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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 15

Stolgebühren (Jura stolae), die nach der Stola (s. d.) benannten Gebühren, welche die Geistlichen für kirchliche Handlungen, namentlich Taufen, Trauungen, Abnahme der Beichte und Begräbnisse, beziehen. Schon zu Ende des 5. Jahrh. war eine Taxe für alle geistlichen Verrichtungen vorhanden; doch floß das von den Laien dafür in den Opferstock der Kirche gelegte Geld anfangs der Kirchenkasse zu, die davon den Pfarrern ihren Anteil gab. Erst später war jeder Parochus befugt, die S. für sich allein einzunehmen. Auch in der protestantischen Kirche bilden die S. (als zufällige Einnahmen jetzt gewöhnlich Accidenzien oder Kasualien genannt) einen Teil der Einnahmen des Pfarrers; doch sind sie in Deutschland vielfach abgeschafft und durch festen Gehalt ersetzt worden.

Stoliczka (spr. -litschka), Ferdinand, Paläontolog, geboren im Mai 1838 in Mähren, war nach Vollendung seiner Studien mehrere Jahre ein thätiges Mitglied der geologischen Reichsanstalt zu Wien und wurde 1862 als Mitarbeiter an der Geological Survey of India nach Kalkutta berufen. Seine Arbeiten sind meist paläontologischen Inhalts. Eine Reihe von Aufsätzen behandelt die Kreidefossilien Südindiens. Daneben publizierte er wichtige zoologische Arbeiten in den Schriften der Asiatic Society of Bengal, deren Sekretär er seit 1868 war. 1864 und 1865 machte er Forschungsreisen nach dem englischen Tibet, nahm 1873 als Geolog an der Forsythschen Gesandtschaftsreise nach Kaschgar teil, ging dann mit Oberst Gordon und Kapitän Trotter nach dem Tschatyrkul im Thianschan, über die Pamirs nach Wachan und zurück, starb aber auf dem Marsch 19. Juni 1874 in Murghi am Shayok, unfern des Sasserpasses in Ladak. Vgl. Ball, Memoir of the life and work of F. S. (Lond. 1886).

Stolidität (lat.), Albernheit, Dummheit.

Stoljetow, Nikolai Grigorjewitsch, russ. General, geb. 1834, trat 1855 als Offizier in ein Regiment der Kaukasusarmee, avancierte in derselben bis zum Oberstleutnant und ward 1867 zum Chef der Kanzlei der Militärverwaltung von Turkistan ernannt. Kurz darauf zum Obersten befördert, erhielt er 1872 das Kommando des uralischen Infanterieregiments. Nicht lange nachher ward ihm die Leitung der Amu Darja-Expedition, einer wissenschaftlichen Unternehmung und zugleich auch militärischen Rekognoszierung, übertragen. 1875 zum Generalmajor befördert, erhielt er 1877 den Auftrag, die bulgarischen Druschinen (Milizbataillone) zu organisieren, und an der Spitze von sechs bulgarischen Bataillonen nahm er an Gurkos erstem Zug über den Balkan teil, kämpfte 31. Juli 1877 bei Eski-Sagra mit und hatte den ersten Anprall Suleiman Paschas auf dem Schipkapaß auszuhalten. Auch beim zweiten Balkanübergang im Winter 1877–78 befehligte er eine Brigade. Nach dem Frieden von San Stefano ward er an der Spitze einer großen Gesandtschaft nach Kabul zum Emir von Afghanistan geschickt, um diesen zum Widerstand gegen die Engländer aufzureizen, zog sich aber mit diesem nach Turkistan zurück, als die Engländer in Afghanistan einrückten.

Stollberg, 1) Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Zwickau, Amtshauptmannschaft Chemnitz, Knotenpunkt der Linien S.-Chemnitz und St. Egidien-Zwönitz der Sächsischen Staatsbahn, 418 m ü. M., hat 2 Kirchen, ein neues Rathaus, eine Realschule, ein Amtsgericht, eine bedeutende Strumpfwarenfabrik (800 Arbeiter), Strumpfstuhl-, Zigarren-, Metallwaren- u. Kartonagenfabrikation, Maschinenbau, mechanische Weberei und Zwirnerei, Dampfsägewerke und (1885) 6541 fast nur evang. Einwohner. Dabei das Dorf Hoheneck mit dem hoch gelegenen gleichnamigen Schloß (jetzt Arbeitshaus für Männer) und (1885) 1210 Einw. – 2) S. Stolberg.

