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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16

hat seinen Grund in der republikanischen Verfassung, daß die Schweiz journalistisch mit am reichsten entwickelt ist. Die „Basler Nachrichten“, die „Neue Zürcher Zeitung“, die „Zürcher Post“, der Berner „Bund“, das „Journal de Genève“ und die „Gazette de Lausanne“ dürften die bedeutendsten Z. sein. In Tessin erscheinen überdies einige italienische, in Graubünden einige rätoromanische Blätter. 1885 erschienen 641 Z. und Zeitschriften, davon 421 in deutscher, 202 in französischer, 14 in italienischer, 3 in romanischer Sprache veröffentlicht werden. – Der Charakter der englischen Presse ist Gediegenheit, innerlich und äußerlich. Großbritannien zählt unter seinen ca. 4000 periodischen Schriften ca. 1800 Journale vorwiegend politischen und ca. 700 überwiegend nichtpolitischen Inhalts; letztere erscheinen fast ausschließlich in Form von Wochenblättern, Revuen oder „Magazines“. Tagesblätter gibt es 145, von denen die Hälfte in London erscheint, wo überhaupt gegen 1470 periodische Schriften herauskommen. Die „News Letters“, welche unter der Regierung Jakobs I. aufkamen, bilden den Anfang des englischen Journalismus; die Revolution machte aber in dieser Hinsicht keinen bedeutenden Eindruck, erst seit dem Ende des Jahrhunderts zeigte sich mehr und mehr ein Fortschritt, besonders seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die erste regelmäßige Zeitung, ein Wochenblatt, erschien im J. 1622. Die Beseitigung des Zeitungsstempels (1855) und der Papiersteuer (1861) verursachten die Gründung von zahlreichen neuen Z. Von den bedeutendern, jetzt noch bestehenden Blättern stammen nur wenige aus dem letzten Jahrhundert. Die „Times“, immer noch das einflußreichste Blatt, wurde 1788 gegründet, während der konservative „Standard“ das gediegenste der Pennyblätter, der vielgelesene „Telegraph“, die „Daily News“, das Hauptblatt der Manchesterleute, erst Schöpfungen der Neuzeit sind. Zahlreich sind auch die politischen Abendblätter, wie „Pall Mall Gazette“, „Globe“, „Echo“ und „Star“, letzteres ein radikal-irisches Blatt. Unter den Wochenblättern allgemeinern Inhalts nehmen die „Saturday Review“, „Observer“ und einige Arbeiterzeitungen, wie „Lloyd’s News“, einen hervorragenden Rang ein. „Punch“ behauptet noch immer den Vorrang unter den Witzblättern, während die illustrierte „Graphic“ der ältern „Illustrated London News“ den Rang streitig macht und das „Athenaeum“ an der Spitze der rein litterarischen Zeitschriften steht. Zahlreich und teilweise glänzend ausgestattet sind die monatlichen „Magazines“, welche der Mehrzahl nach der bloßen Unterhaltung dienen, teilweise aber im Dienste der Wissenschaft, der Kirche, der Kunst und andrer Interessen stehen. Ehrwürdig durch ihr Alter sind hier die „Edinburgh“, die „Westminster“ und die „Quarterly“ Reviews, mehr gelesen aber die „Fortnightly“ und das „Nineteenth Century“. Vgl. Duboc, Geschichte der englischen Presse (Hannov. 1873). – Von großer Wichtigkeit als klarster Ausdruck der bewegten Volksstimmung ist immer die französische Presse gewesen. Sie hat sowohl den Leitartikel als das Feuilleton eingeführt. Gegenwärtig erscheinen etwa 1300 Z. allein in Paris, darunter 60 politische Tageszeitungen. Die erste täglich erscheinende Zeitung war das „Journal de Paris“ (1777–1819); bedeutend älter ist aber die 1631 begründete legitimistische „Gazette de France“. Von den 750 Z., die während der Revolutionszeit auftauchten, bestehen mehrere noch fort, so der „Moniteur Universel“, der bis 1869 Amtsblatt war und gegenwärtig der orléanistischen