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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16

und hellbraunen Flecken gezeichnet; die Schwingen sind rot- und schwarzbraun gebändert, die Schwanzfedern fein schwarz gesprenkelt und mit fünf schmalen Bogenbändern gezeichnet; die Augen sind gelbbraun, Schnabel und Beine grüngelb. Der W. bewohnt Mitteleuropa und Mittelasien, vorzüglich Baumpflanzungen und Vorhölzer, weilt bei uns von Ende April bis Anfang August und im Winter in Griechenland, Ägypten, Nubien und im Ostsudân. Er sitzt meist träge auf einem Baum, ist auf dem Boden wenig geschickt, klettert und fliegt ungern, macht aber in der Erregung und, um Feinde zu schrecken, eigne Gebärden, verdreht Hals und Kopf, verbeugt sich, breitet den Schwanz aus, verdreht die Augen, sträubt die Kopffedern etc. Er sucht seine Nahrung, welche vorzüglich aus Ameisen besteht, auf der Erde und erbeutet die Tiere mit der Zunge. Gelegentlich frißt er auch Raupen, Larven und Puppen. Er nistet jährlich nur einmal und legt Mitte Mai in Baumhöhlen, auch wohl in Starkasten 7–12 glänzend weiße Eier (s. Tafel „Eier I“, Fig. 22), welche das Weibchen fast allein ausbrütet. Das Nest wird höchst unreinlich gehalten. In der Gefangenschaft wird er leicht zahm und ist durch sein eigentümliches Benehmen sehr unterhaltend. Die Alten deuteten letzteres als Verliebtheit, schrieben ihm liebeweckende Kraft zu und benutzten ihn zu allerlei Zaubermitteln.

Wendekreise (Tropici), auf der scheinbaren Himmels- und auf der Erdkugel die beiden um die Schiefe der Ekliptik (231/2°) vom Äquator entfernten Parallelkreise; der nördliche ist der Wendekreis des Krebses, der südliche der Wendekreis des Steinbocks. Die W. der Himmelskugel berühren die Ekliptik in den Solstitialpunkten; sie werden an den Tagen der Sonnenwenden von der Sonne beschrieben.

Wendelstein, aussichtsreicher Gipfel der bayrischen Kalkalpen (1849 m) zwischen dem Schliersee und dem Inn, mit Gasthaus, Kapelle und 3 m hohem Kreuz. Vgl. Edelmann, Der W. (Innsbr. 1887).

Wenden, ein Zweig der westslaw. Völkergruppe, welcher sich noch in der Lausitz erhalten hat (s. Deutschland, S. 817). Die Veneter, die der ältere Plinius und Tacitus erwähnen, und die letzterer von den Sarmaten abtrennt und irrtümlich den Germanen zuweist, weil sie Häuser bauten, Schilde trügen und im Kampf zu Fuß erfahren seien, werden gemeinhin mit den W. identifiziert. Ihre Wohnsitze verlegt man an die Ufer des Niemen und obern Dnjepr; doch erhellt sich das Dunkel, das über jenem Volk ruht, erst im 6. Jahrh., wo sich das Gebiet der W. bis zur Oder erstreckt. Fortan wird der Name W. Bezeichnung für alle Nordslawen. Diese sind im 6. Jahrh. in Böhmen eingedrungen und haben nördlich davon alle Lande auf dem rechten Elbufer, ja sogar das Land zwischen Elbe und Saale besetzt. Sie teilen sich in viele Stämme, von denen die an der untern Elbe wohnenden seit Karl d. Gr., die an der obern Elbe erst seit Heinrich I. mit den Germanen in Berührung kamen. Vom 10. bis zum Ende des 12. Jahrh. folgte eine Zeit blutiger Kämpfe, welche mit der Unterwerfung und Bekehrung der W. zum Christentum endeten. Obgleich sie innerhalb des deutschen Reichsverbandes eine Sonderstellung zum Teil unter eignen Fürsten (in Böhmen, Mecklenburg, Pommern, den Marken zwischen Elbe und Oder, Schlesien) behielten, vollzog sich doch die Germanisierung des Slawenlandes allmählich infolge der massenhaften Einwanderung der Deutschen. Am frühsten verschwand das slawische Element in den Maingegenden, wohin es seit dem 8. Jahrh. bei Gelegenheit der Grenzkriege Eingang gefunden hatte. (S. Slawen und Geschichte der einzelnen slawischen Länder.) Der Name W. bezieht sich später vornehmlich auf die Sorben und Liutizen, deren Nachkommen in der Lausitz noch wendische Sprache oder, wie im Altenburgischen (ca. 20,000 Köpfe), wenigstens wendische Sitte und Tracht bewahrt haben. Die Zahl der W. ist fortwährend im Abnehmen begriffen; sie beträgt (1889) in der sächsischen Oberlausitz 56,354, in der preußischen Oberlausitz 37,307, in der preußischen Niederlausitz 66,071 Seelen. Außerhalb der Lausitz wohnen in Sachsen 3402, in Preußen 1000, in der Fremde 3000 W. Wendisch sind im ganzen 105 Pfarrbezirke (in Preußen 72), 130 Kirchen (in Preußen 93), 763 Dörfer (in Preußen 353) und 14 Städte (in Preußen 10). Vgl. L. Giesebrecht, Wendische Geschichten aus den Jahren 780–1182 (Berl. 1841–43, 3 Bde.); R. Andree, Das Sprachgebiet der Lausitzer W. (Leipz. 1873); Derselbe, Wendische Wanderstudien (Stuttg. 1874); Veckenstedt, Wendische Sagen, Märchen etc. (Graz 1879); v. Schulenburg, Wendisches Volkstum (Berl. 1882); Mucke, Statistik der Lausitzer W. (Bautzen 1886). Weiteres s. Wendische Sprache.

