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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 15

von Kohlenflözen und zeigt neben dem allgemeinen Einfallen der Schichten nach Nordosten die Störungen dieser Gesetzmäßigkeit durch die Verwerfungen, welche einzelne Abschnitte der Kohlenflöze und der übrige Schichten losgetrennt und, relativ zu ihrer Umgebung, in eine größere Tiefe versetzt haben.

Wo immer alle Glieder der S. entwickelt sind, läßt sich eine Zweiteilung der Formation nach petrographischen u. paläontologischen Unterschieden nachweisen, deren unteres Glied zur Bildung von Facies neigt, für welche es aber an Übergängen ineinander nicht mangelt. In Amerika, den meisten Becken Englands, in Frankreich, Belgien, am Niederrhein, in Schlesien und Rußland wird die unterste Abteilung von einem gewöhnlich festen und dichten, mitunter (Rußland) kreideartigen Kalkstein (Bergkalk, Mountain limestone, Kohlenkalk, metallführender Kalk) gebildet, der reich an organischen Resten meerischen Ursprungs ist. Untergeordnet kommen mit dem Bergkalk Dolomit, Anhydrit, Gips, Steinsalz (Westvirginia, Durham, Bristol) vor. In Devonshire, Irland, Nassau, am Harz, in Schlesien, Mähren und den Alpen (Gailthaler Schichten) bilden dagegen Thonschiefer, Sandsteine, Grauwacken und Kieselschiefer ein als Kulm bezeichnetes Äquivalent des Kohlenkalks. Ärmer an Versteinerungen als der Kohlenkalk, führt der Kulm immerhin noch genug Arten (Posidonomya Becheri, Goniatites sphaericus etc.) gemeinsam mit dem Kalk, um ihn als bloße Facies desselben aufzufassen. Während die Thonschiefer oft sehr reich an Posidonomya Becheri sind (Posidonomyenschiefer), stellen sich in den Grauwacken und Sandsteinen Pflanzenreste ein (die im Kohlenkalk nur als äußerste Seltenheiten bekannt sind), mitunter sogar zu kleinen Flözen angehäuft (Calamites transitionis, Sagenaria, Stigmaria). Man betrachtet diese Facies als eine Bildung innerhalb flacher Meeresbuchten, während der Kohlenkalk einen Absatz des hohen Meers darstellen würde. Eine dritte Facies dieser untersten Abteilung ist endlich die von sehr groben Konglomeraten mit untergeordneten Sandsteinen und Schieferthonen, an einigen Punkten Sachsens flözführend, in mehreren Becken durch auskeilende Wechsellagerung mit Kohlenkalk verknüpft. Es würde sich diese Art der Entwickelung als eine Uferbildung deuten lassen. – Über jeder dieser Facies ist als zweites Glied der S. ein Sandstein mit untergeordneten Konglomeraten entwickelt, der nur selten und dann gewöhnlich unbauwürdige Flöze enthält. Dieser flözleere Sandstein (obere Kulmgrauwacke, Millstone grit) wird häufig dem Kohlenkalk und Kulm noch beigezählt und mit diesem zusammen als subkarbonische Formation der obern Abteilung, der produktiven Kohlenformation (Hauptsteinkohlenformation), entgegengestellt. Diese besteht an den meisten Orten aus Sandsteinen und Schieferthonen, aus Steinkohlen, thonigen Sphärosideriten, bald in einzelnen Konkretionen in den Schieferthonen eingeschlossen, bald zusammenhängende Lagen bildend, und Kohleneisenstein (s. Spateisenstein). Die Kohle ebensowohl als die Eisenerze sind lediglich gelegentliche Begleiter der übrigen Gesteine und, selbst wo sie vorhanden sind, in so geringer Mächtigkeit gegenüber den Sandsteinen und Schieferthonen entwickelt, daß sie trotz ihrer großen technischen Wichtigkeit nur als untergeordnete Glieder der produktiven S. bezeichnet werden können. Es ist deshalb die Benennung „produktiv“ für die obere Abteilung keine glückliche, um so weniger, als neuere Untersuchungen zu beweisen scheinen, daß die nach dieser Bezeichnung vorausgesetzte ungefähre Gleichalterigkeit für die wichtigsten Kohlenvorkommnisse nicht besteht, daß vielmehr einige englische sowie die von Ostrau und Waldenburg dem Kulm, die westfälischen, belgischen, nordfranzösischen und viele englische einer untern Stufe der obern Abteilung zugerechnet werden müssen, während die Flöze von Pilsen und Zentralfrankreich eine jüngere Periode derselben Abteilung repräsentieren. Aber auch diese Abteilung führt an manchen Orten, z. B. Yorkshire, Kentucky, Oberschlesien und namentlich in Rußland (Fusulinenkalk), Kalksteine mit reichen Resten marinen Charakters. Das Hangende der produktiven S. wird in einigen Gegenden (z. B. im Saargebiet) von einer Schichtenfolge (Ottweiler Schichten) gebildet, deren innige Verwandtschaft mit höher gelegenen (Cuseler Schichten, s. Dyasformation) die oben erwähnte Schwierigkeit der Abgrenzung gegen das Rotliegende bedingt. Die für die Kohle der S. gegebene geographische Verbreitung (s. Steinkohle) stellt natürlich nur einen kleinen Teil derjenigen der S. dar, insofern als namentlich der Bergkalk über große Horizontalstrecken hin als anstehendes Gestein dominiert. So nimmt derselbe einen großen Teil des südlichen und mittlern England ein und bildet im Innern mitunter groteske Bergpartien, an der Küste von Südwales steile Klippen. In Schottland und in einigen Gegenden Englands sind die Facies der Konglomerate und des Kulms die Unterlage der produktiven S., in Irland fehlt die jüngere Abteilung gänzlich. In Deutschland tritt Kohlenkalk als unterstes Glied des Aachener (und belgischen) sowie des westfälischen Beckens auf, weniger und meist durch Kulm vertreten in Schlesien, während in Hessen-Nassau nur die untere Abteilung (Kulm), bei Saarbrücken lediglich die obere Abteilung vorkommt. In Böhmen fehlt ebenfalls die subkarbonische Formation; dagegen sind in Mähren, besonders aber in Rußland, auf Spitzbergen, auf den Bäreninseln und in Nordamerika Kohlenkalke in großer Verbreitung bekannt.