Richtung dient, wie auch das verjüngte „Journal de Débats“, jetzt das Hauptorgan des linken Zentrums, welches sich unter allen Regierungen immer als ein Blatt ersten Ranges, namentlich in seiner Wirkung auf das Ausland, behauptet hat. Der „Constitutionnel“, 1815 gegründet, unter der Julimonarchie eine Macht und bis um die Mitte der 70er Jahre wegen seiner litterarischen und wissenschaftlichen Fachberichte geschätzt, ging seitdem in den Besitz von Spekulanten über und fristet als Soublatt ein kümmerliches Dasein, ähnlich der „Presse“, einer Schöpfung Girardins, welche gegenwärtig im Solde des Boulangismus steht. Der „Siècle“, früher als doktrinäres Oppositionsblatt vielgenannt, zehrt, obwohl nach modernen Anforderungen mit großen Geldopfern umgestaltet, nur noch von seinem alten Ruf. „Pays“ und „Autorité“, jahrelang Vorkämpfer des Bonapartismus, haben Ansehen und Einfluß verloren. Unstreitig das bedeutendste aller französischen Blätter ist der von Nefftzer in den letzten Jahren des Kaiserreichs gegründete „Temps“, welcher einer gemäßigt republikanischen Politik huldigt, die besten litterarischen Kräfte für sein Feuilleton und Fachberichte heranzieht und mit seinen gehaltvollen ausländischen Korrespondenzen in Frankreich einzig dasteht. Die „République française“, deren Gründer Gambetta war, ist das streitbarste Parteiblatt des Opportunismus, wie die „Justice“ (das Blatt Clémenceaus) dasjenige des regierungssüchtigen Radikalismus. Zur Bildung einer Durchschnittsmeinung in den Massen, namentlich in der Provinz, trägt das sehr geschickt bearbeitete „Petit Journal“, welches neulich die Erreichung seiner eine Million starken Auflage feierte, mächtig bei. Es fand eine Menge Nachahmer, und überdies suchten ihm die meisten radikalen und intransigenten Organe: „Lanterne“ und „Intransigeant“, „XIX. Siècle“ und „Bataille“, durch die Herabsetzung ihres Preises auf 5 Centimes Konkurrenz zu machen; ja sogar der geistig vornehme „Soleil“, der Moniteur des Grafen von Paris, bequemte sich zu dieser demokratischen Ermäßigung. „Univers“ und „Monde“ dienen einer verbissenen klerikalen Politik, letzterer je nach dem Winde, der vom Vatikan her weht, mehr zu Zugeständnissen an den Zeitgeist geneigt. „Figaro“, „Gaulois“, „Gil Blas“, „Événement“, „Voltaire“, die man unter der Bezeichnung „Boulevardblätter“ kennt, haben es mehr auf Unterhaltung, geistreiche oder prickelnde Behandlung der Tagesereignisse abgesehen; der „Figaro“ hat sich seit der Niederlage des Boulangismus zur konservativen Republik bekehrt, während der „Gaulois“ seine Liebedienerei mit Orléanismus und Imperialismus forttreibt. Außer dem seit 1814 bestehenden Annoncenblatt „Galignani’s Messenger“, das vielfach vortreffliche Nachrichten hat, werden in Paris noch zwei andre Blätter in englischer Sprache herausgegeben: „Paris Morning News“ und eine eigne Ausgabe des „New-York Herald“, die auf Kabeldienst beruht. Sonst brachte es trotz wiederholter Anstrengungen keine andre fremdsprachliche Zeitung zu nennenswertem Erfolg. Von den Zeitschriften sind zu erwähnen: die 1829 gegründete und seit 1831 regelmäßig zweimal monatlich erscheinende „Revue des Deux Mondes“, die deutschfeindliche „Nouvelle Revue“, die „Revue politique et littéraire“ (oder „Revue bleue“), die „Grande Revue“ welche Arsène Houssaye, die „Revue de Famille“, welche Jules Simon leitet, die mit der „Revue bleue“ in engerm Rahmen wetteifernden „Annales littéraires“, die „Revue illustrée“ und die „Illustration“, die unter

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 851. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b16_s0851.jpg&oldid=- (Version vom 9.10.2022)