Wenden, Kreisstadt in der russ. Ostseeprovinz Livland, an der Aa und der 1889 eröffneten Riga-Pskowschen Bahn, mit den großartigen Ruinen eines alten Ordensschlosses (1224 erbaut), der schönen Johanniskirche (mit Grabmälern mehrerer Heermeister) und (1885) 4333 Einw. (meist Deutsche). W. war einst Sitz des Land-, später Heermeisters der mit dem Deutschen Orden vereinigten Schwertbrüder und vom 14. bis 16. Jahrh. eine bedeutende Handelsstadt. Infolge der Belagerung und Einnahme der Stadt durch Iwan den Grausamen (1557), bei welcher sich die Besatzung mit sämtlichen Bewohnern der Burg in die Luft sprengte, verlor W. seine Bedeutung.

Wender., bei botan. Namen Abkürzung für F. Wenderoth, geb. 1774 zu Marburg, gest. 1861 daselbst als Professor der Botanik.

Wendidad, Teil des Zendavesta (s. d.).

Wendisch-Buchholz, Stadt, s. Buchholz 3).

Wendische Krone, mecklenburg-schwerinischer und -strelitzischer Hausorden, 12. Mai 1864 von beiden Häusern in sechs Graden gestiftet und zwar in Großkreuzen erster und zweiter Klasse sowie Großkomturen, Komturen, Rittern und Verdienstkreuzen in Gold und Silber. Die Zahl der Inländer ist limitiert. Jeder der beiden Fürsten kann den Orden für sich verleihen. Die Dekoration ist ein achtspitziges, weiß emailliertes Goldkreuz mit goldenen Greifen in den Winkeln, einem blauen, mit rotem Band umgebenen Mittelschild, welcher vorn die wendische Krone und die Umschrift: „Per aspera ad astra“ (Schwerin), „Avito viret honore“ (Strelitz), hinten die Namenszüge „F. F.“, resp. „F. W.“ zeigt. Die Großkreuze erster Klasse tragen das Kreuz an der Kette und einen silbernen Stern mit dem obigen Mittelschild und der Krone in Erz, die Großkreuze zweiter Klasse das Kreuz am großen Band und den Stern mit der Krone in Gold, die Großkomture beides kleiner, das Kreuz um den Hals, die Komture keinen Stern, die Ritter das Kreuz im Knopfloch. Das Verdienstkreuz ist in Gold oder Silber gepreßt und von gleicher Form wie das Ritterkreuz. Das Band ist rot mit blauem und gelbem Rand (Schwerin), blau mit gelbem und rotem Rand (Strelitz). Das Großkreuz erster Klasse kann auch an Fürstinnen verliehen werden. S. Tafel „Orden“, Fig. 6.

Wendischer Kreis, s. Güstrow.

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 530. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b16_s0530.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2023)