Seite:Meyers b18 s0046.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 18

nicht mehr vor, plötzlich aber wieder im Siegener Lande. Er bittet nun um Nachrichten, wie weit das Osterfeuer nach Osten und Westen über die bezeichnete Strecke hinausgeht, ebenso über die Verbreitung der mit den Freudenfeuern verbundenen Volksbräuche. Prof. Ranke-München berichtet über die Durchforschung der Steinbachhöhle bei Sulzbach in Bayern. Beim Aufräumen eines längere Zeit durch herabgeworfene Steine verschüttet gewesenen Ganges fand man eine schräge Mauer, aus Geröllsteinen und Höhlenschlamm errichtet, und hinter dieser Mauer, welche einen Felsenspalt verschloß, eine große Anzahl Skelette, deren Schädel ausgesprochene Dolichokephalie zeigten, während die der jetzigen Bevölkerung brachykephal sind. In Verbindung mit der Beschaffenheit der bei den Skeletten gefundenen Gefäßscherben rechtfertigt dieser Umstand den Schluß, daß diese unterirdische Begräbnisstätte vor oder während der Völkerwanderung angelegt ist. Eine neben der Mauer aufgefundene Brandstelle ergab keine weitere Aufklärung. Dr. Naue-München sprach über einen zu Mykenä gefundenen Goldschmuck, dessen Charaktere auf barbarische Abstammung deuten. Nach der Ansicht des Vortragenden dürfte der Schmuck mit dem Zuge des Alarich nach Makedonien und Griechenland hinein zusammenhängen. Zum Schlusse sprach Prof. Waldeyer über die Gehirne des Menschen und der anthropoiden Affen. Mit Hilfe vorzüglicher, in sehr großem Maßstab angelegter Zeichnungen veranschaulichte der Redner die Form der in Betracht kommenden Gehirne mit ihren typischen Windungen und Furchen und erörterte die große Ähnlichkeit des Menschengehirns mit demjenigen des Gorillas, des Schimpansen, des Orang-Utans und des Gibbons. Diese Ähnlichkeit ist sehr viel größer als diejenige des Affengehirns mit dem Gehirn tiefer stehender Tiere. Indessen sind doch auch regelmäßig wiederkehrende Unterschiede unverkennbar. Einmal ist beim Menschen eine gewisse von der Mittelrinne etwa auf halber Länge dieser und ungefähr rechtwinkelig zu ihr nach beiden Seiten auslaufende Furche, die beim Affen sehr lang und tief ist und deshalb Affenspalte heißt, nur angedeutet, ferner ist der Hinterhauptlappen beim Menschen ungleich mehr ausgebildet, was wiederum einen mehr longitudinalen Verlauf der diesen Lappen vom Scheitellappen trennenden Rinne veranlaßt, und endlich ist an der mit dem Sprachzentrum in Verbindung stehenden Hirnpartie das Menschengehirn viel reicher an Windungen, während beim Affen eine lange Furche diese Partie in zwei Teile zerlegt und so die Windungen abschneidet. Nach einigen Bemerkungen Virchows über die Festschrift: „Die Bilsteinhöhle bei Karthaus“ wurde die Versammlung geschlossen.

Beim Besuch der Binoller Höhle auf einer der Exkursionen der Gesellschaft wurden eigentümliche Stalaktiten beobachtet. Während Stalaktiten ihrer Entstehung zufolge stets senkrecht herabhängen, findet man hier Zäpfchen, die unten scharf im rechten Winkel umbiegen, wagerecht weitergehen, hierbei zuweilen sich krümmen und namentlich am Ende oft hakig aufwärts gebogen sind. Ein Erklärungsversuch nimmt den heftigen Luftzug zur Hilfe, der zur Zeit der Bildung dieser Zäpfchen durch die Höhle gegangen sein und die einseitige Verdunstung des kalkhaltigen Wassers bewirkt haben soll. Da nun aber ziemlich benachbarte Zäpfchen nach ganz verschiedenen Richtungen umbiegen, müßte man schon einen sehr häufigen Wechsel der Zugrichtung annehmen. Nun findet man aber gar einen Deckenzapfen, von welchem kleinere Zäpfchen nach verschiedenen Richtungen sich abzweigen, ähnlich dem Fußwerk einer Spinne. Da kann jene Erklärung kaum noch zutreffen. Vielleicht kann die Annahme einer allmählichen Verschiebung der Punkte des Abtröpfelns die Erklärung herbeiführen.

