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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16

Weihnachtsspiele, eine besondere Gattung der mittelalterlichen geistlichen Spiele, welche aus der doppelten Einwirkung der alten germanisch-heidnischen Sonnenwendfeier und aus den Weihnachtsbräuchen, dem Adventsritus der christlichen Kirche, erwuchs. Die Verkündigung durch den Engel, die Anbetung des Jesuskindes durch die Hirten und die Weisen aus dem Morgenland (die heiligen drei Könige) gingen aus den kirchlichen Zeremonien in die geschlossenen und ausgedehntern W. über, welche in Frankreich, England, namentlich aber in Deutschland volkstümlich wurden, und von denen sich Reste über die Reformationszeit hinaus erhielten. Die Handlung der W. war eine ziemlich reichhaltige, wie denn das in einer Handschrift des 14. Jahrh. erhaltene St. Galler Weihnachtsspiel einen guten Begriff gibt, was alles in diese Spiele hereingezogen wurde. Verkündigung des Messias durch die Propheten, die Vermählung Josephs mit Maria, die Heimsuchung, die Geburt und Anbetung durch die Hirten, das Erscheinen der Weisen vor Herodes, die Anbetung der Weisen, die Darstellung Jesu im Tempel, der bethlehemitische Kindermord und die Flucht nach Ägypten erscheinen hier als Teile einer Handlung, welche uns in zahlreichen andern Weihnachtsspielen in der gleichen oder wenig veränderten Gruppierung begegnen. Die beiden Hauptteile: Geburt Christi und Anbetung der drei Weisen, die vielfach auch selbständig abgerundet und dargestellt wurden (daher neben den Weihnachtsspielen der Dreikönigsspiele häufig auftauchten und länger in Übung und Gebrauch blieben als die Darstellung der Verkündigung und der Anbetung der Hirten an der Krippe), fehlen keinem der größern W., Episoden aller Art (die Bitten Marias und Josephs um Aufnahme in Bethlehem, die Klage der Rachel um die ermordeten Kinder) wurden in andre eingefügt, einzelne bis zur Rückkehr nach Nazareth ausgedehnt. Als Nachklang der Weihnachtsfeier und Anschluß an die Evangelienerzählungen erscheinen die in die W. eingeflochtenen Gesänge. Von den Weihnachtsspielen, die in großer Zahl vorhanden gewesen sein müssen, blieben nur wenige erhalten, die meist mit den andern geistlichen Spielen veröffentlicht wurden (weiteres in den Artikeln Mysterien [S. 956 f.], Oster- u. Passionsspiele). Vgl. Weinhold, W. und Lieder aus Süddeutschland u. Schlesien (neue Ausg., Wien 1875); Piderit, Ein Weihnachtsspiel (Parchim 1869); A. Hartmann, Weihnachtsspiel u. Weihnachtslied in Oberbayern (Münch. 1875).


Weihrauch (Olibanum, Thus), Gummiharz, welches aus dem Stamm verschiedener Boswellia-Arten in Nordostafrika, nahe dem Kap Gardafui und auf einem beschränkten Saum der mittlern Südostküste Arabiens zwischen Kap Nus und Kap Schedscher in der Weise gewonnen wird, daß man in die Stämme Einschnitte macht und den ausfließenden milchähnlichen (daher der Name, vom hebräischen lebonah, „Milch“) Saft erhärten läßt. Der W. bildet verschieden gestaltete, fast farblose, hellgelbe oder bräunliche, weiß bestäubte, durchscheinende Körner, ist leicht zerreiblich, im Bruch wachsartig, erweicht im Mund, schmeckt terpentinartig und schwach bitter, aber nicht unangenehm, riecht aromatisch, besonders beim Erwärmen, und zersetzt sich in höherer Temperatur. Er besteht wesentlich aus Harz, Gummi und ätherischem Öl und zerfällt in Wasser zu einer neutralen trüben Flüssigkeit. W. kommt fast ausschließlich über Aden in den Handel, von wo er nach London, Bombay, den Handelsplätzen des Roten Meers, Ägypten und China verschifft wird. Er dient als Räuchermittel in der römisch- und griechisch-katholischen Kirche, sehr selten als Arzneimittel. Die Benutzung des Weihrauchs in den Tempeln reicht ins höchste Altertum zurück; Phöniker und Ägypter bezogen ihn als eine der größten Kostbarkeiten aus Arabien, und nach einer Inschrift am Tempel von Dayr el Bahri wurden auch lebende Weihrauchpflanzen zu Schiff herbeigeführt und dem Ammon geweiht. Plutarch erzählt, daß Alexander d. Gr. bei der Einnahme von Gaza für 500 Talente W. und 100 Talente Myrrhen nach Makedonien sandte, und nach Herodot zahlten die Araber einen jährlichen Tribut von 1000 Talenten W. an Dareios. Auch im hebräischen und griechischen Altertum wurde W. in den Tempeln benutzt, in Rom wurde er ebenfalls beliebt, und Nero verbrauchte eine ungeheure Menge beim Begräbnis der Poppäa. Im Mittelalter blieb W. in der römischen und griechischen Kirche in hohem Ansehen und diente bei den mannigfaltigsten Zeremonien. Bedeutende Quantitäten verbrauchen die Chinesen, welche den W. seit dem 10. Jahrh. von den Arabern erhielten.

Weihrauch, Vogel, s. Pirol.

Weihrauchcypresse, s. Cypresse.

Weihwasser (lat. Aqua lustralis), in der römisch- und griechisch-katholischen Kirche das durch die Geistlichen feierlich geweihte Wasser, welches von den Gläubigen in den Wohnungen aufbewahrt wird und bei den Römisch-Katholischen sich auch in jeder Kirche und Kapelle in einem eingemauerten oder aufgestellten

Weihwasserbecken, aus Silber getrieben (Museum in Stuttgart).

Gefäß (s. unten) nahe dem Eingang befindet, damit die Eintretenden und Weggehenden die Finger oder den Weihwedel (aspergillum) eintauchen und sich so in Kreuzform mit ihm besprengen können. Die Sitte ist jedoch vor dem 9. Jahrh. nicht nachweisbar. Die Weihe des Wassers, das nach dem römischen und gallischen Ritus, der mozarabischen Liturgie und den Vorschriften der armenischen und abessinischen Kirche mit geweihtem Salz gemischt wird, geschieht an jedem Sonntag vor der Messe mit Ausnahme des Oster- und Pfingstsonntags, in der griechischen Kirche nur zweimal jährlich: am Vorabend und Tag der Wasserweihe

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 16. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 487. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b16_s0487.jpg&oldid=- (Version vom 11.10.2022)