grade unter den Gefrierpunkt des Wassers und bleibt unveränderlich auf diesem Stande, so beginnt gleichzeitig an der Oberfläche des Wassers die Eisbildung und schreitet von da nach unten fort, so daß die Eisschicht mit zunehmender Zeit immer dicker wird. Die Dicke des Eises ist der Quadratwurzel aus der Zeit, welche seit dem Beginn der Eisbildung verflossen ist, proportional. Bezeichnet die Dicke des Eises zur Zeit , also das Kältegefälle, und ist das Wärmeleitungsvermögen des Eises, so ist die Kältemenge, welche durch das E. dem Wasser zugeführt wird. Dieselbe erzeugt eine Eisschicht von der Dicke , und es ist , wenn die latente Wärme, das spezifische Gewicht des Eises bedeutet. Aus dieser Gleichung erhält man . Bei dieser Formel ist allerdings vorausgesetzt, daß die Kälte innerhalb der Eisdecke nach dem Gesetz einer geraden Linie abfalle; thatsächlich ist das Gefälle an der Oberfläche größer als an der Berührungsfläche von Wasser und Eis, und nur das Gefälle an dieser Stelle bestimmt die Geschwindigkeit der Eisbildung. Verwickelter werden die Verhältnisse in der Natur dadurch, daß die Temperatur an der Oberfläche nicht konstant bleibt, sondern, mit dem Nullwert beginnend, langsam bis zu einem Maximum steigt, um dann wieder schneller bis zum Nullwert zu sinken. Da nun diese Veränderungen der Temperatur an der Oberfläche sich in tiefern Schichten später geltend machen als in den obern, so ist bei wachsender Kälte auch aus diesem Grunde ihr Gefälle an der Oberfläche größer als an der untern Grenzfläche des Eises. Mit wachsender Eisdicke nimmt diese Differenz zu, wird aber später, wenn die Kälte ihrem Maximum nahe kommt, wieder geringer, weil die Variationen der Kälte wieder klein werden. Anders liegen die Verhältnisse zur Zeit der Abnahme der Kälte. Die wesentlichste Änderung ist die, daß das E. an seiner Oberfläche nun mehr Kälte abgibt. Der Ort der größten Kälte liegt dann innerhalb des Eises, von diesem fließt die Kälte nach oben und nach unten ab; an letzterer Stelle erfolgt die Eisbildung nur auf Kosten der im E. aufgespeicherten Kälte. Würde die Kälte, nachdem sie ihr Maximum erreicht hat, sehr rasch absinken, so müßte dieser Fall mit dem Beginn des Absinkens eintreten. Erfolgt aber die Abnahme der Kälte so langsam, wie es in den polaren Gebieten thatsächlich geschieht, so tritt die zweiseitige Bewegung der Kälte erst später auf. Die Zunahme der Eisdecke ist demnach in der Periode der fallenden Kälte um vieles größer, als sie der ganzen, zur Zeit des Kältemaximums im E. vorhandenen Kälte entsprechend sein könnte. Es muß also während eines längern Abschnittes dieser Periode noch fortwährend Kälte durch die Oberfläche aufgenommen werden. Eine größere Annäherung an die Wirklichkeit erhält man, wenn man in der obigen Gleichung für den Wert setzt, d. h. die Kältesumme für die Zeit . Multipliziert man noch die linke Seite der Gleichung mit dem Faktor ( spez. Wärme, Temperatur an der Eisoberfläche am Ende der Zeit ) und berechnet den Koeffizienten von , der nach den Beobachtungen den Wert 0,869 gibt, so erhält man die Gleichung , welche den Vorgang der Eisbildung im Polarmeer ziemlich genau darstellt.

Inlandeis. Seitdem 1876 die dänische Regierung die wissenschaftliche Erforschung Grönlands zu betreiben begann, war eine der hauptsächlichsten Aufgaben der Untersuchungen die Bestimmung der Grenze und Bewegungen des Inlandeises, wenigstens so weit, als das Gebiet der dänischen Handelsplätze reicht. Der Umfang des ganzen Landes, soweit es bis jetzt bekannt ist, kann, gemessen auf einer durch die vorspringenden Landspitzen gezogenen Linie, zu 6700 km angenommen werden; der Umkreis des Binnenlandes kann auf 5900 km veranschlagt werden, wenn man sich auch den ganz unbekannten Teil dieses Umrisses ähnlich dem bekannten von Meeresarmen durchschnitten und die innern Endpunkte der Fjorde ebenfalls durch eine Linie verbunden denkt. Von diesem Umkreis sind jetzt 2600 km, nämlich an der Ostküste bis zum 67° nördl. Br. und an der Westseite bis etwa 75°, so durchforscht, daß der Rand des Inlandeises überall mit ziemlicher Sicherheit hat nachgewiesen werden können. Wenn auch nicht an allen Punkten die Grenze untersucht werden konnte, so unterliegt es doch nach den von den Einwohnern eingezogenen Erkundigungen keinem Zweifel, daß dieser Eisrand ein zusammenhängender ist, daß vor allem nicht etwa ein Thal, wie bisher noch vielfach vermutet

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0227.jpg&oldid=- (Version vom 19.1.2023)