Anthyllis vulneraria (Wundklee, Tannenklee), vorzügliche Futterpflanze für höhere Lagen und für sandigen, nicht kleefähigen Boden sowie für Boden mit sterilem Untergrund, wenn dieser nur etwas Kalk enthält, wurde seit 1860 durch die Samenhandlung Metz u. Komp. in Berlin in Norddeutschland und Schlesien verbreitet. Der Same ist etwas größer als Rotkleesamen, gelblich bis dunkelgrün schattiert, glänzend. Der Anbau soll im Herbst oder Frühjahr möglichst dicht mit mindestens 20–24 kg reinem Samen pro Hektar erfolgen. Wundklee verträgt strenge Kälte, ohne auszuwintern, und im Sommer große Hitze. Er liefert nur einen Schnitt, welcher bei gutem Stande so ausgiebig wie zwei Rotkleeschnitte ist. Zu Grünfutter ist er Anfang Juni, sobald sich die Blütenknospen entwickeln, zu schneiden. Zu Heu mähe man den Wundklee in voller goldgelber Blüte. Um Blattverlust bei der rasch vor sich gehenden Heuwerbung zu verhindern, empfiehlt sich die Verwendung von Kleehütten und Kleereitern. Für Samengewinnung, welche sehr schwierig ist, weshalb der Same heute noch sehr teuer im Handel zu stehen kommt, wird Ende August geschnitten, wenn die meisten Blüten weiß gefärbt sind und die tauben Blüten abfallen. Der Wundklee wird besonders von Rindvieh und Schafen, wenn sie sich einmal an denselben gewöhnt haben, grün oder gedörrt sehr gern gefressen. Grünfutter bläht nicht und liefert sehr fette Milch sowie schön gelb gefärbte Butter. Das Heu steht im Nährwert dem Rotkleeheu nur wenig nach. Der Boden ist nach Wundklee sehr mild und mürbe, weshalb er eine ausgezeichnete Vorfrucht zur Winterung abgibt, übrigens kann er in kurzen Zeiträumen und selbst mehrere Male aufeinander auf demselben Felde gebaut werden.[WS 1]

Antimon, s. Anthropologenkongreß, S. 28.

Antipyrēse, s. Fieber.

Antiséptik, s. Wunde.

Antoine (spr. angtŏann), Dominique, franz. Politiker, geb. 27. Jan. 1845 zu Metz, studierte die Tierheilkunde und wurde Tierarzt erst in Sierk, dann in Metz. 1870 nahm er als Leutnant in der Mobilgarde am Kriege gegen Deutschland teil und wurde verwundet. Nach dem Frieden blieb er in Metz, betrieb mit Eifer seine Wissenschaft, ward Mitglied der Akademie von Metz und ließ sich von der Regierung des Reichslandes Elsaß-Lothringen zu verschiedenen amtlichen Geschäften verwenden. 1875 wurde er zum Mitglied des Metzer Gemeinderats, 1878 des Landesausschusses und 1882 zum Reichstagsabgeordneten gewählt. Er besuchte den Reichstag nie, trat aber in Lothringen als eifriger Protestler und Revancheapostel auf und wurde deshalb auch in Untersuchung gezogen, dennoch aber 1884 und 1887 wiedergewählt. Im Frühjahr 1887 wurde er seiner unaufhörlichen Hetzereien wegen ausgewiesen und begab sich nach Luxemburg, legte aber 1889 sein Reichstagsmandat nieder und wanderte nach Frankreich aus, wo er als Wanderredner für die Einigkeit aller Republikaner gegen den Boulangismus auftrat. Hier erkannte man bald seine völlige Unbedeutenheit, und er ward nicht einmal zum Deputierten gewählt.

Antoninus, 1) A. Pius. Vgl. Lacour-Gayet, Antonin le Pieux et son temps (Par. 1888).

Anzengruber, Ludwig, Dichter. Vgl. Bettelheim, Ludwig A., der Mann, sein Werk, seine Weltanschauung (Dresd. 1890).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vgl. Anthyllis in Band 1
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 18. Bibliographisches Institut, Leipzig 1891, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b18_s0046.jpg&oldid=- (Version vom 19.6.2022)