Die pflanzlichen und tierischen Reste der S. unterliegen einer ähnlichen Trennung wie das Gesteinsmaterial. Die erstern sind wesentlich auf die Steinkohlenflöze und die sie begleitenden Schieferthone beschränkt, die tierischen Reste an den Kohlenkalk und den Kulm geknüpft. Die Flora der S. war trotz aller Üppigkeit, wie sie sich in der großartigen Aufhäufung zu mächtigen Kohlenflözen ausspricht, eine formenarme: es fehlen die höhern Dikotyledonen vollständig, und auch Koniferen, Palmen und Cykadeen spielen eine untergeordnete Rolle. Der Schwerpunkt des pflanzlichen Lebens lag in den Kryptogamen, von denen einige Geschlechter in größter Anzahl der Individuen und in später nie wieder erreichten Dimensionen auftreten. Die Kalamiten (s. Tafel „Steinkohlenformation II“, Fig. 5) haben unter der Flora der Jetztwelt die Schafthalme (Equiseten) zu nächsten Verwandten, und in die gleiche Klasse dürften auch die zierlichen Rosetten der Annularien (Fig. 8) und Sphenophyllen gehören. Zu den Lykopodiaceen zählen die Siegelbäume (Sigillarien, Fig. 6), die Schuppenbäume (Lepidodendren, Fig. 2) und vielleicht auch die Cordaites-Arten (Fig. 3), die jedoch von andern mit mehr Wahrscheinlichkeit den Cykadeen zugezählt werden. Besonders die erstgenannten Angehörigen einer Familie, welche jetzt fast ausschließlich niedrige, krautartige Pflanzen aufweist, mögen als baumartige Formen mit ihren Stämmen, welche deutliche, im Quincunx gestellte, bald rhombische, bald sechsseitige Blattnarben tragen, den Wäldern der S.

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 15. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b15_s0273.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2023)