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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17

Untergrund bis zu verschiedener Tiefe aushöhlten, wie im bekannten „Gletschergarten“ in Luzern. Die genannten glazialen Ablagerungen ruhen meistens auf den jüngsten tertiären Bildungen, vielfach trifft man aber auch als Übergangsstufe Süßwasserablagerungen, wie Kalke und sandige Thonmergel, oder auch marine Bildungen, wie in Norddeutschland Cyprinenthone mit Cyprina islandica, an. Die eigentlichen glazialen Bildungen zeigen ferner eine häufige Wechsellagerung von echten Moränen mit Gerölllagern, Ligniten, Torflagern und Sand- und Thonschichten

Fig. 2. Gletscherschliff auf der Küste von Argyllshire.

und sind stellenweise von Löß bedeckt; so schalten sich in der Nordschweiz zwischen die untern und obern Moränen Schieferkohlen in einer Mächtigkeit von 3 m und Gerölle ein, ebenso in den Algäuer Alpen in der Nähe von Sonthofen. Daraus geht hervor, daß die Vergletscherung der Alpen mehrfachen Schwankungen in Bezug auf ihre Ausdehnung unterlag, die entweder nur untergeordneter Natur waren, oder längern Zeitepochen entsprachen. Aus der relativen Lage der äußern und innern Moränenzüge ist nun geschlossen worden, daß von den wiederholten

Fig. 3. Gekritztes Geschiebe von der Grundmoräne eines Gletschers.

Vereisungen die letzte nicht den Umfang der vorhergehenden erreichte. In der Schweiz liegen außerhalb der typischen Endmoränen noch Grundmoränen und erratische Blöcke. Dasselbe Verhältnis kehrt am ganzen Nordrand der Alpen, am Fuß der Pyrenäen, in Mitteleuropa und Nordamerika wieder, die ältern Moränen sind stets weiter verbreitet als die jüngern. Beide unterscheiden sich nicht bloß orographisch, insofern als die äußern Moränen die charakteristischen Eigentümlichkeiten ihrer Entstehung nicht mehr aufweisen, sondern auch geologisch, indem sie durch Zwischenbildungen voneinander getrennt sind. Die Quartärzeit besteht somit nicht aus einer einzigen Gletscherperiode, sondern zerfällt in zwei Perioden des Gletscherwachstums, getrennt durch eine Zeit des Abschmelzens, des zeitweiligen Gletscherrückgangs, eine Interglazialzeit. Bei der Mannigfaltigkeit in der lokalen Ausbildung der Gletscherablagerungen ist eine Parallelisierung verschiedener Gebiete noch mit Schwierigkeiten verknüpft, indem sich nicht sicher nachweisen läßt, daß z. B. die Gletscher in den Alpen genau zur gleichen Zeit ihre größte Verbreitung hatten wie diejenigen in Skandinavien, oder daß die E. Europas mit derjenigen Amerikas gleichzeitig war, es steht nur fest, daß dies innerhalb des gleichen geologischen Zeitabschnitts geschah.

In den wichtigsten Gebieten der frühern Vergletscherung sind die Grenzen, bis zu denen das Land von Eis bedeckt war, ziemlich genau festgelegt, wenn auch über die Deutung der Erscheinungen noch nicht volle Übereinstimmung herrscht. Am intensivsten ist die ehemalige Vergletscherung der Alpen und des voralpinen Hochlandes durchforscht. In der Schweiz waren es außer den weniger bedeutenden Arve- und Isèregletschern fünf mächtige Eisströme, die sich über die Hochebene ergossen und teilweise bis in den Jura reichten. Der alte Rhônegletscher hatte über 5000 qkm, ebenso der Rheingletscher, derjenige der Linth ca. 1000 qkm, der alte Aaregletscher 650, der Reußgletscher 1900 qkm Fläche. Die obern Grenzen der Gletscherspuren weisen ein Gefälle auf, das beim Reußgletscher bis 40 m auf 1 km erreicht, beim Aaregletscher sogar bis auf 45 m steigt, die Dicke der Eisschicht betrug bei beiden stellenweise fast 1000 m. Der Rheingletscher wurde durch den Schwäbischen Jura nach NO. abgelenkt und von demselben aufgestaut. Die Moränenlandschaft der zweiten Vereisung, End- und Ufermoränen, zeigt mehrfache Ein- und Ausbuchtungen und bleibt hinter der äußersten Grenze des Moränengebiets um 10–20 km zurück. Entsprechend der Abnahme des eiszeitlichen Gletscherphänomens von W. nach O. steht der Salzachgletscher mit seinen Größenverhältnissen in der Mitte zwischen seinen beiden Nachbarn, dem Inn- und Traungletscher. Die Ursache der Abnahme der eiszeitlichen Gletscherentfaltung, welche ganz proportional der heutigen Entwickelung ist, liegt nicht nur in der Änderung der Höhenverhältnisse des Gebirges, sondern auch in dem Kleinerwerden der Thalsysteme gegen O. Nördlich der alpinen Vergletscherung beherbergten von den deutschen Mittelgebirgen der Schwarzwald und die Vogesen in ihren südlichen Thälern kleine Gletscher. Skandinavien war zur E. ebenso wie heute noch Grönland unter Eis begraben. Nach W. durchkreuzte skandinavisches Eis die Nordsee und lagerte norwegisches Gestein an der schottischen und englischen Ostküste ab. Am mächtigsten war aber die Verbreitung nach S., wo die Eismassen die Ostsee überschritten und die norddeutsche Tiefebene bis an den Außenrand der deutschen Mittelgebirge mit Geschiebe bedeckten. Die Südgrenze des skandinavischen Eises wird durch eine Linie bezeichnet, welche sich von den Rheinmündungen an den Gehängen des rheinisch-westfälischen Schiefergebirges, Harzes, Thüringer Waldes, Erz- und Riesengebirges entlang bis zum Nordabhang der Karpathen östlich von Krakau verfolgen läßt (s. die Karte). In Zentralrußland verbreitete sich der skandinavische Gletscher bis Kiew am Dnjepr und Nishnij Nowgorod an der Wolga. Die vergletscherte Fläche ist scharf und auf allen Seiten vom Ural getrennt. Im Ural und ganzen nördlichen

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0286.jpg&oldid=- (Version vom 20.1.2023)