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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17

einschnappt. Die oberste Patrone liegt nun so hoch, daß der Verschlußkopf beim Vorschieben der Kammer hinter ihren Boden greift, sie mitnimmt und in das Patronenlager des Laufes schiebt, wobei der Boden in die Aussenkung des Verschlußkopfes tritt. Die Nase des Schlößchens liegt hinter dem Abzugsstollen, durch einen Druck an den Abzug schnellt das Schlößchen mit dem Schlagbolzen vor, und der Schuß geht los. Sowie die oberste Patrone den Rahmen verließ, hob der Zubringer die übrigen Patronen hoch bis gegen die Kammer; wird diese nach links gedreht, so spannt sich das Schlößchen, die Nasen treten aus der Ausdrehung der Hülse, und das Zurückziehen kann beginnen. Hierbei nimmt der Auszieher die Hülse mit, bis der Knopf des Auswerfers gegen die Hülse stößt und der Stift in der Führungsrinne w sich vorschiebt, hinter den Boden der Hülse stößt und diese aus dem Gewehr wirft. Gleichzeitig haben sich die Patronen gehoben, so daß der Verschlußkopf wieder hinter den Boden der obersten stößt. Wird die letzte Patrone vorgeschoben, so fällt der Rahmen in dem Augenblick, in welchem sie aus diesem heraustritt, aus der Öffnung des Kastenbodens o von selbst aus dem Gewehr und gibt dem Schützen das Zeichen zum Einsetzen eines gefüllten Rahmens.

Die Munition.

Die Patronenhülse (Fig. 11) hat keinen Bodenrand; welchen Einfluß der Fortfall desselben auf die Lagerung im Magazin und die Form des letztern hat, zeigt ein Vergleich der Abbildungen des deutschen und österreichischen Gewehrs. Die Lagerung in den Packgefäßen ist fester und beansprucht wesentlich weniger Raum. Das 4 Kaliber oder 32 mm lange Geschoß hat einen Durchmesser von 8,1 mm und besteht aus dem Mantel von nickelplattiertem Stahlblech, in welchen ein Kern aus Hartblei eingepreßt ist. Durch Umbördelung des Mantels über den Boden des Korns wird das Lostrennen und Aufreißen des Mantels verhindert. Zwischen dem Geschoß und der Ladung aus 2,75 g Gewehr-Blättchen-Pulver liegt eine Pappscheibe. Das Geschoß bleibt ungefettet; es wiegt 14,7, die Hülse 9,8, die ganze Patrone 27,3 g, sie ist 82,5 mm lang. Ein Patronenrahmen mit 5 Patronen wiegt 154 g, drei Rahmen stecken in einer Packschachtel, 15 Packschachteln in einer Packhülse und 5 Packhülsen mit zusammen 1125 Patronen in einem Patronenkasten, welcher 42,7 kg[WS 1] wiegt.

  Deutsches Gewehr Öster­reich. Gewehr Fran­zös. Gewehr
M/71.84 88 80 M/86
Länge des Gewehrs (ohne Seitengewehr) m
1,8 1,245 1,281 1,307
Gewicht, ungeladen (ohne Seitengewehr) kg
4,6 3,8 4,4 4,18
Gewicht einer Patrone g
43 27,3 29,7 29
Kriegs­chargierung des Mannes Patronen
100 150 100 112
Gewicht derselben mit Pack­schachteln kg
4,396 5,03 3,53
Geschoß­anfangs­geschwindigkeit m
435 620 530 610
Das Visier reicht auf m
1600 2050 1875 1800
Bestrichener Raum bis auf Entfernung m
375 500 375 500

Das österreichische Gewehr, welches urspränglich eine Ladung von 4 g Stainer Pulver M/86 verwendete, ist jedoch vorbedachterweise für rauchfreies Pulver konstruiert worden, so daß dessen Annahme technische Änderungen des Gewehrs nicht erfordern sollte. Inzwischen soll solches Pulver eingeführt worden sein. Die Ladung des französischen Gewehrs M/86 beträgt 2,70 g, der Geschoßmantel ist aus Melchior-Metall hergestellt.

Der hohen Bedeutung des Fußgefechts der Kavallerie entsprechend, wird dieselbe, gleichwie in Frankreich, mit einem Karabiner bewaffnet werden, welcher dem Gewehr M/88 entspricht und sich nur äußerlich, soweit es die kavalleristische Gebrauchs- und Trageweise erfordert, von demselben unterscheidet.

Der Revolver M/83.

Der Revolver M/83 (Fig. 12 u. 13) ist die Handfeuerwaffe der Feldartillerie, aller Offiziere, der Krankenträger und derjenigen Unteroffiziere der Fußtruppen, welche eine andre Schußwaffe nicht tragen, also der Feldwebel, Vicefeldwebel, Stabshautboisten, Bataillons- und Regimentstamboure und der Fahnenträger. Er hat ein Kaliber von 10,6 mm und ist 25,8 cm lang. Die sechsschüssige Kammerwalze wird beim Aufziehen (Spannen) des Hahns dadurch gedreht, daß der Umsatzhebel in das an der hintern Fläche der Walze nahe der Achse liegende Zahnrad eingreift. Zum Festhalten der Walze beim Schuß dient der Arretierhebel, dessen Nase in eine der sechs Rasten auf der Mantelfläche der Walze (in der Abbildung sind zwei sichtbar) greift, welcher bei Stellung des Hahns auf Ruhrast (einmaliges Knacken beim Spannen) die Walze freigibt, so daß sie zum Laden und Ausstoßen der Hülsen mit der Hand gedreht werden kann. Zu diesem Zweck muß die Ladeklappe, welche die rechte Hälfte der Walze hinten bedeckt, nach rechts gedreht werden, damit in die freigewordene Kammer eine Patrone eingesetzt werden kann.


Italien hat sein Vetterli-Gewehr von 10,4 mm Kaliber nach der Konstruktion des Majors Vitali in ein Kastenmagazingewehr in der Weise umgeändert, daß unter dem Gewehr vor dem Verschlußgehäuse ein Kasten zur Aufnahme eines verbesserten Leeschen Kapselmagazins aus Stahlblech mit vier Patronen befestigt ist, welches die Zubringervorrichtung enthält. Durch Drehen eines Verschlußringes kann der Magazinmund abgesperrt werden, wenn mit Einzelfeuer geschossen werden soll. Beim Übergang zum Magazinfeuer muß der Verschlußring entfernt und ein Patronenpack eingesetzt werden. Dem entsprechend führt der Schütze in einer Patronentasche lose Patronen, in der andern 6 Pakete zu 4 Stück. Durch Anwendung eines rauchlosen Pulvers hofft man zwar die Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses von 430 auf 600 m zu steigern und wird dadurch die Flugbahnverhältnisse verbessern, aber niemals diejenigen der kleinkalibrigen Gewehre erreichen können. Italien wird sich deshalb mit dem Vitali-Vetterli-Gewehr nicht zufrieden geben können, sondern zu einem kleinsten Kaliber übergehen müssen. Wie es heißt, soll die Fabrik von Löwe in Berlin, welche für Deutschland die Gewehre M/88 fertigt, einen Vertrag auf Lieferung der gleichen Gewehre mit Italien abgeschlossen haben.




Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 42,7 g
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 420c. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0420c.jpg&oldid=- (Version vom 3.6.2022)