Stollbeulen (Ellbogenbeulen), bei Pferden Geschwülste an der hintern Seite und auf der Spitze des Ellbogens, die infolge von Quetschungen der Haut und Unterhaut entstehen. Diese Quetschungsentzündung wird in einzelnen Fällen durch den Druck der Stollen des Hufeisens während des Liegens der Pferde mit untergeschlagenen Füßen hervorgerufen (daher der Name), kommt aber auch bei stollenlosen Hufeisen und unbeschlagenen Pferden vor. Die Entzündung breitet sich gewöhnlich auf das benachbarte Bindegewebe aus; die zunächst mit Blut gefüllten Hohlräume werden durch Wucherung und Verdichtung des Bindegewebes zum größten Teil wieder ausgefüllt, und die Geschwulst wird infolgedessen fest und derb (Stollschwamm). In der ersten Zeit bildet sich in der Geschwulst nicht selten eine Eiterung. Die Behandlung verlangt Abstellung der Ursache fortgesetzter Quetschung; bei frischer Entzündung sind kühlende Mittel, sonst Entleeren der Flüssigkeit, Einreibungen mit grüner Seife und Einspritzungen von Jodtinktur angezeigt. Veraltete, speckartige Stollschwämme können nur durch Ätzmittel oder auf operativem Weg entfernt werden. Besonders zweckmäßig ist das Abbinden der S., weil mit demselben die Verheilung ohne Zurücklassung einer narbigen Deformität erzielt wird. Übrigens stören S. den Dienstgebrauch der Pferde wenig, beeinträchtigen aber oft das gute Aussehen. Die alte Annahme, daß S. am häufigsten bei lungenkranken Pferden vorkommen, ist unbegründet.

Stolle, Ludwig Ferdinand, Belletrist, geb. 28. Sept. 1806 zu Dresden, studierte in Leipzig die Rechte und Staatswissenschaften, widmete sich dann zu Grimma und seit 1855 in Dresden der Litteratur und starb in letzterer Stadt 29. Sept. 1872. Durch die Herausgabe des humoristisch-politischen Volksblattes „Der Dorfbarbier“ (1844–63) in weitern Kreisen bekannt geworden, fand er mit seinen zahlreichen historischen und humoristischen Romanen, von denen wir nur „1813“ (Leipz. 1838, 3 Bde.), „Elba und Waterloo“ (das. 1838, 3 Bde.), „Deutsche Pickwickier“ (das. 1841, 3 Bde.; 3. Aufl. 1878), „Napoleon in Ägypten“ (das. 1843, 3 Bde.) und „Die Erbschaft in Kabul“ (das. 1845) namentlich anführen, wie mit seinen Erzählungen und Novellen („Frühlingsglocken“, „Moosrosen“ etc.) zahlreiche Leser. Sie wurden unter dem Titel: „Des Dorfbarbiers ausgewählte Schriften“ (2. Aufl., Leipz. 1859–64, 30 Bde.; neue Folge, Plauen 1865, 12 Bde.) gesammelt. Außer „Gedichten“ (Grimma 1847) gab er auch die lyrische Sammlung „Palmen des Friedens“ (Leipz. 1855, 5. Aufl. 1873) heraus und schrieb zuletzt das Idyll „Ein Frühling auf dem Lande“ (das. 1867).

Stollen, ein möglichst horizontaler, vom Tag ausgehender, nach Umständen verzweigter unterirdischer Grubenbau, welcher verschiedenen Zwecken dient; in der Poetik ein Teil der Strophe der alten Minnelieder (s. Aufgesang und Abgesang).

Stollenrösche, der vom Mundloch eines Stollens bis zum nächsten Wasserlauf geführte Graben.

Stollenschrank, ein auf Pfosten (Stollen) ruhender Schrank mit Doppelthüren, im Mittelalter und in der Renaissancezeit vornehmlich in den Rheinlanden verfertigt. Die Pfosten waren meist durch eine Rückwand und unten durch ein Querbrett verbunden. S. Tafel „Möbel“, Fig. 10.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 15. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b15_s0346.jpg&oldid=- (Version vom 23.5.2023)